Kinder kann man gegen Vernachlässigung schützen
Zahlen, die Mut machen: Zwar werden etwa zehn Prozent aller Kinder schlecht versorgt, geschlagen, verletzt oder missbraucht, aber in 90 Prozent der Fälle könne dieses Schicksal vermieden werden bei einer gezielten Prävention von Geburt der Kinder an.
Diese Zahlen nannte der ehemalige leitende Oberarzt des kinderneurologischen Zentrums am Sana-Krankenhaus in Gerresheim, Wilfried Kratzsch, in seinem Vortrag "Kinder schützen — was tun gegen Kindesvernachlässigung", zu dem die katholische Kirchengemeinde St. Margareta, das ASG-Bildungsforum und die Bürgerstiftung Gerricus in den Gerresheimer Stiftssaal eingeladen hatten. Möglich wird diese Vorbeugung durch ein enges Netzwerk von Hilfen und gezieltes Ansprechen von Eltern.
"Wir haben von Geburt an Kontakte und Zugang zu den Eltern und können feststellen, ob es in einer Familie Risiken für Kinder geben kann", sagte Kratzsch, der zugleich Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsches Forum Kinderzukunft ist. In den Wochen vor und nach der Geburt stelle sich meist heraus, ob beispielsweise das Kind gewünscht sei, ob es finanzielle Nöte gibt, Probleme mit dem Partner, Sucht eine Rolle spiele oder sich die Mutter überfordert fühle. In der ruhigen Atmosphäre im Krankenhaus entwickle sich oft ein Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Kinderkrankenschwester und Hebamme.
"Sie können dann den Müttern aufzeigen, wie sie Unterstützung", sagte Kratzsch. Die Hilfe werde eher angenommen als offizielle Maßnahmen des Jugendamtes. Möglich wird diese Beratung durch eine besondere Ausbildung der Krankenschwestern und der Hebammen, die durch die Stiftung Deutsches Forum Kinderzukunft unterstützt wird. In Nordrhein-Westfalen arbeiten laut Kratzsch bereits 16 Kliniken nach dem Modell. Zurzeit werde die Ausbildung von Arzthelferinnen in Kinderarztpraxen aufgebaut. "Denn durch die Vorsorge-Untersuchungen hat der Kinderarzt immer Kontakt zu Kindern und Eltern, Risiken können bemerkt werden."
Um Müttern und Vätern zu helfen, sind auch Gruppentreffen und Beratungen in Familienzentren eines Stadtteils wichtig. "Eltern brauchen Angebote direkt im Stadtteil mit kurzen Wegen und Kontakten zu Nachbarn", erklärte Monika Reckmann, die den Familientreff der ASG im Rather Familienzentrum leitet.
Aber nicht nur Ärzte und Krankenhäuser sollen auf Auffälligkeiten achten, auch Nachbarn sollten nicht wegsehen, wenn es Probleme in einer Familie gebe. Wilfried Kratzsch: "Es schadet nicht, die Eltern anzusprechen und Hilfe anzubieten". Sei das zu schwierig, könne zumindest der Kinderschutzbund informiert werden.