Kinder im Nazi-Widerstand

Die Widerstandsgruppe „Radschläger“ in der Düsseldorfer Nazi-Zeit ist aufgeflogen, Anführer Max untergetaucht. Ein Flugblatt, das zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein muss, soll die Gruppe warnen.

Isabel Mücke (l.) und Astrid Hirsch in der der Dauerausstellung „Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus“. Im Vordergrund eine originale Vervielfältigungs-Maschine aus den 1930er Jahren, die etwa auch für den Druck von Widerstands-Flugblättern genutzt wurde.

Foto: SP

Im Hauptquartier an der Mühlenstraße in der Altstadt trifft man sich, um das Schlimmste zu verhindern…

Heute sitzt hier die Mahn- und Gedenkstätte, in der die Dauerausstellung „Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus“ läuft und die am 30. Oktober zu einem Abenteuer ruft, das altersgerecht Vergangenheit und Gegenwart zusammenbringt. Im Rahmen einer spannenden Geocaching-Spurensuche erfahren die Teilnehmer, die mindestens 10 Jahre alt sein müssen, viel über die Verfolgung und den Widerstand im Zentrum von Düsseldorf zwischen 1933 und 1945.

„Wir orientieren uns bei der Ausgestaltung der Story an Buchvorlagen wie Erich Kästners ‚Emil und die Detektive‘ oder vor allem ‚Das rote U‘ von Wilhelm Matthießen, das in den 1930er Jahren in Düsseldorf spielt“, sagt Isabel Mücke, Projektbegleiterin in der Gedenkstätte. Sie macht das zusammen mit Astrid Hirsch. Die sagt: „Unser Hauptcharakter Max ist ersonnener Teil einer fiktiven Geschichte, die sich entlang historischer Fakten wie Orte oder Personen zieht.“ Dann wird der Bogen zum Widerstand geschlagen. „Hier wollen wir uns auch Fragen stellen“, sagt Astrid Hirsch, „warum auch in schwierigen oder gar gefährlichen Zeiten Stellung beziehen, reflektieren oder eben Widerstand leisten?“

Mittels einer vorangehenden kleinen Bilderschau werden die Kinder und Erwachsenen, die am 30. Oktober von 10 bis 14 Uhr dabei sind, in die damalige Zeit eingeführt: Massenverhaftungen im Stadtteil Bilk, eine NS-Kundgebung vor dem Düsseldorfer Rathaus mit überdimensionalem Hitler-Portrait am Gebäude, Schlagzeilen der Nazi-Presse, etwa aus dem seinerzeit offiziellen NS-Blatt „Volksparole“.

Und sie lernen eine Reihe von historischen Düsseldorfer Personen kennen, die dem Regime – zwar unspektakulär aber nichtsdestoweniger mutig – entgegentraten.

„Widerstand bedeutete eben nicht nur ein großes Attentat auf den Führer, sondern auch Ungehorsam, den Widerspruch im Kleinen“, sagt Astrid Hirsch. Der bekennende Linke Heinz Krösche etwa läuft in der Zeit, als die Nazis politisch andersdenkende Menschen bereits in Vielzahl verhaften, mit einer Vervielfältigungsmaschine, mit der Widerstands-Flugblätter unter die Leute gebracht werden, ostentativ an einer Polizeistation vorbei.

Er entgeht seinen Häschern später nicht und wird getötet. Die kirchlich engagierten Dieter Linz und Wolfgang Kannengießer positionieren sich gegen die Nazi-Jugendorganisation der Hitlerjugend. Der eine weigert sich, die HJ-Uniform zu tragen, der andere reißt ein HJ-Plakat von der Wand. Sie werden verraten, kommen in Haft.

Unter diesen Eindrücken machen sich die Mitglieder der „Radschläger“ daran, ihre Aufgaben zu lösen. „Es geht um Rätsel-Lösungen und logisches Denken. Dazu kommt ein hohes Maß an Teamfähigkeit“, sagt Isabel Mücke. Über Hinweise, Gleichungen und versteckte Codes ermitteln die Widerständler des Jahres 2017 die GPS-Koordinaten, die ihnen den Weg zum Ziel zeigen. „Wir kommen dabei schon ganz schön rum“, sagt Mücke. Von der Gedenkstätte geht es durch den Hofgarten zur Oberkasseler Brücke, wieder zurück und schließlich zum Carlsplatz.

Die Dauerausstellung wird stets mit einbezogen. Astrid Hirsch: „Wir wollen damit eine spielerische Herangehensweise an ein schwieriges Thema etablieren – und dabei gerade die jungen Menschen für Ausstellungen wie diese gewinnen. Wie bewege ich mich dort drin, wie informiere ich mich?“ Kollegin Mücke ergänzt: „Wir wollen die Kinder anleiten, aber sie selbst etwas entdecken lassen!“

In der Mahn- und Gedenkstätte werden die Kids auch auf eine Info-Stele treffen, die Dieter Linz gewidmet ist. „Anders zu sein, dass muss man üben!“ wird er dort zitiert. Linz ist inzwischen tot, doch sein Widerstands-Schicksalsgenosse Wolfgang Kannengießer hatte sehr viel Zeit dazu. Er ist heute 91 Jahre alt!

(City Anzeigenblatt Duesseldorf)