Abdul Fadul Kamara kämpfte, floh und kam an Vom Erinnern...
Mit Krieg und Flucht kennt er sich aus. „Derzeit kommt alles wieder in den Kopf“, sagt Abdul Fadul Kamara im Angesicht des Ukraine-Konflikts und seiner Auswirkungen. Kamara ist Ex-Soldat, Ex-Flüchtling - und seit 1995 Düsseldorfer.
1991 beginnt im westafrikanischen Land Sierra Leone, Kamaras Heimat, ein Bürgerkrieg. Rebellen gegen Regierungstruppen, es geht um Rohstoffe, um Geld, Diamanten vornehmlich, um die Kontrolle über alles. Abdul Fadul kämpft von Beginn an auf Seiten der Regierung, ist auch Personenschützer des damaligen Vizepräsidenten. Kamara stoppt seine Erzählung an dieser Stelle kurz, muss lächeln und springt zeitlich nach vorne. „Ich hatte also recht gute Referenzen für meinen aktuellen Job in Düsseldorf - als geprüfter Sicherheitsbeauftragter im Kunstpalast.“ Seit 2010 schon arbeitet er ununterbrochen im Ehrenhof.
Kamara kehrt zeitlich zurück. Sierra Leone versinkt zunächst im Chaos, es wird 1993 erstmals geputscht, er wird verhaftet, kommt ins Militärgefängnis. Er flieht, zunächst aus seiner Zelle, dann aus dem Land, über Belgien nach Deutschland. Flüchtlingslager in Voerde, dann Dinslaken, schließlich landet er 1995 über Willich in Düsseldorf.
„Die aktuellen Fernsehbilder der Menschen, die aus der Ukraine fliehen, bringen mir gerade diese Zeit wieder verstärkt in Erinnerung“, sagt der 52-Jährige. „Es ist bitter, das zu sehen. Du kennst das Leid, die Angst, das Auf-sich-allein-gestellt-Sein. Es kommt automatisch alles hoch.“ Anders als viele, die den Krieg derzeit an der Computertastatur oder aus dem Polstersofa heraus kommentieren, kennt Kamara die Situation. Es sei einfach: „Wir müssen den Krieg stoppen, denn am Ende gibt es nur tote Menschen.“
Zurück auf Anfang: Er ist nun in Düsseldorf angekommen, sucht einen Job, betreut ab 1996 in einem Musikshop in Hilden den E-Commerce, erlernt, der bereits Englisch und seine Heimatsprache Kreol kann, Deutsch. Er knüpft erste Kontakte zu Landsmännern und -frauen. 1997 gründet sich die Sierra Leone Community (SLC) in der Landeshauptstadt. Ziel: Kontakt halten in die Heimat, Hilfe organisieren. Heute versammelt die Initiative bis zu 100 aktive und passive Mitglieder, größtenteils Flüchtlinge wie er.
2002 kommt Sierra Leone zur Ruhe, „bis heute sind die Verhältnisse dort einigermaßen stabil“, sagt Kamara Er kehrt aber erst 2014 wieder in sein Geburtsland zurück, war inzwischen fünfmal wieder dort. Vor allem auch, weil die SLC Unterstützung organisiert. 2015 wegen des Ebolaausbruchs in Westafrika, erst vergangenes Jahr mit medizinischem Material in das ebenfalls covidgeplagte Land. Kamara hat mit seinen Mitstreitern caritative Musikkonzerte und Ausstellungen mit KünstlerInnen aus seiner Heimat organisiert (in diesem Jahr ist eine weitere in Essen und Düsseldorf geplant - zusätzlich mit ghanaischen KünstlerInnen), auch der Versand von Hilfsmitteln für Krankenhäuser in der Hauptstadt Freetown. „Wenn ich die Möglichkeit habe, Leuten zu helfen, bin ich dabei“, sagt Kamara.
Hilfstouren, auf denen er 2017 auch seine jetzige Frau kennen gelernt hat. Se studiert Agrarwissenschaften, im Juni stellt sie einen Einreiseantrag für Deutschland, so ihr Mann. Er freut sich drauf, auch wenn beide schließlich nach Sierra Leone zurück kehren wollen. „Wenn ich hier in Rente gehe“, lacht Kamara.