Das große Wolfgang Niedecken-Interview Süchtig nach Sahnehäubchen

Er ist seit 40 Jahren das Gesicht der Kölner Rockformation BAP. Im Rahmen seiner Jubiläumstournee macht Wolfgang Niedecken auch Station in Düsseldorf. Im Interview mit dem Düsseldorfer Anzeiger spricht er über die beliebtesten BAP-Songs, lebenslängliche Liebe und ein "kölsches" Wunder nach seinem Schlaganfall.

BAP-Sänger Wolfgang Niedecken - „Das war der Beweis für mich, das es richtig ist, Kölsch zu singen.“

Foto: Tina Niedecken

Herr Niedecken, als Sie 2011 kurz nach Ihrem Schlaganfall zunächst nicht sprechen können, ruft Sie Ihr Freund Hans Süper vom natürlich auch in Düsseldorf bekannten Colonia-Duett an und beginnt Kölsch mit Ihnen zu reden. Sie fangen plötzlich wieder an, sich zu unterhalten...
Das war schon irre! Dieses Phänomen habe ich natürlich später mit meinem Arzt besprochen. Damaliger Fakt war: Solange ich versuchte, Hochdeutsch zu sprechen, hatte ich enorme Schwierigkeiten bei der Wortfindung. Hans Süper war sehr besorgt, rief einmal täglich bei meiner Frau an. Schließlich gab sie mir den Hörer und meinte, ob ich nicht mal mit ihm reden wolle. Also meldete ich mich: 'Hans, wie isset'? Der begann zu erzählen, ich antwortete auf Kölsch und rund um mein Bett standen alle und waren erstaunt, dass das auf einmal geht.

Ein Wunder...?
Mein Professor hat mir das erklärt: Die Sprache, mit der man aufgewachsen ist, also die Muttersprache, lagert sich im Gehirn tiefer ein, als diejenige, die man dann dazu lernt. In meinem Falle hatte ich das Hochdeutsch teilweise vergessen. Es war letztlich der absolute Beweis für mich, dass es richtig ist, dass ich Kölsch singe.

40 Jahre lang haben Sie mit diesem außerhalb Ihrer Heimat schwierig zu verstehenden Dialekt mindestens deutsche Rock-Geschichte geschrieben. "Lebenslänglich" ist der Titel ihres aktuellen Albums und der Tournee. Das klingt gleichermaßen wie ein starkes Bekenntnis zu Ihrer Musik, aber auch nach Bürde. Täuscht der Eindruck?
Nein, Bürde überhaupt nicht. Ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich mein Leben bisher auf diese Art und Weise verbringen durfte. Ich habe Malerei studiert, und hatte eigentlich gedacht, dass ich meinen Unterhalt als freier Maler verdienen würde. Dann kam mir dieses Hobby dazwischen...

In einigen BAP-Stücken ist aber durchaus auch von den Schattenseiten des manchmal aufreibenden, zeitfressenden und isolierenden Musikgeschäfts einer erfolgreichen Rockband die Rede...
Stimmt, trotzdem, keine Bürde! Und auch wenn der Titel vielleicht ein bisschen irreführend ist, man kann ja durchaus sagen, dass man mit seiner großen Liebe, der Musik, lebenslänglich zusammen sein möchte. Ich glaube, wenn wir Ende Dezember das letzte von insgesamt 70 Konzerten dieser Tournee beendet haben, werde ich ein bisschen traurig sein, weil ich weiß, dass wir im kommenden Jahr nicht mit BAP unterwegs sind. Das Präsentieren unserer Songs auf der Bühne, das Erleben dort, das ist das Sahnehäubchen. Eins, das einen durchaus süchtig machen kann.

