Kabarettist Erwin Grosche „Und ich mach dummes Zeug“
Der in Paderborn lebende Kabarettist Erwin Grosche spielt im Februar gemeinsam mit seinem Kollegen Wendelin Haverkamp das Stück "Und ich mach‘ dummes Zeug" im Theater an der Luegallee. Das ist nicht nur eine Liedzeile von Hanns Dieter Hüsch, sondern auch Motto für das Programm der beiden Kabarettisten.
Neben Originalstücken von Hüsch, umarrangiert auf Grosche und Haverkamp, werden auch Werke der beiden zu sehen sein, die eine Wahlverwandtschaft mit Hüsch erahnen lassen. Wir sprachen mit Erwin Grosche.
Herr Grosche, Sie werden im Februar am Theater an der Luegallee das Programm "Und ich mach‘ dummes Zeug" spielen. Ein Programm, das angelehnt ist an den 2005 verstorbenen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch. Was erwartet die Zuschauer?
Es ist ein Zusammenspiel von zwei Kabarettisten, von Herrn Haverkamp und mir. Was uns beide auszeichnet ist, dass wir beide thematisch immer sehr nah bei Hanns Dieter Hüsch waren. Wir haben ihn auch persönlich gekannt. Wendelin Haverkamp hat mit ihm gemeinsame Programme gemacht, Hanns Dieter Hüsch und ich waren, wenn man das so sagen kann, befreundet. Wenn wir uns getroffen haben, dann war ich immer so voller Respekt vor seiner Arbeit, dass ich mich erst später mit ihm unterhalten konnte, wenn ich ein, zwei Glas Wein getrunken hatte.
Man darf an diesen Abenden aber auch Solo-Werke von Ihnen erwarten?
Die sind aber alle sehr dicht an das Werk von Hüsch angelehnt. Ich werde zum Beispiel eine Kombination seines Stückes "Die Stille", einem sehr poetischen Stück, und meinem Stück mit dem gleichem Titel spielen. Und Kollege Haverkamp ist zuständig für die Hagenbuch-Geschichten, die sind Thomas Bernhard-mäßig wahnsinnig. Für mich selber ein großer Genuss, dabei auf der Bühne sitzen und zuhören zu dürfen.
Immer wenn ich Sie live erlebe, bin ganz erstaunt und entzückt zugleich, dass Sie Ihr Talent, für Kinder zu spielen, ungebrochen auch auf Erwachsene anwenden. Kinder nehmen Ihre Programme als gegeben an, Erwachsene hingegen fragen sich mitunter, was genau Sie da machen. Verbitten sich Erwachsene Fantasie?
Mein Publikum muss sehr mitmachen, sich einlassen und mir in einem sehr hohen Maße vertrauen, dass das, was ich mache, und so sinnlos es manchmal erscheinen mag, immer einen sehr hohen Sinn hat. Was ich nie gemocht habe an der Kabarettszene ist die Vorhersehbarkeit. Ich bemühe mich sehr, das zu unterwandern. Da sind Albernheiten drin, ich montiere Klosprüche mit poetischen Werken von Romantikern, um dann zu einem Ergebnis zu kommen, was das Publikum eigentlich nur für sich selber erreichen kann. Mein Vergnügen, in eine Überraschung hineinzuspielen.
Sie brechen also mit kabarettistischen Konventionen?
Es ist nicht das bewusste Anderssein, ich nehme das Publikum sehr ernst und kann mich nicht selber unterfordern. Ich muss es einfach sehr verspielt haben, dann entsteht ein komisches Durcheinander, in das auch Hanns Dieter Hüsch mit seinen Zitaten sehr gut reinpasst. Und weil ich kein besonders bekannter Kabarettist bin, bin ich manchmal auch gefordert, in anderen Szenen zu wildern. Ich mache zum Beispiel Stadtführungen in Paderborn und hatte sehr früh Angebote, religiöse Bücher zu schreiben. Und man schreibt kein Gebetsbuch unbeeindruckt, man kommt über die Arbeit dahin, an Gott anders zu glauben, als vor der Arbeit.
Mit Ihren Arbeiten verwundern Sie mitunter. Gemeinsam mit einer meiner Töchter lese ich gerade Ihr Buch "Der Schlafbewacher" und schön ist, dass wir uns über unterschiedliche Szenen dieses Buches freuen, so fantasievoll sind die. War das immer schon da, auch für Kinder zu schreiben und zu spielen?
Ich wurde immer gefragt, warum ich nicht auch etwas für Kinder mache. Es gab durchaus mal eine Zeit, 1968, da wollte ich ernsthafter Dichter und Kleinkünstler werden, um die Welt zu verändern. Ich habe dann aber einfach auch akzeptieren müssen, dass meine Sprache, um etwas zu verändern, immer eine naive ist. Da habe ich dann klein beigegeben. Heute bin ich aber sehr glücklich darüber. Und wenn ich heute durch Paderborn gehe und mir eine Kindergartengruppe entgegen kommt, die mich erkennt und mich ruft, dann bin ich darüber sehr glücklich. Mehr kann man nicht erreichen.
