Interview mit Kabarettist und Musiker Willy Astor „Die Bühne hat Suchtpotenzial“

Seit 35 Jahren steht Willy Astor (58) als Kabarettist und Wortkünstler auf der Bühne. Besondere Stimmungen ganz ohne Worte erzeugt der begnadete Gitarrist indes seit nunmehr 20 Jahren mit seinem Musikprojekt „The Sound of Islands“, mit dem er am 15. Januar ins Düsseldorfer Savoy Theater kommt.

Kommt mit seinem Musikprojekt „The Sound of Islands“ am 15. Januar nach Düsseldorf: Willy Astor.

Foto: Christoph Bombart

Redakteur Sven-André Dreyer sprach mit Willy Astor vorab über mündiges Publikum, die Reinigung durch klassische Musik und den Mut, auszubrechen.

Herr Astor, in Düsseldorf werden Sie nicht als Kabarettist, sondern mit dem aktuellen Weltmusik-Programm Ihres Musikprojekts „The Sound of Islands“ zu erleben sein. Was darf das Publikum erwarten?

Sicherlich nicht den Astor, den man als Wortspieler gewohnt ist, sondern jemanden, der sich vor 35 Jahren ins Gitarrenspielen verliebt hat und dessen erste Geliebte eine Gitarre war. Das Gitarrenspiel ist irgendwann zu einer Passion geworden und ich habe angefangen, auf der Gitarre auch zu komponieren. Ich brauchte zu meiner Arbeit als Wortkünstler noch eine weitere Farbe. Es ist für mich eine schöne Herausforderung geworden, mit meinen Kompositionen Bilder, Landschaften und Stimmungen zu erzeugen, die man nicht mit Worten erklären muss. Die Musik ist für mich somit auch zu einer Sprache geworden.

Ihre Musik wirkt unmittelbar und berührt die Hörer auf sehr emotionale Weise. Ihre Wortkunst hingegen ist mitunter komplex, bei einigen fällt der Groschen erst verzögert...

Darauf kann ich nicht immer Rücksicht nehmen. (lacht) Man muss das Publikum auch fordern und ihnen auch mal einen Happen entgegenschleudern, den sie nicht gleich verdauen können. Zudem habe ich ein sehr mündiges Publikum. Und das Interessante: Es gibt ein Publikum, das nur zu meinen Comedy-Programmen kommt, und eines, das nur zu „The Sound of Islands“ kommt. Die Musik spielen wir mittlerweile auch bereits seit 20 Jahren live. Und auch, wenn es nur rund 15 Konzerte pro Jahr bundesweit sind: die Zuhörer schätzen unsere Konzerte als Leckerbissen, die man sich gönnen sollte.

Ursprünglich haben Sie als 14-Jähriger das Instrument Akkordeon erlernt, erst im Anschluss sind Sie zur Gitarre gekommen. Das Akkordeon ist Ihrer bayrischen Herkunft geschuldet, oder?

Mein Vater war Tanzmusiker und hat Akkordeon und Orgel gespielt. Er hat gemerkt, dass ich nicht ganz unmusikalisch bin und schließlich habe ich tatsächlich vier Jahre lang Akkordeon-Unterricht genommen. So richtig ans Herz gewachsen ist mir das Instrument aber nicht. Und als 13-, 14- oder 15-Jähriger kann man mit einem Akkordeon auch nicht in der Frauenwelt landen. Während meine Freunde schon ein bisschen Gitarre spielten und mit den Mädchen am See saßen, um dort Beatles-Stücke zu spielen, saß ich oben mit meinem Akkordeon auf der Decke mit ein paar Schrebergärtnern. Wenn man einem Mädchen mit 15 erzählt hat, dass man Akkordeon spielt, dann war man „der Nette“. Aus dem Nähkästchen: Mit dem Gitarrenspielen habe ich also eigentlich angefangen, weil ich Frauen kennenlernen wollte.

Sie komponieren Ihre Stücke sehr akribisch, sind Perfektionist...

In der Kunst ist man immer auf der Suche nach dem heiligen Gral. Man sucht nach der Melodie, die, die einen mitnimmt und beseelt. Ich kann mich jedoch nicht Hinsetzen mit der Maßgabe, etwas Neues zu schreiben. Mich muss etwas regelrecht anspringen, das kann durchaus auch im Dämmerzustand sein. Ich höre sozusagen meistens vorab das, was ich spielen möchte. Und spiele das, was ich hören möchte. Das gelingt nicht immer, aber wenn man Glück hat, dann kommt ein schönes Stück dabei heraus.

