„Herzwerk“ ist seit 2009 „aktiv gegen Armut im Alter“ Ein Menschen-Hafen

Das Bügelbrett als Tisch, die Fensterbank ist der Kühlschrank. Wenn Petra Kaiser aus ihrem Arbeitsalltag berichtet, bekommt man eine Ahnung, was Armut im Alter konkret bedeuten kann. Kaiser beschäftigt sich mit Anträgen älterer Mitmenschen an die DRK-Hilfsorganisation Herzwerk. Laut DRK-Vorstand Stefan Fischer leben aktuell etwa 9000 SeniorInnen in Düsseldorf unter der Armutsgrenze.

Herzwerk-Ehrenamtlerin Alexandra Schulte, Seniorin Stella Heinecke, Schauspielerin und Herzwerk-Gründerin Jenny Jürgens (v. l.) vor der Herzwerkstatt in Oberbilk. Das gerahmte Bild zeigt Jürgens, die sich - wie zahlreiche andere Prominente - im Rahmen der Foto-Ausstellung „Auf den zweiten Blick“ 2016 von Fotograf Michael Güth als „gealtert“ darstellen ließ.

Herzwerk-Ehrenamtlerin Alexandra Schulte, Seniorin Stella Heinecke, Schauspielerin und Herzwerk-Gründerin Jenny Jürgens (v. l.) vor der Herzwerkstatt in Oberbilk. Das gerahmte Bild zeigt Jürgens, die sich - wie zahlreiche andere Prominente - im Rahmen der Foto-Ausstellung „Auf den zweiten Blick“ 2016 von Fotograf Michael Güth als „gealtert“ darstellen ließ.

Foto: Stefan Pucks

Der Bedarf nach Unterstützung war auch 2009 schon gegeben, als die in Düsseldorf lebende Schauspielerin Jenny Jürgens, Tochter von Musiker Udo Jürgens, beschloss, „ihrem Leben eine Wende zu geben“, wie sie sagt. Sie hätte damals nur in sich hinein geschaut, sei nervös und ängstlich gewesen. „Ich wollte den Blick nach außen wenden, in Richtung einer Bevölkerungsgruppe, die in der Kette des Seins eher hinten anzutreffen ist - die alten Menschen.“ Da ist Jürgens schon anderthalb Jahre als DRK-Botschafterin unterwegs. Sie habe aber mehr gewollt, eine Entscheidung „aus dem Herzen heraus“. Der Name war gefunden. Heute bezeichnet sie Herzwerk als „mein Lebenswerk“, nennt sich scherzhaft-lächelnd „Medientante“, die jedoch persönlich jeden Hilfsantrag an die Organisation begutachte.

2017 kam dann die Herzwerkstatt an der Oberbilker Allee dazu. Hier wird gefrühstückt und geplaudert, hier wird etwa ein Friseurbesuch organisiert, hier gibt es Internet- und Smartphone-Workshops, auch Lebensberatung, psychologische Hilfe. Eine wirkliche Begegnungsstätte, ein echter Hafen für Menschen wie Stella Heinecke. Sie erzählt sichtlich gerührt, wie sie nach dem Austritt aus ihrem Arbeitsleben in der Hotellerie und Gastronomie vor neun Jahren langsam aber sicher den Anschluss verlor. „Ich habe 45 Jahre Vollzeit gearbeitet, um dann doch in der Grundsicherung zu landen. Ich verwilderte wie mein kleiner Garten.“ Probleme bei Behördengängen, mit der zunehmenden Digitalisierung. „Ich fühlte mich oft zurückgedrängt, dachte‚ du bist draußen‘.“ Erst hier habe sie nach einem Hinweis aus dem Bekanntenkreis Respekt wiedergefunden. „Mit wurde wieder Zeit geschenkt. Man fühlt sich nicht als Bedürftige, sondern wie ein Familienmitglied - ich liebe das hier!“

700 Haushalte der Stadt sind laut Petra Kaiser ans Herzwerk angedockt. Vielen Antragstellern sei es in er Regel zunächst „sehr peinlich“, überhaupt um Hilfe zu bitten. „Wir vermitteln viele Dinge des alltäglichen Lebens - wie etwa einen richtigen Tisch oder eben Kühlschrank.“ Mal sei das Handy kaputt, eine Arztrechnung zu bezahlen, mal gehe man nur mal an die frische Luft oder vermittele einen Malkurs, um der Einsamkeit entfliehen zu können. „50 Prozent der Menschen in Düsseldorf leben in Singlehaushalten“, sagt Stefan Fischer. „Folglich nimmt auch das Alleinsein im Alter stetig zu.“ Herzwerk ginge es auch um die soziale Kontrolle, da klingeln Ehrenamtler schon mal an der Tür eines Seniors. Fischer appelliert hier auch an die Bevölkerung, mit offenen Augen durch die Nachbarschaft zu gehen, nachzuforschen, wenn eine ältere Person etwa kaum noch zu sehen ist.

Alexandra Schulte, Juristin in einer Rechtsanwaltskanzlei, Fachgebiet Markenrecht, wollte mehr als nachschauen. Sie ist seit vier Jahren als Ehrenamtlerin dabei, aktuell als Patin eines Endsechzigers, bildet ein „Tandem“. Sie sagt: „Ich gehe mit ihm im Rahmen einer Zeitspende in Ausstellungen, helfe beim Sperrmüll, rufe ihn einfach mal an, rede mit ihm.“ Nach anfänglichem Schweigen öffne er sich immer mehr. Schulte: „Letztens habe ich ihn zum Friedhof zum Grab seines Vaters gefahren.“

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