Die Wiederentdeckung des Ernst Stege Der hätte einer werden können...

Als eine französische Kugel dem Leben von Ernst Stege am 20. August 1918 ein Ende setzte, war auch ein ambitioniertes Düsseldorfer Künstler-Dasein vorbei. "Der hätte einer werden können", sagt der Kunstsammler Marcel Held über den talentierten, damals erst 22-jährigen Zeichner.

Kunstsammler Marcel Held, Teile von Steges künstlerischem Nachlass. „Fast ein ganzes Leben in einer Tüte.

Foto: SP

Held will sein vergessenes Werk bekannt machen. Über eine Privatperson waren dem 47-Jährigen etwa 600 Einzelzeichnungen, Schriftwechsel, Fotos und Dokumente Steges, der am 24. April 120 Jahre alt geworden wäre, zugespielt worden. Held hat sie in einer Tasche mitgebracht: "Fast ein ganzes Leben in einer Tüte", sagt er. Und lächelnd: "Sein Schulzeugnis war Bombe."

Ernst Stege (1896 - 1918) im Selbstporträt.

Foto: Held

Doch weitaus bedeutender: Ernst Stege, 1896 in Aachen geboren, eingeschriebener Student der Düsseldorfer Kunstakademie, war offenbar schon in jungen Jahren ein hervorragender Künstler. Seine Arbeiten zeigen humorige, teilweise satirisch angehaucht hintergründige Darstellungen der Zeit. Auch der wilhelminische Militarismus bekommt sein "Fett weg".

Der Hahn mit dem Soldaten auf dem Rücken war ein Entwurf für ein Düsseldorfer Altstadtlokal.

Foto: Held

Der Journalist Klaus Niehörster, der Marcel Held bei seinen Recherchen unterstützt, schreibt: "Das waren keine Zeiten für Witz, Humor oder gar Satire. Viele Künstler im Kaiserreich waren vom patriotischen Nationalismus durchdrungen. Mit ihrem Stift und Pinsel stützten sie wahnwitzigste Durchhalteparolen und befeuerten Angriffs- und Sieges-Taumel."

Die karikaturistisch angehauchten Soldaten-Motive sind stets wiederkehrende Darstellungen.

Foto: Held

Stege sei ganz anders vorgegangen. "Er legte bereits in Friedenszeiten packende und nicht nur zum Schmunzeln gedachte Darstellungen aus dem Soldatenleben vor", so Niehörster. "Deren Botschaften sind für uns Nachgeborene vermutlich sehr viel leichter zu entschlüsseln als für die Damaligen."

Es gibt Comics und Karikaturen. Stege entwarf Werbe-Darstellungen, etwa für das Kaufhaus Leonhard Tietz (heute Kaufhof Galeria) und die "Altstädtische Bierstube" mit Namen "Im Goldenen Hahn", damals beheimatet an der Bolkerstraße 37. "Du warst ein geborenes Illustrationstalent, auf das wir mit Recht so hohe Hoffnungen setzten", schreibt sein Akademie-Professor Willy Spatz nach Steges vermeldetem Front-Tod in sein Tagebuch

Marcel Held, ehemaliger Inhaber eines Fliesenlegerbetriebs, dessen Oma und Tante ihn zwar spät, aber dafür nachhaltig mit der Liebe für die Kunst infizierten, nahm die Ausgangsdokumente Steges zum Anlass, sich weiter in das Leben und Werken des Mannes hineinzuarbeiten. "Ich habe angefangen zu wuseln", sagt Held.

Bis auf eine Registrierung in der Bestandsliste des Düsseldorfer Malkastens fanden sich bis dato nur vage Spuren Ernst Steges. Über das Internet, Querverweise, Zeitungsannoncen, Jahrgangslisten, Museen und Stadtarchive trug Held mehr und mehr Stoff zusammen. "Ich fand es einfach traurig, dass ein so guter Künstler nicht entsprechend gewürdigt wird", erzählt er. Er will das rudimentäre Bild Steges vervollständigen.

"Ich möchte eine Gesamtschau von ihm bekommen." Ihm schweben gebundene Ausgaben, Lithographien, auch Ausstellungen vor. "Es sind schöne Sachen, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten", sagt er.

"Schöne Sachen", von denen wohl auch die Kunstexperten im Kaiserreich überzeugt waren. Denn "es nimmt nicht wunder, dass Ernst Stege 1922 auf der Sonderausstellung 'Düsseldorfer Humor' in der Städtischen Kunsthalle mit 25 Arbeiten vertreten war", schreibt Journalist Niehörster. "Und das in bester Gesellschaft von berühmten Namen der Düsseldorfer Malschule wie Andreas Achenbach und August von Wille."

Marcel Held ist sich sicher: "Das ist eine rundum lohnende Wiederentdeckung". Hat der engagierte Kunstfreund eigentlich eigene künstlerische Ambitionen. Er lächelt zum Abschluss des Gesprächs: "Nun ja, ich kann auf einem Kamm blasen..."

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