Mehr als Whatsapp, Virtual-Reality und WLAN-Steckdosen Die versteckten Vorteile der Digitalisierung
Die meisten können schnell eine Menge Vorteile aufzählen, die sich durch die Digitalisierung erfuhren. Doch so vieles ist gar nicht offensichtlich.
Wer heute einen neuen Handyvertrag abschließt, kann dank "smarten" Kurznachrichtenprogrammen über die einst so einschränkende Begrenzung im SMS-Volumen nur noch verschmitzt grinsen. Wer an einem regnerischen Freitagabend entdeckt, dass im Free-TV nichts Gescheites läuft, braucht sich nicht auf den Weg zum Videoladen zu machen, sondern könnte, selbst wenn er noch keinen Account hat, binnen weniger Minuten einen bei einem Streamingdienst eröffnen und den Filmabend retten. Viele Digitalisierungs-Elemente wie diese beiden Beispiele sind sehr offensichtlich. Doch daneben gibt es auch weniger Ersichtliches, das aber tatsächlich zu den größten Digital-Vorteilen gehört. Diesen oft übersehenen Punkten widmet sich der folgende Artikel.
Seit gefühlt mehreren Jahrzehnten sagen Experten voraus, dass die Digitalisierung endgültig zum papierlosen Büro führen würde — ganz ähnlich wie der immer wieder auf Messen präsentierte Internet-Kühlschrank ist dieses Ziel zwar längst nicht hundertprozentig praxistauglich. Aber, und das ist das Entscheidende, wir sind tatsächlich auf dem besten Weg dahin.
Denn auch wenn in sehr vielen Unternehmen und Heimen immer noch gedruckt, sortiert und abgeheftet wird, sieht es doch in der Realität so aus, dass der Verbrauch an Papier stark rückläufig ist. Und je einfacher es wird, bestimmte Dateien auf vielen Geräten aufzurufen, je praxistauglicher es wird, handschriftliche Eingaben zu digitalisieren, desto mehr wird die Umwelt davon profitieren — denn Papierherstellung ist, selbst bei Recyclingpapier, ein ganz erheblicher Energiefresser. Und selbst bei uns zuhause ist es doch schon oft genug Gewohnheit, die Einkaufsliste einfach in die Handy-App einzutippen, statt auf den Notizblock.
Wir alle wissen, wie die Mieten in Düsseldorf aussehen. Und trotzdem strömen jedes Jahr mehr Menschen in die Stadt — oder besser die Städte, denn deutschlandweit gibt es keine einzige große Kommune, bei der es nicht so aussähe. Und alle Studien sind sich in einer Sache einig: die Landflucht wird nur dann aufhören, wenn eine der größten Schwierigkeiten beseitigt wird, Distanz. Distanz deshalb, weil die Infrastruktur-Diskrepanzen immer größer werden — ob nun als Reaktion auf die Landflucht oder als Auslöser davon, ist eine Henne-Ei-Problematik.
Nur der Digitalisierung wird die Kraft zugeschrieben, dieses Ruder herumzureißen. Und da muss einmal mehr das Lied des schnellen Internets gesungen werden. Denn es ist viel mehr als hochauflösendes Streamen, das dadurch ermöglicht wird. Es ist Home-Office-Arbeit, die sich außer durch Abwesenheit des Pendelns durch nichts von "normaler" Arbeit unterscheidet. Es sind ländliche Coworking-Spaces. Und es sind Onlinegeschäfte, Arztpraxen und mehr, die selbst älteren, weniger technikaffinen Menschen einen ganz einfachen Umgang damit ermöglichen. Und erst wenn jedes Dorf keine Internet-Nachteile mehr gegenüber den großen Städten hat, wird die Landflucht versiegen.
Es gibt sie noch nach wie vor. Die Überbleibsel einer grauen Vorzeit, als man Deutschland als Servicewüste bezeichnete. Sie zeigen sich dort, wo man verzweifelt versucht, Kontakt via Telefongespräch oder Briefpost herzustellen — wer jemals gegen seinen Steuerbescheid Einspruch einlegen oder seinen Ausweis verlängern wollte, hat das schon ebenso erlebt wie all diejenigen, die in der "Service"-Warteschleife eines Unternehmens festhingen.