Sie sind verantwortlich für so wunderschöne Miniaturen wie "Kurze Strecken gehen Vögel auch zu Fuß" oder "Günther heißt im Winter Walter". Mich trifft so etwas im Kern, aber woher kommt das bei Ihnen?
Mir geht es genauso, mich trifft es im Kern. Ich habe darüber ein Stück, das ich "Eingebung" genannt habe, in meinem neuen Programm. Es passiert einfach und manche Sätze erscheinen mir auch erst einmal nicht sinnvoll. Aber wer bin ich, dass ich meine Eingebung zensiere? Ich bin ein Sammler. Und wie jemand, der Fußballbilder sammelt, sammele ich diese Sätze, diese Sprüche, die kommen und mir geschenkt werden. Je nach Durchsetzungskraft bleiben sie. Manchmal denke ich, dass ich schönere Sätze nie mehr finden werde. Das ist aber zum Glück ein Irrtum. Die Welt um mich herum ist einfach so interessant geblieben. Und Paderborn hat einen Charme bewahrt, dass mich so etwas immer anspringt.
Ist es nicht furchtbar, derartige Sätze immer wieder erklären zu müssen?
Ich war immer sehr überrascht, wenn viele mit dem, was ich schreibe oder auf der Bühne mache, nichts anzufangen wissen. Manchmal war ich sogar enttäuscht, wenn Menschen rausgegangen sind, denn es ist ja die Wahrheit, die ich schreibe. Nur anders. Man hat immer damit zu tun, dass man eine andere Erwartungshaltung hat. Wenn ich zum Beispiel auf einer Bühne auftrete, auf der sonst nur Comedians zu sehen sind, habe ich natürlich den größten Überraschungseffekt.
Der dann zum Vorteil gereicht oder auch mal nach hinten losgehen kann?
In den 45 Jahren, in denen ich jetzt auf der Bühne stehe, hatte ich es nie leicht. Der Erfolg aber bei denen, die das wirklich mögen, ist dafür umso höher. Und das kann ich sehr genießen, das ist schon in Ordnung.
All Ihre Stücke sind selbst geschrieben. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich ein Stück — in der Szene nicht unüblich — von einem Kollegen schreiben zu lassen?
Ich habe das einige Male probiert, ich hätte mal Spaß daran gehabt, es einfacher zu haben. Ich habe also tatsächlich mal andere Kabarettisten gefragt, mir ein Stück zu schreiben, über das sich alle kaputtlachen. Das hat aber nicht funktioniert. Wilfried Schmickler hat kürzlich aus meinem neuen Buch "Grosches Weltlexikon" in seiner Radiosendung zitiert und die Leute lagen auf dem Boden, weil es eben Wilfried Schmickler gemacht hat. Wenn ich die gleichen Sachen mache, ist man verwundert und erstaunt.
Liegt das an der Art der unterschiedlichen Präsentation?
Das Lachen hat etwas mit Vertrauen zu tun, und auch mit einem beruhigten Gewissen. Bei Comedians setzt man sich einfach hin und hört zu, bei mir traut man aber vielleicht nicht dem nächsten Satz, der kommen wird. Man ist anders aufmerksam, man ist auf Zack. Das ist aber im Grunde das, was ich wollte.
Sie spielen drei Tage in Düsseldorf. Bleiben Sie für diesen Zeitraum in der Stadt oder fahren Sie zurück nach Paderborn?
Wir fahren immer hin und her. Und auch wenn es mal schön ist, über Nacht zu bleiben, weiß ich letztendlich nicht immer, was ich tagsüber in einer fremden Stadt machen soll. Und da die Buchhandlungen und Bäckereien immer genormter sind, entdecke ich in einer anderen Stadt auch nicht viel mehr, als in Paderborn. Da aber kenne ich den Bäcker persönlich.
Apropos Bäcker: Es gibt Stücke von Ihnen, in denen Sie einem speziellen Apfelkuchen huldigen. Woher kommt denn das? Und was bedeutet das Essen von Kuchen für Sie?
Das kommt aus der Zeit, in der ich versucht habe mit diesen "Lasst uns doch…" — Liedern etwas zu verändern. Ich habe gemerkt, dass bei mir ein Fremdschämen einsetzt, wenn ich diese Dinge in den Mund nehme, über Veränderung oder Lieder über Regenbögen. Ich habe für mich stattdessen eine andere Bildersprache gefunden. Und weil ich aus einer Bäckerfamilie komme — mein Vater war Bäcker und Konditor — hat für mich der Kuchen eine ganz besondere Bedeutung. Ich kann am Backwerk erkennen, wie sich die Welt verändert und wie interessant ein Ort oder eine Stadt ist. Wenn ich einen Kuchen esse, dann erinnert er mich an etwas oder bringt mich auf Neues. Das ist ein Symbol für alles Mögliche. Eine Kuchensprache, die ich mir nicht aussuche, die einfach da ist. Ich habe heute noch in der Zeitung gelesen, dass die Boxerin Regina Halmich keine Torte mehr essen kann, weil sie mal von jemandem gestalk wurde, der ihr immer eine Torte schenken wollte. Das ist natürlich in jeder Hinsicht bitter. Solche Geschichten machen aber auch das Menschliche deutlich. Und das mag ich auch am Kuchenessen, das Menschliche: dass man über die Stränge schlägt.