Micha Krisch macht viel Multimedial unterwegs: Radio, Roman, Magie und Marketing
Micha Krisch kommt mit seiner reizenden Frau Kerstin ins Brauhaus am Quadenhof. Wir haben uns Jahre nicht gesehen, aber ich weiß: Micha arbeitet als Unternehmensberater, gibt Marketing-Kurse, er zaubert — und nun macht er auch noch Radio auf Abruf, also Podcasts, ("Radio Plapperpop") und schreibt an seinem ersten Roman, in dem es um den Reifeprozess von Edgar geht, dem Controller in einer Margarinefabrik.
Er selbst sieht sich als Unterhaltungskünstler, der sich gleichzeitig gern mit Menschen unterhält. Ein guter Freund typisiert ihn als Schubladen-Flüchtling.
"Ich gebe mir immer große Mühe, da auszubrechen, wo mich die Leute versuchen hineinzupacken." Der 34-Jährige spricht mit lebendiger, klangvoller Stimme und ist sofort in seinem Element. "Es gibt so viele Sachen, die mich interessieren." Was sind die neuesten Trends? "Das Thema Podcasting erlebt eine Renaissance, aber ich mache Radio Plapperpop nicht deswegen." Vor zehn Jahren hat er das schon mal angefangen, aber damals gab es noch viel zu wenig Dienste, mit denen eine Verbreitung möglich war. Heute hat sich das Format etabliert — "und außerdem habe ich Lust dazu." Micha Krisch geht dabei anders vor als seine Kollegen in Radio und Fernsehen. "Der Gesprächspartner ist normalerweise verpflichtet, in zehn, fünfzehn Sekunden auf den Punkt zu kommen — aber ich möchte den Raum bieten, den manche Gedanken beim Sprechen brauchen."
In seinen Interviews mit Frank Berzbach, dem Schriftsteller ("Die Ästhetik des Alltags") und Playboy-Autor, Horst Wackerbarth, dem Fotografen mit dem roten Sofa, Kay Lorentz vom legendären "Kom(m)ödchen" und "Knacki" Deuser, dem Comedian, gibt es quasi kein Zeitkonzept. Für die März-Folge seines Podcasts war Micha Krisch in Neuss bei Wolfgang Hohlbein, dem Science-Fiction-Autor mit der Millionen-Auflage, "das Gespräch war auf eine Stunde angesetzt, es dauerte aber doppelt so lang und am Schluss habe ich ihm und seiner Frau Zauberkunststücke vorgeführt."
Nicht immer läuft es gleich von Anfang an so flüssig. Was ist sein Eisbrecher? "Ich habe da keine klassische Methode. Ich bemühe mich, menschlich zu sein, also etwa auch von mir selbst zu erzählen." Bei seiner Begegnung mit Ramona Schukraft, die die Altenpflegerin Sybille Bullatschek als Comedy-Figur erfunden hat, half Micha Krisch, dass seine Mutter selbst Altenpflegerin ist. "Ich sehe die Interviews mehr als Gespräche auf Augenhöhe." Das funktioniert sehr gut. "Oft bedanken sich die Prominenten anschließend bei mir für den tollen Gedankenaustausch, und das ist für mich das größte Lob."
Und die Hörer? "Auch von da gibt es viel Zuspruch." Wenngleich: "mein Podcast ist ein typischer Zug- und Lange-Autofahrten-Begleiter, bei dem die Hörer natürlich nicht immer voll konzentriert dabei sind." Andererseits kommt darin für ihn auch das wachsende Bedürfnis nach ruhigen Themen zum Ausdruck.
Als Diplom-Medienökonom tut er eigentlich viel zu wenig, um Projekte wie den Podcast zu vermarkten. Zum einen, "weil als One-Man-Show beschäftige ich mit jeder Folge doch sehr lang". Da muss geschnitten und gemastert werden.
Zum zweiten hält er es mit dem Spruch des Pianisten Björn Gottschall: "Du bist doch auch so auf mich aufmerksam geworden." Krisch setzt darauf, dass die gute Qualität seiner Gespräche zu einer eigenen Dynamik führt. Professionelle Vermarkter hat er abgelehnt, "weil das eine gewisse Anpassung meiner Person nötig gemacht hätte, zu der ich nicht bereit bin." Natürlich weiß er um diese "vielleicht naive Einstellung", weil heute jeder sehr laut schallt, um gehört zu werden.
Im Brauhaus taucht die Bedienung auf und fragt nach den Essenswünschen. Eine kleine Zeitspanne braucht der grauhaarige Interviewer aber noch, um ein wenig näher an die Persönlichkeit seines Gegenübers heranzurücken.