Im Gegensatz dazu zeigt sich an so vielen anderen Stellen schon, wie die Digitalisierung einem massiv Lebenszeit (und nebenbei auch noch Nerven) spart. Es fängt auf so manchen Shop-Webseiten an, auf denen man direkt die Möglichkeit hat, mit einem (menschlichen) Mitarbeiter zu chatten, falls man Fragen hat. Es zieht sich über Fahrschulen, bei denen Fahrschüler die komplette Verwaltung online abwickeln können, von buchen der Fahrstunden bis hin zur Überprüfung des Leistungsfortschrittes. Und es endet längst noch nicht damit, dass es mittlerweile auch per Gesetz endlich möglich ist, sich mit seinem Arzt über einen Videochat zu unterhalten, statt stundenlang im überfüllten Wartezimmer auf ein zweiminütiges Gespräch zu warten.
Früher waren sich Wissenschaftler und Ingenieure über eines einig: Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Falsch lagen sie damit nicht, denn seit Anbeginn der Zeit waren Waffengänge immer die Phasen, welche regelrechte Entwicklungsschübe auslösten, die sich auch auf die zivile Welt übertrugen — so ist es beispielsweise in der Luftfahrt unbestritten, dass der Zweite Weltkrieg die wichtigste treibende Kraft für Düsenantriebe und sehr viele aerodynamische Lehren war, die noch heute gelten. Und erst die Nachwirkungen des Yom-Kippur-Krieges 1973 mit seinem Öl-Embargo führten in der Welt dazu, dass der Kraftstoffverbrauch von Autos und Co. massiv gesenkt wurde.
Doch glücklicherweise beginnt etwas anderes diesen Rang als Entwicklungsmotor abzulösen, die Digitalisierung. Nehmen wir dazu Smartphones. Beinahe jedes Jahr bringen die Hersteller neue Generationen heraus — mit teilweise extremen Leistungssprüngen gegenüber dem Vorgänger. Mittlerweile sind die Telefonhersteller der größte Auftraggeber in der Entwicklung von Chips und Prozessoren — weit vor jedem militärischen Think-Tank.
Nichts treibt die Entwicklung neuer Batterien so sehr an, wie der Wunsch der Kunden nach mehr Akku-Laufzeit zwischen Smartphone und Elektroauto. Und ganz ähnlich sieht es auch bei robusten Materialien aus.
Was machen die meisten Menschen heute, wenn sie erstmals von einem ihnen unbekannten Thema hören? Sie googeln es. Tatsächlich ist unser Umgang mit diesem Zweig der Digitalisierung so natürlich geworden, dass man ihn wirklich umfänglich erklären muss.
Vielleicht gelingt das am besten durch einen Rückgriff auf frühere Zeiten. Einmal angenommen, man hätte 1995 für eine Geburtstagskarte nach einem Gelehrten-Zitat gesucht. Wer da nicht ein passendes Buch zuhause im Regal hatte, musste Lebenszeit aufwenden, um sich in die nächste Bibliothek zu begeben, dort ein schlaues Buch zu finden, es nach einem entsprechenden Zitat zu durchforsten — ohne Erfolgsgarantie.
Gut, letzteres gibt es zwar auch in der digitalisierten Welt nicht immer. Aber ob nun über den PC oder das Smartphone: Fast jeder Mensch hat heute das Wissen der gesamten Welt in unmittelbarer Reichweite. Selbst im zutiefst wissenschaftlichen Bereich gibt es praktisch nichts mehr, was ausschließlich in gedruckter Form vorhanden wäre — man kann mehr oder weniger alles online abrufen und das oft genug auch noch in verständlich aufbereiteter Form.
Vielleicht wird man nicht alles erfahren. Aber zumindest wesentlich mehr, als in jedes Lexikon, jedes Fachbuch an Wissen gestopft werden kann. Selbst die British Library, mit 170 Millionen Büchern die größte Bibliothek der Welt, könnte, in digitalisierter Form, auf einem handelsüblichen USB-Stick abgespeichert werden — inklusive Inventarlisten.
Fazit
Die Digitalisierung hat uns weitaus mehr beschert, als die Möglichkeit, vom Hotelpool aus Fotos in alle Welt zu verschicken und von der Couch aus die Deckenlampe per Wortbefehl zu dimmen. Die wirklichen Vorteile dieser Revolution gehen viel tiefer, haben eine viel umfassendere Bedeutung für den Menschen an sich. Und trotz aller Kritik daran überwiegen die Vor- doch die Nachteile bei weitem.