Mahn- und Gedenkstätte mit neuer Sonderausstellung Im Niemandsland
Mit der Sonderausstellung „Im Niemandsland“ erinnert die Mahn- und Gedenkstätte in der Altstadt an die brutale Abschiebung von mehr als 17.000 jüdischen Menschen an die deutsch-polnische Grenze vor gut 81 Jahren am 28. Oktober 1938. Die Schau ist noch bis zum 15. März nächsten Jahres zu sehen.
Die Abschiebung betraf polnische oder polnischstämmige Familien aus dem ganzen Reich. Die meisten davon lebten seit Jahrzehnten in Deutschland, waren integriert und sprachen Deutsch. Durch einen diplomatischen Konflikt zwischen der NS-Regierung und dem polnischen Staat wurden die Familien über Nacht aus ihrem Lebensalltag gerissen und ins Grenzland zu Polen deportiert. Die Nationalsozialisten nannten die Betroffenen abfällig „Ostjuden“, die Deportation selbst „Polenaktion“.
Die polnischen Grenzer ließen sie nur zögerlich ins Landesinnere. Unter den Abgeschobenen waren tausende Juden aus dem Rheinland, aus dem Ruhrgebiet und aus Westfalen. Alleine in Düsseldorf hatten die Sicherheitsbehörden 441 Frauen, Männer und Kinder festgenommen und inhaftiert. Die meisten wurden am Folgetag deportiert.
Die Ausstellung beleuchtet dieses wenig bekannte Ereignis sowie auch das Leben der Abgeschobenen im „Niemandsland“ im Grenzörtchen Zbaszyn/ Bentschen und deren weiteres Schicksal: Die meisten der aus Düsseldorf deportierten Menschen überlebten die Besetzung Polens und die Shoah nicht. Die Abschiebung selbst führte letztlich zu einem weiteren Verbrechen, das nur wenige Tage später geschah: zum Novemberpogrom.
Die dokumentarische Ausstellung zeigt in Bildern, Biografien, Karten und Grafiken die Hintergründe dieser ersten Deportation. Sie stellt das konkrete Erleben der Betroffenen in den Vordergrund, benennt aber auch die diplomatischen Hintergründe und die Verantwortlichen in Berlin und Düsseldorf. „Der Sommer 1938 ist die Zeit, in der sich Europa weigert, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen“, so Gedenkstättenleiter Dr. Bastian Fleermann. „Im Herbst eskalieren dann diese diplomatischen Konflikte. Menschen werden zur Manövriermasse. Das NS-Regime erprobt die Verschickung von jüdischen Bürgern.“
Yael Feiler ist Nachfahrin der betroffenen Düsseldorfer Familie Feiler. Ihre Großeltern und eine ihrer Großtanten waren damals in dem Transport. Der Sohn Rolf Feiler war wenige Stunden vor der „Polenaktion“ nach Palästina emigriert. Dort angekommen, erhielt er einen Brief, in dem seine Verwandten schilderten, dass sie abgeholt und deportiert worden waren. Erst nach Jahren kam die Familie in Israel wieder zusammen. Rolf Feiler heiratete und wurde Vater, Yael Feiler ist seine Tochter. Zur Ausstellungseröffnung reiste sie aus Israel an und berichtete über die Bedeutung der „Polenaktion“ für das Gedächtnis ihrer gesamten Familie.
Das kostenlose Begleitprogramm umfasst mehrere spezielle Führungen, eine Lesung aus Briefen einer abgeschobenen Familie mit der Schauspielerin Julia Dillmann am 5. Dezember (19 Uhr), einen Vortrag über die „Polenaktion“ am 10. Dezember (19 Uhr) sowie ein Gespräch mit einer Überlebenden im Februar 2020. Gruppen können Sonderführungen individuell anfragen.
Die Schau, zu der im November eine neue Ausgabe der „Kleinen Schriftenreihe“ (Band 10) unter demselben Titel erscheinen soll, wird noch bis zum 15. März in der Mahn- und Gedenkstätte gezeigt. Der Eintritt ist frei.