Wenn Micha Krisch auf so vielen Hochzeiten spielt, wird "Langeweile" doch bestimmt ein Fremdwort für ihn sein? Micha Krisch ist ein bisschen verblüfft, lächelt seine Frau an und beginnt: "Im Urlaub..." "Na, vielen Dank", kommt Kerstins Replik. Micha beeilt sich, den Satz zu Ende zu kriegen, "ich finde das ganz toll, das du das kannst, aber ich bin einfach nicht der Strandtyp. Nach kurzer Zeit fängt bei mir etwas an zu rattern, das eine gewisse Unruhe auslöst." Dann muss er neuen Ideen feilen.
So viel Interessantes, wird da nicht leicht die Aufnahmekapazität überschritten? "Ich verfahre da ein bisschen nach dem Rotationsprinzip, wie im Fußball." Zurzeit schraubt er seine Auftritte als Zauberer herunter. Schließlich hat er, der vor sieben Jahren in den "Magischen Zirkel von Deutschland" nach einer schweren Aufnahmeprüfung aufgenommen wurde, in den letzten Jahren zwei eigene Soloprogramme gespielt, "Believe it" und "Beyond Belief". Ein weiteres ist in Arbeit und ein paar neue Effekte probiert er trotz allem. Auch für ihn hat der Tag nur 24 Stunden, bekennt er bedauernd, denn schließlich will er auch noch täglich seine sechs Kilometer durch den Grafenberger Wald und an der Galopprennbahn vorbei laufen, "nachdem ich mir meinen Hass aufs Joggen genau angeguckt und ihn überwunden habe", sowie endlich ein paar Power-Chords auf der E-Gitarre lernen, "die ein bisschen scheppern", während er in seiner Jugend eher klassische Gitarre auf dem Stundenplan hatte.
Gerresheim und die Welt - was fällt ihm dazu ein? "Gerresheim ist für mich Zuhause, Heimat und in meinen Augen ein total unterschätzter Stadtteil." Wer zum Beispiel aus der Hektik des Alltags herunterkommen möchte, setzt sich auf den wunderschönen Gerricusplatz, wer interessante Leute kennenlernen will, braucht sich nur umzuschauen, und die Gastro-Kultur auf der Heyestraße schätzt er höher ein als das, was man in Oberkassel findet. "Das kannst du genau so schreiben." Gerresheim ist für ihn die verschlafene, verzauberte Prinzessin. Und in einem Winkel seines Herzens will er eigentlich, dass das so bleibt.
Fernweh kennt er dennoch. "Vor gut einem Jahr haben wir eine eine ausgedehnte Australienreise unternommen." Dass Australier so relaxed seien, das stimme, zum Teil schockierend relaxed. Als er seine Füße eines heißen Abends in den kühlen Fluss halten will, sagt der Bekannte "hey, kannst du machen, aber sei ein bisschen vorsichtig, hier gibt es Grünhaie."
Wen bewundert Micha Krisch? Bill Watterson zum Beispiel, der Erfinder des Comics "Calvin und Hobbes", der sich seine Ideen nicht habe kaputt machen lassen. "Er hat mit seinen Figuren kein Merchandising betrieben und nach der letzten Folge war auch Schluss." Peter Ustinov war für ihn außergewöhnlicher Mensch, er rühmt ihn für seine Offenheit und Toleranz, für seine Mischung aus Spaß und Ernsthaftigkeit.
Was ist mit Ehrlichkeit im Geschäftsleben? Eine superschwere Frage. "In meinem Bausystem an Werten gehört Ehrlichkeit dazu — natürlich nicht beim Zaubern." Darüber hinaus halte er es mit Andy Nyman, dem Schauspieler, den er in London traf. Er offerierte folgenden Gedanken der Kollaboration: "Wenn zwei Leute zusammenarbeiten, denkt man landläufig, jeder bekommt 50 Prozent - aber das ist Bullshit. Jeder bringt etwas mit ein, also kommen 200 Prozent heraus."
Hat er bei seinen ganzen Arbeiten eine Botschaft? "Diese Art der Übergriffigkeit gegenüber dem Publikum mag ich nicht." Das Einzige, was vielleicht rüberkommen sollte, ist folgendes: "Ich mache das, was mir Spaß macht. Und ist das eine oder andere auch unkonventionell, fühle ich mich trotzdem wohl." Man selbst zu sein, sagt Micha Krisch, ist viel spannender, als wenn man versucht, seine Identität zu verbergen.
Guter Abschlusssatz; jetzt wird bei der Brauhaus-Kellnerin bestellt.