Der Wald als Medizin
Ein Waldspaziergang entspannt, macht den Kopf frei und hilft gegen Stress. In Japan geht man dem längst wissenschaftlich auf den Grund. In Düsseldorf hat die Ärztin Marianne Koch-Barreto die heilsame Wirkung des Waldes für sich entdeckt.
Eigentlich gilt der Wald von jeher als Sehnsuchtsort der Deutschen. Die Dichter der Romantik widmeten ihm zeitlos schöne Worte.
"Waldeinsamkeit, Die mich erfreut,
So morgen wie heut
In ewger Zeit.
O wie mich freut"
Ludwig Tieck
Doch mit dem Leben in der Stadt wurde die Distanz größer, das Bewusstsein für die Erholung unter Bäumen kleiner.
Die Düsseldorferin Marianne Koch-Barreto sagt von sich: "Ich bin Schulmedizinerin!" Gleichzeitig ist sie aber offen für Neues. "Wenn es wissenschaftlich belegbar ist." Sie arbeitet als Dozentin für medizinische Berufe bei der Kaiserswerther Diakonie. Schwerpunkte in ihrem Berufsleben: Geriatrie und Arbeitsmedizin. Vor allem im Bereich Arbeitsmedizin hatte sie immer wieder mit den Folgen von Stress zu tun. Als sie selbst ein Jahr arbeitslos ist, startet sie eine tägliche Walkingrunde. Im Wald.
"Eigentlich wissen wir instinktiv, dass Wald uns gut tut", sagt sie lachend. Doch damals erlebt sie es ganz praktisch. Sie befasst sich verstärkt mit dem Phänomen und trifft auf Berichte aus Japan. Dort ist seit den 80-er Jahren schon der Begriff "Waldbaden" bekannt, den das Ministerium für Landwirtschaft, Forst und Fischerei geprägt hat. "Waldbaden" ist längst ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsvorsorge in Japan.
"Dort gibt es auch zahlreiche wissenschaftliche Studien zum Thema", sagt Koch-Barreto. "Seit 2012 wird Waldmedizin in Japan sogar an den Universitäten gelehrt." Stark vereinfacht erklärt: Die japanischen Wissenschaftler stellten fest, dass die Bäume mittels ätherischer Öle miteinander kommunizieren. "Und diese Botenstoffe kommunizieren auch mit unserem Immunsystem!" Mit einem positiven Effekt. "Ich interessiere mich aber auch für die Ökopsychosomatik", sagt Koch-Barreto. So sei der Blick auf eine Betonwand während eines Arbeitstages der Gesundheit wenig förderlich. Der Blick ins Grüne oder auf - beispielsweise eine Hügellandschaft an der Wand - sorge aber dafür, dass Blutdruck und Herzfrequenz runter gingen.
Die 60-Jährige selbst ist inzwischen jeden Sonntag im Wald. "Dort habe ich stets das Gefühl, dass ich dem Himmel nahe bin", sagt sie.
Und befindet sich damit in bester Gesellschaft. Denn nicht viel anders dürfte der Dichter Joseph von Eichendorff (1788 - 1857) empfunden haben:
"O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Andächt'ger Aufenthalt!
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft'ge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt"