OB-Dialog in Flingern-Nord Angst vor steigenden Mieten und Ärger über zugeparkte Radwege
Oberbürgermeister Thomas Geisel zu Gast in Flingern-Nord. Teil 8 seiner Reihe "OB Dialog". Mit gut zehn Minuten Verspätung flitzte Geisel in die Aula der Montessori-Hauptschule.
"Ich war bei der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises", entschuldigt er sich für die Verspätung. Den musikalischen Teil habe er schon geschwänzt. Noch früher zu gehen, sei doch zu unhöflich gewesen.
Wer sitzt im Publikum? Nicht die typischen Flingern-Nord-Hipster, die in den Jahren Flingern-Nord zum "In-Viertel" gemacht haben. Es sind vor allem viele Alteingesssene. Seit "über 40 Jahren", "seit 66 Jahren" fest im Stadtteil verwurzelt.
Und die machen sich vor allem Sorgen um die rasende Veränderung ihres Viertels. "Ich bin Flingeranerin. Wann kommt der bezahlbare Wohnraum? Ich habe ein Problem mit immer mehr schicken und teuren Lofts, die hier entstehen", steigt eine Frau ins Gespräch ein.
Der OB nickt, erklärt: "Das nennt man Gentrifizierung." Weil solche schönen, alten Stadtteile heute so beliebt seien, zögen immer mehr Menschen dorthin, die es sich auch etwas kosten lassen können. Paradox sei daran, dass sich am Ende niemand mehr wohl fühle. So weit, so bekannt im Saal. Geisel verweist auf das Neubaugebiet Grafental, wo zumindest im dritten und vierten Bauabschnitt 20 Prozent preisgedämpfter Wohnraum entstehen soll. Und auf den geplanten Neubau des FlinCarré an der Erkrather Straße. "Auch das ist noch ein Altfall. Wir sind aber im Nachklapp dabei, dass auch hier 20 Prozent preisreguliert entstehen."
Das einzig wirksame Mittel für Geisel: Viele Wohnungen im Stadtteil bauen und an die Einsicht von Vermietern appellieren, die Buntheit des Quartiers zu erhalten. "Ich möchte Ihnen nicht versprechen, dass wir den Preisdruck komplett rausnehmen!"
Nächster Punkt: Der gefährliche Schulweg der Grundschulkinder der Montessori-Schule über die Dorotheenstraße. "Für kleine Menschen extrem gefährlich, da die Grünphasen der Ampel sehr kurz sind", sagt eine Mutter. Sie hat Tochter Flora stellvertretend für die Schulkinder mitgebracht. Die Vorschläge der Kinder: Eine Fußgängerbrücke oder ein Tunnel? Geisel lacht. Vielleicht aber auch etwas mit Schülerlotsen oder Patenschaften durch die größeren Schüler der Montessori-Hauptschule? Man merkt: Die Eltern sind über jeden Vorschlag froh, der den Schulweg sicherer macht. Geisel verspricht: Die Ampelanlage soll überprüft werden.
Das ruft die Schul-Leiterin der Paulusschule auf den Plan. Dort vor der Türe hatte es erst am vergangenen Freitag einen Unfall gegegeben, bei der ein Schulkind von der Straßenbahn erfasst wurde. Der Unfall ging glimpflich aus. Doch die Gefahrensituation bleibt. Hier kann Geisel Abhilfe versprechen. Die Mittel zu einer Sicherung des Übergangs seien bereits bereitgestellt.
Ein weiteres Aufreger-Thema: Fehlende Parkplätze.Ob ein Anliegerparken wie beim OB in Pempelfort Sinn mache, will ein Mann wissen. "Sie müssen als Anwohner tagsüber nicht zahlen. Aber Sie haben auch keinen Anspruch auf einen Parkplatz", sagt Geisel. Er verweist auf Berlin. Dort seien gerade in attraktiven Stadtteilen die Autozahlen rückläufig.
Von rückläufigen Autozahlen kommt man schnell zu den Radfahrern. Ein Mann meldet sich zu Wort. Er moniert: Die Radwege seien zum Teil unterbrochen, zum Teil zugeparkt. Er sieht eine mangelnde Bereitschaft der Verkehrsüberwachung, sich darum zu kümmern. Die Stadtspitze lasse sich zwar für neue Radwege feiern, kümmere sich dann aber nicht darum, dass sie auch befahrbar seien. Den Vorwurf will Geisel nicht stehen lassen und wird ungehalten. "Ich muss mich da ganz klar vor meine Leute stellen!" Auch gebe es inzwischen in der Stadt eine sehr viel größere Sensibilität, wenn es um das Parken auf Radwegen gehe, erklärt OB Geisel.
Ebenfalls beim OB-Dialog an diesem Abend sind Anwohner der Uhlandstraße. Sie wohnen zwar eigentlich in Düsseltal, wollen aber die Gelegenheit nutzen, ihrem Ärger Luft zu machen. "Wir können nachts nicht mehr schlafen", sagen sie. Grund ist die neue Stadtbahnlinie U71. Geisel versucht zu beschwichtigen: Er wohne am Dreieck. "Wir haben drei Straßenbahnen vor der Tür", erklärt Geisel. Das beeindruckt die Anwesenden wenig.
Sie erklären Düsseldorfs Oberbürgermeister, dass mit jeder moderneren Bahn in den vergangenen Jahren der Geräuschpegel zugenommen habe. Bis nachts um 3 Uhr, im Zehn-Minuten-Takt. Geisel versucht es scherzhaft: "Zehn-Minuten-Takt finde ich eher extensiv als intensiv." Das kommt nicht an. Schließlich verspricht er, zum "Hörtest" vorbei zu kommen.
Ebenfalls Grund zur Sorge: Die mögliche Einstellung der Linie 708. Ein zur Zeit laufender Test von einem Jahr soll Aufschluss über Fahrgastzahlen bringen. Davon wird abhängig sein, ob diese Bahn weiterhin fährt, oder ob die Linie eingestellt wird.
"Die Bahn war immer voll. Jetzt fährt sie nur noch alle 20 Minuten, abends und am Wochenende gar nicht mehr", sagt eine Anwohnerin. Geisel dazu: "Wenn ich Liniensysteme ändere, dann gibt es immer ein paar, die sich schlechter stehen. Es gibt auch viele Stadtteile, wo man zweimal umsteigen muss, um zum Hauptbahnhof zu gelangen."
SPD-Verkehrsexperte Martin Volkenrath beschwichtigt: Mit dem Politikwechsel im Rathaus sei die einjährige Testphase für die Linie 708 erst möglich geworden. Wenn die Bahn tatsächlich gut genutzt würde, habe sie auch eine Überlebenschance.