Interview "Man ist dankbar und gerührt"

Neun Helfer der Initiative "Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf" reisten ins Flüchtlingslager Duinkirchen nahe Calais in Frankreich. Werner Schüßler erzählt von bedrückenden Bildern und großer Not.

Die Menschen leben im Flüchtlingslager in Duinkirchen in schlimmen Zuständen. Dort versuchte die Initiative „Flüchtlinge sind in Düsseldorf willkommen“ mit Care-Paketen am Wochenende zu helfen.

Foto: Initiative Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf

Sie waren in Frankreich um zu helfen. Warum?

Werner Schüßler: Wir hatten die Idee, Konvois dorthin zu organisieren, wo die Not am größten ist und waren im Dezember schon auf dem Balkan gewesen. Das Elend in Frankreich ist aber viel näher. Und für uns einfacher zu erreichen.

Wir haben Bilder gesehen. Eine primitive Zeltstadt, voller Schlamm und Müll. Man kann sich schwer vorstellen, dass Menschen so leben. Wie war Ihr erster Eindruck?

Schüßler: Die Verhältnisse sind unglaublich bedrückend. Die Leute fristen ihr Leben in Zelten und Unterkünften, die sie sich aus irgendwelchen Sachen gebastelt haben. Es regnete sehr stark, dadurch war es noch viel schlimmer. Es gibt Wege aus Paletten, damit man nicht im Schlamm versinkt. Die Versorgung übernehmen ausschließlich freiwillige Organisationen. In Duinkirchen sind mehr Familien als in Calais, etwa 90 Prozent Kurden. Dass das hier in Europa ist, kann man sich nicht vorstellen.

Die Menschen leben in dem Camp teils knietief im Schlamm.

Foto: Initiative Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf

Wie haben Sie sich als Helfer dort gefühlt?

Schüßler: Man ist tatsächlich nur darauf konzentriert, seine Arbeit zu machen, zu helfen. Wenn man sich mit politischen Fragen dahinter beschäftigt, würde man wohl resignieren. Dort sind Menschen in Not, wir gehen hin und leisten erst einmal die nötige Hilfe.

Wie haben die Menschen dort auf sie reagiert?

Schüßler: Die Menschen sind sehr angespannt, weil es immer wieder heißt, das Lager solle geräumt werden. Man hat natürlich auch nur begrenzt Spenden dabei. Wenn die verteilt sind, entstehen Spannungen, da einige leer ausgehen. Wir haben vorher geübt, wie wir die Sachen abgeben. Wenn man unvorbereitet da hineingeht, nur mit guter Absicht, dann könnte es schwierig werden.

Am Waldrand türmen sich die Müllberge von tausenden Menschen.

Foto: Initiative Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf

Hatten Sie Sicherheitsleute oder Polizei dabei?

Schüßler: Nein, es ist ja ein illegales Lager. Deshalb greift die Polizei es oft an, mit Tränengas oder Gummigeschossen. Zwischen Flüchtlingen und Sicherheitskräften besteht ein total angespanntes Verhältnis. Aber die Helfer vor Ort — wie zum Beispiel die englische Organisation "Care4Calais" — haben einen guten Draht.

Gibt es überhaupt Unterstützung von französischer Seite?

Schüßler: Nein, das Lager ist nicht gewollt. Das Lager ist ein Spielball der britischen bzw. der französischen Haltung in der Flüchtlingsfrage.

Gibt es Flüchtlings-Unterkünfte, die mit deutschen Einrichtungen vergleichbar sind?

Schüßler: Man hat den Flüchtlingen aus den Lagern die offiziellen Unterkünfte angeboten. Diese sind eingezäunt. Die würden die Leute an der Weiterreise hindern und ihnen die Hoffnung nehmen, dass sie es nach England schaffen. Daher will dort niemand rein. Ärzte ohne Grenzen baut aber in der Nähe jetzt ein winterfestes Lager. Das machen die sonst in Europa eigentlich gar nicht.

Was haben Sie genau mitgenommen?

Schüßler: Wir haben über 600 Lebensmittel-Pakete gesammelt — für schätzungsweise rund 7.000 Menschen. Dazu kamen noch Geldspenden. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es reicht ja nur für ein paar Tage.

Wollen Sie auch weiterhin das Lager in Duinkirchen unterstützen?

Schüßler: Die Frage haben wir uns auch gestellt. Eventuell macht eine Patenschaft Sinn. Eine Frage ist aber auch, wie lange das Lager noch existiert. Es kann auch in drei Wochen geräumt werden. Die Menschen würden in Busse gepackt und über Frankreich verteilt.

Was nehmen Sie aus Frankreich für Ihre Arbeit in Düsseldorf mit?

Schüßler: Solche Projekte können unsere Initiative stärken. Die Hilfe läuft ja nur, wenn eine gewisse Betroffenheit vorhanden ist.

Mit Paletten gibt es stellenweise so etwas wie provisorische Gehwege.

Foto: Initiative Flüchtlinge willkommen in Düsseldorf

Was verschafft Ihnen bei aller Tristesse dort einen Hoffnungsschimmer?

Schüßler: Der Begriff Hoffnungsschimmer fällt mir schwer. Aber es gibt viel Dankbarkeit der Menschen in Not. Das fühlt sich sehr intensiv und echt an. Ich muss mein tolles Team loben. Das sind Menschen, die hängen sich rein als hätten sie nichts anderes zu tun. Ich kann nur jedem empfehlen, sich selbst zu engagieren. Man hat ja oft den Eindruck, man lebt in einer egoistischen Welt. Als Helfer hat man einen ganz anderen Zugang zu den Menschen. Man ist dankbar und gerührt.

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