Interview Barfuß zum Glück

Exklusiv · Emanuel Bohlander will die erste Barefoot-Academy Deutschlands in Düsseldorf eröffnen. Der Düsseldorfer Anzeiger sprach mit dem 31-Jährigen darüber, warum das Barfußlaufen gegen Rücken- und Kopfschmerzen hilft.

Wir treffen Emanuel Bohlander auf der Franklinstraße vor dem Gebäude, in dem er sein Büro hat. Es sind kühle acht Grad an diesem Morgen in Pempelfort — der 31-Jährige kommt dennoch barfuß. Er trägt nur ganz leichte Sandalen.

Warum braucht Deutschland, warum braucht Düsseldorf eine Barfuß-Akademie?

Bohlander: Wir sind zum Laufen geboren. Wir sind Jäger und Sammler. Gehen und laufen ist für unsere Bewegung, für unser Wohlbefinden das Allerwichtigste. Bis ich das Barfußlaufen entdeckte, bin ich stets mit Schmerzen und Beschwerden gelaufen. Das hat sich geändert. Viele unsere Volkleiden von Rückenschmerzen bis Knieschmerzen haben ihren Ursprung in Füßen. Da diese durch das Tragen falscher Schuhe und ständiges Sitzen verkümmern und den Körper nicht mehr stabil tragen. Man kann die Funktion der Füße aber wieder aufbauen.

Wie sind Sie darauf gekommen?

Bohlander: Ich habe relativ spät angefangen, Sport zu machen, mit 26, 27 Jahren. Ich wollte unbedingt Gewicht loswerden, war schon leicht adipös und habe dann 30 Kilo abgenommen. Ich habe einfach angefangen zu laufen, aber - wie gesagt - immer mit Schmerzen. Dann habe ich mir selbst einen Coach genommen, der mir gesagt hat, was ich falsch mache. Bei Lee Saxby in London, einem der größten Laufcoaches der Welt, habe ich mich dann zum Barfuß-Laufcoach ausbilden lassen. Zuvor hatte ich es zunächst selbst mit Büchern versucht, aber vieles noch falsch gemacht und mich verletzt.

Was ist denn der Vorteil daran, barfuß zu laufen?

Bohlander: Barfußlaufen ist der Weg, langfristig schmerz- und beschwerdefrei zu sein. Ich hatte einen Schüler, der kam keine 200 Meter weit ohne Schienbeinschmerzen zu bekommen. Der war nicht übergewichtig, aber er kam einfach nicht voran. Ich habe mir ihn auf dem Laufband beobachtet, habe ihm Instruktionen gegeben, danach kam er barfuß problemlos einen Kilometer weit. Dazu braucht man keine dicken Joggingschuhe. Im Gegenteil: Es ist barfuß viel besser, gesünder und leichter.

Welche Verletzungen können beim Joggen in Laufschuhen auftreten?

Bohlander: Das häufigste ist das Läuferknie, eine Schienbeinreizung. Es kann zu Hüftproblemen kommen. Ich habe mir früher blaue Zehen gelaufen, weil der Schuh den Fuß totstellt und ihn eingeklemmt. Es treten Knöchel- und Achillessehnenprobleme auf, meistens durch Entzündungen. Das führt sogar zu Nackenschmerzen.

Barfuß laufen ist also die Alternative für Einlagen und Dämpfung in Laufschuhen?

Bohlander: Man muss sich bewusst machen, was passiert, wenn ich eine Einlage in meinen dick gepolsterten, gedämpften Schuh lege. Ich lege meinen Fuß still, wie mit einem Gipsverband, wenn ich mein Fußgewölbe von unten unterstütze. Die Fußmuskulatur kann nicht mehr arbeiten. Je mehr ich den Fuß seiner Funktion entbinde und je bequemer ein Schuh eigentlich ist, desto mehr verkümmert die Fußmuskulatur, die Bänder und Sehnen. Laufen ist da auch Therapie.

Wie unterscheidet sich das Barfußlaufen vom Laufen in Schuhen?

Bohlander: Der größte Unterschied, den man auch von außen sehen kann, ist, dass man nicht mehr auf der Ferse läuft, sondern auf dem Vorfuß. Das Abrollen der Ferse kam erst durch die Erfindung der gedämpften Laufschuhe von Nike in der 1960er Jahren. Beim Kö-Lauf konnte man das gut sehen. Die Profis laufen auf dem Vorfuß, weiter hinten im Feld wird mehr über die Ferse gelaufen. Es gibt viele Unterschiede, daher braucht es einen Coach dafür.

Es reicht also nicht, wenn man ohne Anleitung einfach anfängt, barfuß zu laufen?

