Mehr als nur Döner Türkisch genießen in Düsseldorf
Haben Sie bitte keine Angst vor der türkischen Küche, ermuntert ein Kochbuch aus dem Jahre 1978 („Aus türkischen Küchen“, Heimeran Verlag). Was damals als exotisch galt, scheint heute alltäglich, Stichwort Döner, der stets als Synonym herhalten muss. Nur die wenigsten wissen, dass die türkische Küche neben der chinesischen und der französischen aufgrund ihrer Vielfalt zu den drei Weltküchen gehört.
Ihren Ursprung hat sie in der Mongolei, von wo aus die nomadischen Turkstämme nach Anatolien wanderten, das im Osmanischen Reich aufging. Über 500 Jahre währte der Vielvölkerstaat, dessen Küchen sich gegenseitig befruchteten und bis heute ihre Spuren hinterlassen haben: Arabische und russisch-armenische Einflüsse finden sich ebenso wie solche der Mittelmeer- und Balkanländer. „Die türkische Küche ist eine Multikultiküche“, sagt Orhan Tançgil.
Mit seiner Frau Orkide betreibt er in Flingern KochDichTürkisch (Türkisch kochen auf Deutsch). Das Unternehmen, hervorgegangen aus einem Foodblog, bespielt den Reichtum der türkischen Küche auf mehreren Ebenen – als Feinkostgeschäft, Verlag und Kochschule. Im April haben die Tançgils ihren neuen Standort auf der Flurstraße bezogen, wo sie auf einer 220 qm großen Eventfläche Wein-/Meze-Verkostungen und Kochkurse anbieten. Bei diesen geht es nicht nur um die Erprobung landestypischer Rezepte. Mindestens genauso wichtig ist der Background, so Orhan Tançgil: „Wir vermitteln Küchenkultur – Küche und Kultur.“
Zur Warenkunde geht es daher mit allen Teilnehmern zunächst in den türkischen Supermarkt, wo es einen Exkurs zur Geschichte der Gastarbeiter und ihrer Geschäfte gibt. Diese entstanden in den 60ern, 70ern durch ein Vakuum, „man kam nach Deutschland und es gab die Zutaten nicht, keine Auberginen, keinen Bulgur, keine Kichererbsen“. Also wurden sie aus der Türkei mitgebracht und den Landsleuten angeboten.
Hülsenfrüchte sind ein großes Thema in der türkischen Küche; ein noch größeres der Reis. Es heißt, eine türkische Hausfrau dürfe erst heiraten, wenn sie 30 Reisgerichte beherrsche. Börek ist ein Element, „alles was in Yufka-Teig gewickelt oder geschichtet wird“. Relativ jungen Ursprungs sind Zutaten wie Paprika und Tomaten, die man als typisch erachtet, die jedoch erst im 17./18. Jahrhundert dazukamen.
Weit verbreitet ist das Vorurteil, die türkische Küche sei gewürz- und fleischlastig. Stattdessen arbeitet man viel mit Röstaromen, selbst Mehl oder Gries werden angeröstet. Und Fleisch spielt zwar durchaus eine Rolle, ist aber oft nur ein Nebendarsteller zu der Fülle an Vorspeisen (Mezeler) und Gemüsegerichten, für die das Türkische eigens einen Begriff kennt: „Zeytinyaðlý yemekler – In Olivenöl geschmortes Gemüse“. Für Vegetarier ist die türkische Küche ein Paradies.
Kaum jemand weiß außerdem, dass es in der Türkei über 800 Käsesorten gibt – Grund ist ein EU-Embargo, demzufolge weder Molkereiprodukte noch Fleisch gegenseitig importiert werden dürfen. Ein weiteres Kapitel für sich sind Süßspeisen und Gebäck: Das bekannteste, Baklava, war einst den Sultanen, Paschas und dem Militär vorbehalten.
Unentdeckter als die türkische Küche ist wohl nur noch der türkische Wein. Mesopotamien gilt als Ursprungsland der Weinreben, die sich von hier aus in die Welt verbreiteten. Was man heute in Frankreich als Pinot Noir kennt, ist von der Struktur her nahezu deckungsgleich mit der autochthonen türkischen Traube Kalecik Karasý, der ältesten Rebsorte der Welt. Türkische Weine müssen den internationalen Vergleich nicht scheuen, man muss sie allerdings suchen: „Türkischer Wein ist ein Nischenprodukt, aber ein leckeres.“