Von der Ursprungs- bzw. der Kern-Band Ihrer erfolgreichsten Zeit in den 1980— und 90er Jahren sind allein Sie noch übrig geblieben. Was bei den Rolling Stones vermutlich schief gelaufen wäre, funktioniert hier offenbar: Auch Fans der ersten Stunde bleiben Ihnen treu. Wie schaffen Sie das?
Für die meisten Menschen ist die Urbesetzung von BAP diejenige, mit der sie die Band selbst zum ersten Mal wahrgenommen haben. Als wir 1982 überregional bekannt geworden sind, waren nur noch drei Bandmitglieder dabei, die der so genannten 'Originalbesetzung' von 1976 angehört hatten: Der Schmal, der Wolli und ich. Die einzige Konstante ist die Veränderung, so unromantisch das auch klingt.

Zum Repertoire der Band und insbesondere auch Ihnen gehörten und gehören politische bzw. gesellschaftliche Statements. Die Anti-Rassismus-Aktion "Arsch huh — Zäng ussenander" mit einer Vielzahl von Musiker-Kollegen aus dem Jahre 1992 ist ein populäres Beispiel dieses Engagements. Wäre es angesichts der aktuellen Lage in Deutschland nicht wieder mal Zeit für eine Neuauflage?
Der Gedanke, ein Konzert zu einem bestimmten Thema zu machen und zu glauben, das hätte sich dann erledigt, ist blauäugig. In blinden Aktionismus zu verfallen, und mit einer solchen Aktion mal eben nach Mecklenburg-Vorpommern zu fahren, wo die Wahlergebnisse so unerträglich sind, ebenso. Das Lied 'Arsch huh' hat seinerzeit einiges bewirkt, den Menschen eine Stimme gegeben, als die Asylbewerberheime brannten. Das macht auch heute noch Sinn. Aber mal anders gefragt: Warum muss BAP immer gleich bleiben in einer sich ständig verändernden Welt?

Dass man Sie im Frühjahr im — durchaus gelungenen — Privat-TV-Format "Sing meinen Song" entdeckte, dürfte den einen oder anderen selbst ernannten Niedecken-Kenner überrascht haben. Was waren Ihre Beweggründe und wie haben Sie die anschließenden Lobeshymnen von Musikern der neuen Generation wie Rapper Sammy Deluxe eingeordnet?
(lacht) Sammy hat sogar um Adoption ersucht. Nein im Ernst, das waren alles wirklich gute Künstler dort, sehr respektvoll und herzlich im Umgang. Man hatte mich schon zur ersten Staffel angefragt, da dachte ich aber noch, dass es sich bei 'SMS' um eine Art Dschungelcamp handeln würde. Das brauche ich nun überhaupt nicht. Nach der dritten Anfrage hat meine Band gesagt, dass ich mir das durchaus mal anschauen könne. Ich bin dann schließlich hingegangen, allerdings mit der Bedingung, dass ich als letzter zusagen darf, damit ich sicher sein kann, dass kein Schlagersänger dabei ist.

Am 14. November spielen Sie in Düsseldorf. Angekündigt sind die großen BAP-Hits. Welche drei Songs außer "Verdamp lang her" werden Sie auf jeden Fall spielen?
Wir spielen 'Kristallnaach', 'Do kanns zaubere' und 'Alles im Lot' und machen wirklich ein Programm mit dem Untertitel 'Die beliebtesten BAP-Songs'. Wir geben dem Affen ordentlich Zucker!

Eine eher persönliche Frage zum Schluss: Wenn man vor einem knappen Jahr mit dem Gitarrenlernen begonnen hat, sich als ein großes Ziel vorgenommen hat, Ihren Song von 1981, "Fuhl am Strand", spielen zu können und das jetzt auch kann, mit Hilfe des Lehrers allerdings die doofen Barrégriffe umschifft hat -gilt das trotzdem?
Klar, das zählt auf jeden Fall. Mann, das haben wir so lange nicht mehr gespielt. Ich wüsste so spontan gar nicht, wie das los geht...

Mit H-Moll und da setzt es halt schon aus...Der Gitarrenlehrer soll Ihnen mal Power-Akkorde beibringen, die muss man lernen, und wenn man die einmal drauf hat, wird vieles schon einfacher...