Joey, Sie haben den englischen Doppeldeckerbus, der ihrer Familie einst als Unterkunft diente, nach 30 Jahren wieder flott für die Straße gemacht. Was war das für ein Gefühl?
Die Kelly Family auf Fest-Tour in Düsseldorf - Interview, Tickets und Alben „Immer weiter singen...“
Sie lebten auf einem Hausboot in Köln, trugen Hippieklamotten, spielten Folk-Pop-Balladen: die Geschwister der Kelly Family. Nun haben sie ein Weihnachtsalbum aufgenommen (das erste seit 1994!) und machen auf ihrer Weihnachtstour am 10. Dezember Halt in Düsseldorf. Unser Autor Olaf Neumann spricht im Interview mit Patricia Kelly, 51, und Joseph „Joey“ Kelly ,49, über ihre turbulent-tragische Familiengeschichte, die Wirkung von Musik und Nächstenliebe...
Joey Kelly: „Es gab keine Garantie, dass unser Bus wirklich wieder eine TÜV-Plakette bekommt, aber durch viel Arbeit hat es geklappt. Ich fand es wunderschön, in dem alten Family-Bus zu reisen und auch zu pennen.“
War es eine sehr emotionale Reise zu Stationen der Familiengeschichte?
Patricia Kelly: „Extrem emotional! Vieles aus der Vergangenheit kam wieder hoch. Das musste ich alles erst einmal verarbeiten. In unserem Leben gab es nicht nur schöne, sondern auch harte Zeiten.“
Sie waren am Grab Ihres Vaters Dan in Irland und an dem Ihrer Mutter Barbara-Ann in Spanien. In Paris haben Sie das alte Hotel in einem Problemviertel wiedergefunden, in dem Sie in den 1980er Jahren gewohnt haben. Wie war das?
Joey Kelly: „Es war großartig, wieder in der Nähe meiner Mutter zu sein, die uns leider sehr früh verlassen hat.“
Patricia Kelly: „Wir haben in diesem Hotel zwei Jahre gelebt. Es gehörte Marrokanern. Heute ist das Quartier sehr schick, damals lebte dort nur die Bohemé. Es war der einzige Ort, an dem wir drei Zimmer bekommen konnten, Wohnungen gab es für uns nicht. Wir waren auch nicht angemeldet. Dort haben wir die wahrscheinlich schwierigste Zeit unseres Lebens nach Mamas Tod überbrückt und Geld mit Singen in der Metro verdient.“
War das Straßenmusizieren damals Ihre Haupteinkommensquelle?
Patricia Kelly: „Am Anfang haben wir nur für den Hut gespielt, LPs und Kassetten hatten wir da noch nicht. Später hat Papa Kassetten mit unserer Musik mit einem Doppelrekorder über Nacht überspielt. Die haben wir dann für zehn oder 15 Franc verkauft. Irgendwann hatten wir genügend Geld zusammen, um Musikkassetten in einem Presswerk herstellen zu lassen, was vieles einfacher machte.“
Jetzt sind sie auf festlicher Weihnachts-Tour. Wie schaffen Sie es, der Welt in diesen Zeiten positiv zu begegnen?
Patricia Kelly: „An manchen Tag gelingt mir das besser als an anderen. Ich setze in meinem Leben Prioritäten: Das ist ganz klar meine körperliche und geistige Gesundheit. Ich schaue zwar regelmäßig Nachrichten, aber wenn ich merke, dass es mir an einem Tag nicht so gut geht, verzichte ich darauf. Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, was einem gut tut und was nicht. Manche Leute meditieren; ich bete. Dann kommt mein Geist zur Ruhe. In der Stunde vor dem Schlafengehen fasse ich mein Handy nicht mehr an und lese etwas, das mich nicht aufregt.“
Was kann Musik bewirken?
Patricia Kelly: „Ich hoffe, dass sie in diesen Zeiten eine besondere Wertigkeit hat. Einerseits gelten wir Künstler als Luxus, den man eigentlich nicht braucht, andererseits schreiben uns Fans, wir seien für sie lebensnotwendig. Wir Künstler sind verrückt, solche Dinge auszusprechen wie ‚Peace on Earth‘. Das ist in dieser Zeit eigentlich irrational, aber genau das, was wir Menschen brauchen.“
Das Lied „It’s Christmas All Year“ handelt von den Werten, die Ihre Eltern Ihnen als kleines Mädchen beigebracht haben: Barmherzigkeit, Nächstenliebe, aber auch Kampfgeist und Rückgrat.
Patricia Kelly: „Unsere Eltern waren sicherlich nicht perfekt, aber sie hatten Werte. Als unsere Mutter im 1982 mit 36 Jahren an Brustkrebs verstarb, war das für uns dramatisch. Weihnachten stand vor der Tür. Papa war geschockt, er war pleite und hatte einen Haufen Kinder zu versorgen. Und was macht er an Weihnachten?“
Erzählen Sie!
Patricia Kelly: „Er brachte uns bei zu schenken, obwohl wir nichts hatten. Am 24. Dezember fuhr er mit uns nach Pamplona, wo wir den ganzen Tag in einem Waisenhaus verbrachten. Dort sangen und tanzten wir mit Kindern, die teilweise krank waren. So war mein Papa! Sein Vater hat immer zu ihm gesagt: ‚Gib zehn, auch wenn du nur eins zurückbekommst, und du wirst im Leben erfüllt sein‘. Diese Werte habe ich versucht, in das Lied ‚It’s Christmas all year‘ zu packen.“
Vor allem nach den Schlaganfällen Ihres Vaters Dan hatte die Familie mit Existenzängsten zu kämpfen. Hatten Sie einen Rettungsplan in der Tasche?
Joey Kelly: „Mein Vater hatte 1990 seinen ersten schweren Schlaganfall, fast fünf Jahre vor unserem kommerziellen Durchbruch. Als er nicht mehr in der Lage war, die Geschäfte zu leiten, hatten wir erwachsenen Kinder längst alles übernommen, er war aber immer noch Ideengeber. In den letzten zwölf Jahren seines Lebens war er sehr stark eingeschränkt durch seinen ersten, zweiten und dann leider auch dritten Schlaganfall, der ihn das Leben kostete. Durch die Jahrzehnte ‚on the road‘ waren wir schon sehr viel weiter als jemand, der gerade die Schule abgeschlossen hat. Es ist sehr schade, dass unser Vater nur 72 geworden ist. Mutters Verlust war sogar noch tragischer. Es wäre ein Segen für die Familie, wenn sie noch da wäre. Sie war ein besonderer Mensch. Aber Mutter ist im Geiste bei uns. Ihre letzten Worte lauteten: ‚Keep on singing!‘, immer weiter singen...“