Sie folgen also physisch einer gedanklichen Eingabe?

Genau, Sie haben mich verstanden. Das macht es aber nicht leichter für mich: Ich lebe ja von der Hand in den Mund. Und wenn nichts kommt, dann stellt das ein Problem dar. Ich würde nie Fremdkompositionen spielen, nur um ein Abendrepertoire füllen zu können.

Ihre musikalischen Abende sind akustisch sehr facettenreich. So arbeiten Sie unter anderem auch mit Effektgeräten, um der Akustikgitarre neue Klänge zu entlocken...

Ich komme ja aus einer Zeit, in der es noch große Entertainer gab. Und um mit Carolin Reiber zu sprechen: Ich versuche stets, das Publikum mit einem bunten Blumenstrauß zu unterhalten. Vielleicht bin ich da ein bisschen oldschool, aber ich möchte meinen Zuhörern einen Abend bereiten, der einige akustische Überraschungen bereithält. Für mich gibt es nichts langweiligeres, als zwei Stunden lang einem Jazz-Trio zuzuhören, denn nach der dritten Nummer klingt jede Nummer gleich.

Um Ihrem Anspruch, sich nicht nur technisch, sondern auch musikalisch weiterzuentwickeln, greifen Sie auch auf das Hören anderer, klassischer Musik zurück...

Es hilft enorm, die alten Meister zu hören. Bach, Händel, Vivaldi. Insbesondere die Barock-Musik reißt mich sehr auf und spült mir das Hirn durch. Das schafft eine Reinigung, denn es gibt so viel Müll, den man durch Radio und Fernsehen aufnehmen kann.

Sie stehen, so habe ich den Eindruck, nie still. Rumsitzen ist nicht ihr Ding, oder?

Dieses Interview ist der Start in mein neues Arbeitsjahr. Ich konnte es kaum aushalten, endlich wieder zu beginnen. Über Weihnachten saß ich nur auf dem Schoß meiner Schwiegereltern und kann es nun kaum abwarten, endlich zu Jammen und wieder Musik zu machen. Es ist Zeit, auf Tour zu gehen und neue Impressionen zu erhalten, sonst gehe ich die Wände hoch.

Sie ernähren sich also energetisch von Ihrer Arbeit...

Mir reicht schon ein kleiner, witziger Zweizeiler. Der bringt mich in eine heitere Stimmung. Die Bühne besitzt für mich einfach ein großes Suchtpotenzial. Das Schönste für mich ist, wenn das Publikum meine Vorstellung mit einem Lächeln im Gesicht verlässt. Unter dem Strich ist das das Ziel meiner Arbeit.

War das auch der Grund, aus ihrem bürgerlichen Leben als Werkzeugmacher auszubrechen?

Ich hatte mit 15, 16 schon fast Panikattacken, als ich während meiner Ausbildung bei BMW an mein zukünftiges Arbeitsleben dachte. Ich hatte eine düstere Vorahnung und einfach Glück, dass die Gitarre in mein Leben trat. Und auch beim Schreiben erster eigener Texte fühlte ich mich erfüllt. Es war mir wichtiger, einen künstlerischen Absturz zu riskieren, als es nicht versucht zu haben und mit 40 depressiv zu werden, weil man mit 20 seine Träume nicht ausgelebt hat.

Ein Aufruf, es einfach mal zu probieren?

Unbedingt! Die meisten meiner Comedy-Kollegen haben vorher etwas anderes gemacht, waren Elektriker oder Bänker. Und trotzdem: Auch in meiner Ausbildung als Werkzeugmacher habe ich viel gelernt. Ich habe zum Beispiel am Werkstoff Metall gelernt, sehr genau zu feilen. Fertigkeiten, die mir heute auch als Gitarrist ideell zugutekommen. Meine Philosophie ist, dass jedes Musikstück auch ein Werkstück ist. Ein Stück, das einen gesamten Raum ausfüllen kann.

Und auch mit dem Potenzial Wort gehen Sie sehr differenziert um. An Ihrer Wortakrobatik feilen Sie, so stelle ich mir vor, ewig...

Wenn es darauf ankommt, dann sitze ich schon mal zwei Wochen an zwei Zeilen, nur um sie später wieder zu verwerfen, weil am Tag darauf endlich der große Wurf daher kommt. Ich bin sehr kritisch. Und sowohl im Wortbereich als auch in der Musik: Ich will immer wieder über meine eigene Messlatte hüpfen.

Die Querung
Wie kommt die U81 über den Rhein? Die Querung