Bohlander: Es ist bedenklich. Es wird auch jeder Sportwissenschaftler oder Orthopäde sagen, barfuß laufen ist gut, aber gemäßigt und kontrolliert. Als ich damals das Buch "Born to run" in die Finger bekommen habe, für viele die Bibel des Barfußlaufens, da dachte ich mir "Cool, ich fange jetzt an barfuß zu laufen." Beim ersten Lauf über zwei Kilometer hab ich mir direkt in der Wade was gerissen. Das hat sich viermal wiederholt, dann habe ich mir einen Coach genommen. Die Gefahr ist groß, vieles falsch zu machen. Der Fuß regeneriert sich, kompensiert vieles von selbst, aber man hat viel verlernt.

Geht es denn darum, im Alltag barfuß zu laufen oder das Training barfuß zu gestalten?

Bohlander: Ich bilde Läufer aus und bringe sie dazu, schmerzfrei zu laufen. Zum anderen kann ich aber auch Leuten helfen, die Rücken- oder Nackenschmerzen haben oder Probleme mit der Hüfte. Dafür sollte man gerade im Alltag barfuß gehen. Beim Stehen und Gehen verkümmert der Fuß in Schuhen ja auch.

Verletzt man sich die Füße nicht oder wird es nicht irgendwann zu kalt?

Bohlander: Doch, das wird irgendwann zu kalt, da muss man sich nichts vormachen. Beim Barfußlaufen denken viele an Esoterik und Hippies im Wald. Das hat damit nichts zu tun. Es geht darum, den Fuß wiederherzustellen und den Fuß zu fordern und wieder aufzubauen. Im Winter kann ich auch Schuhe tragen. Ich muss eben nur darauf achten, was das für ein Schuh ist. Einen, der nicht meinen Fuß verformt oder einengt. Der Schuh war ursprünglich dafür da, vor Nässe oder Kälte oder spitzen Gegenständen zu schützen. Heute ist ein Schuh oft ein modisches Accessoire. Dabei gibt es mittlerweile gesellschaftsverträgliche, modische Schuhe, in denen man wie barfuß läuft. Ich trage so lange es geht, spezielle Sandalen.

Woran erkenne ich einen guten Schuh?

Bohlander: Ein guter Schuh hat eine Sohle in Fußform. Das heißt vor allem, dass er viel Platz für den großen Zeh hat. Er darf keinen Absatz haben, sollte eine ebene Sohle haben.

Wie wollen Sie die Leute in der Barefoot-Academy schulen?

Bohlander: Der erste Termin dauert drei bis dreieinhalb Stunden. Dort gucke ich mir die Teilnehmer an wie sie auf dem Laufband in Schuhen laufen. Ich mache vieles mit Videoanalysen aus verschiedenen Kameraperspektiven. Nur entspannte Läufer können wirklich lang und ausdauernd laufen. Wir gucken uns die Videoaufnahmen zusammen an. Dann lasse ich barfuß laufen. Instinktiv fangen die meisten an, den Laufstil umzustellen. Wir machen Übungen um den Fuß zu remobilisieren, eliminieren nach und nach Defizite im Bewegungsapparat und ich bringe meine Schüler wieder daran richtig zu stehen, zu gehen und zu laufen.

Welche Übungen sind das?

Bohlander: Das sind zum Beispiel Zehenübungen. (Er stellt die Füße auf den Boden, zieht erst nur den großen Zeh allein nach oben. Danach drückt er den großen Zeh auf den Boden und zieht die übrigen Zehen nach oben).

Was kostet der Workshop?

Bohlander: Er kostet 180 Euro einzeln, Kurse mit mehreren dann 120 Euro.

Kann das denn jeder lernen?

Bohlander: Prinzipiell ja, aber es gibt Fälle, da würde ich von abraten. Gerade wenn jemand schon mehrfach operiert wurde. Aber ich habe zurzeit einige Schüler, die übergewichtig sind und abnehmen wollen. Da gibt es keine Probleme mit der Hüfte oder den Knien.

Sie möchten die Academy durch Crowdfunding finanzieren. Bis zum 2. Dezember sollen 7500 Euro zusammen kommen. Wie viel fehlt denn noch?

Bohlander: Ich möchte klein anfangen. Bisher habe ich 1400 Euro zusammen. Die Räume habe ich schon gemietet. Es soll noch neuer Parkettboden verlegt werden. Ansonsten brauche ich die technische Ausstattung: ein Laufband, Videotechnik und eine Fußdruck-Analyseplatte wie beim Orthopäden, die allein schon 3000 Euro kostet. Damit kann man viel sehen und den Schülern zeigen. Fehlstellungen kann man darüber gut erkennen. Und ich brauche noch einige Trainingsgeräte.

Wie kann man Ihnen helfen, die Academy zu gründen?

Bohlander: Im Internet-Portal "startnext" kann man ein Startup-Unternehmen anmelden und dafür werben. Wer etwas spendet, erhält auch eine Gegenleistung. Bei mir gibt es für 30 Euro ein T-Shirt. Für 1111,11 Euro gibt es eine Jahresbegleitung von mir. Das Geld kommt auf ein Treuhandkonto. Das Geld bekomme ich nur, wenn der nötige Betrag zusammen kommt, ansonsten geht es an die Spender zurück.

Hier stellt Emanuel Bohlander das Barfußlaufen im Video vor: