Kriegsende Benedikt Odenthal: So war mein Vater Aloys

Von Geburtstagen hielt Aloys Odenthal Zeit seines Lebens nichts. "'Wat soll dat? Für mich ist jeder Tag Geburtstag'" So erinnert sich sein Sohn Benedikt Odenthal im Gespräch mit dem Gerresheimer. Dennoch: Am 8. März 2012 wäre der Widerstandskämpfer und Düsseldorfer Ehrenbürger 100 Jahre alt geworden.

Benedikt Odenthal erzählt von seinem Vater, dessen Porträt links neben ihm zu sehen ist.

Foto: schrö

"Namenstage gefielen ihm schon eher", sagt Benedikt Odenthal in seinem Büro an der Ackerstraße in Flingern. Sein Vater - ein in jeder Hinsicht besonderer Mensch. "Er war ein lieber, netter, geradliniger Mann." Aber: "Er war nicht ohne, und konnte auch ein kleiner Patriarch sein." Benedikt Odenthal blickt zurück. "Wir haben uns gegenseitig 'Bruder' gerufen. Da war er total herzlich." Doch wenn Benedikt seinen eigenen Weg finden wollte und zum Beispiel für seine Berufsausbildung einen Auslandsaufenthalt anstrebte, reagierte sein Vater schrofff: "So' n Quatsch! Dein Platz ist hier."

Später übertrug ihm der Senior mal die Aufsicht einer Haus-Sanierung. Alles lief bestens, bis der Vater auftauchte und sagte, wie es richtig gemacht werden müsste. "Das gab einen großen Krach. Ich hab' gesagt, wenn das so ist, bin ich morgen weg." Der Junior behielt zum ersten Mal die Oberhand. "Das hätte ich schon viel früher tun sollen." Ziemlich spät kommt Benedikt Odenthal übrigens dahinter, warum sein Vater so bekannt ist. Von den Tagen rund um den 16. April 1945 hat ihm sein Vater zunächst nichts erzählt. "Mit 12, 13 Jahren hab' ich angefangen, danach zu fragen."

Was folgte, beschreibt Benedikt Odenthal so. " Da lief dann in meinem Kopf ein Film ab." Er hätte sich damals nicht vorstellen können, wie jemand den Mut aufbringen konnte, gegen die übermächtigen Kräfte aufzustehen. "Später bin ich dann mal mit meinem Vater mitgegangen." Über Jahre hat der tiefgläubige Katholik Aloys Odenthal es als seine Pflicht angesehen, in den Schulen Düsseldorfs über die Nazi-Zeit aufzuklären.

Beeindruckt hat ihn die Vorgehensweise des alten Herrn. "Am Anfang hat er den Schülern klargemacht: 'Ich kann hier nur etwas berichten, wenn es still ist. Andernfalls gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ihr geht oder ich.' Das hat gewirkt. Immer." Bis ins hohe Alter hielt Aloys Odenthal das durch. "Es war ihm ein Herzensanliegen." Seinen Vater auf den Widerstand zu reduzieren, kommt dem Sohn aber nicht in den Sinn. Aloys Odenthal war Architekt. Bis acht Wochen vor seinem Tod im Jahr 2003 ist er noch jeden Morgen um acht im Büro gewesen. "Wenn ich erst um viertel nach erschien, hatte ich schon ein schlechtes Gewissen." Auch wäre sein Vater in der Nachkriegszeit kein Kind von Traurigkeit gewesen. "Natürlich hat er auch gefeiert." Fotos belegen das. Und auf dem Fußballfeld hätten ihm seine Kameraden immer zugerufen: "Bluthund, fass!"

Das ideele Erbe von Aloys ist allgegenwärtig. Nach den Neo-Nazi-Morden gefragt, antwortet Benedikt: "Wehret den Anfängen. Jeder Tag, an dem wir zu spät reagieren, ist ein verlorener Tag." Als der "Weg der Befreiung" eingeweiht wird, der die Stationen von Aloys Odenthal und seinem Freund August Wiedenhofen nachzeichnet, hakt Benedikt Odenthal bei Oberbürgermeister Dirk Elbers nach, warum sich keiner um die Gedenkstätte an der Färberstraße kümmert, dem Ort, wo die Kameraden von Aloys Odenthal gefoltert und standrechtlich erschossen wurden. "Ganz verwahrlost war die."

Seine Verbundenheit zum Vater kommt auch noch auf eine andere Weise zum Ausdruck. In den letzten acht Jahren ist Benedikt Odenthal jeden Samstag oder Sonntag am Grab seines Vaters gewesen. Bis vielleicht auf vier-, fünfmal. "Wenn das mal nicht klappte, hatte ich sofort ein komisches Gefühl." Auf dem Friedhof zündet er dann eine Kerze an. "Mittlerweile bekomme ich in Kevelaer schon Rabatt." Anschließend stellt er drei weiße Rosen ins Wasser. "Und wenn Schnee liegt, drei rote."

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