Die Essenz von "Carmen"
Heike Fabry ist gerade mit der Weihnachtsdekoration in der Theaterkantine beschäftigt, als diese temperamentvolle junge Frau mit den langen dunklen Haaren sie anspricht. Sie heißt Elsa García Tarraga.
Und sie hat einen Traum.
Die Sängerin möchte Oper ganz nah ans Publikum bringen. Raus aus den großen Häusern. Das, was sie in der Theaterkantine von Heike und Rüdiger Fabry sieht, gefällt ihr sehr. Es ist herzlich, familiär, nahbar und urgemütlich.
"Wir hatten vor 18 Jahren einen Traum", sagt Heike Fabry. Seit damals leben sie und ihr Mann ihn. Stets aus eigener Kraft und ohne Subventionen. Verpflichtet sind sie ihrem Publikum und sich. Das mit Elsa nennt sie eine "Zack-Zack-Begegnung." Die Chemie zwischen den Frauen passt. Das mit dem Traum auch.
"Ich habe noch nicht einmal gefragt, ob sie wirklich singen kann", sagt Fabry lachend. Sonntags wird normalerweise in der Theaterkantine nicht gespielt. Schnell wurde beschlossen: Den Tag sollen Elsa und ihre "Komische Oper am Rhein" (KOR) nutzen, um "Carmen" auszuprobieren. Denn das sollte das erste Projekt werden.
Mit Mario Tomáz López holt sie einen befreundeten Regisseur aus Paris an den Rhein. Der Plan: Bizets Oper "Carmen" mit vier Sängern, einer Tänzerin, einem Klavierspieler und einem Erzähler auf die Bühne bringen.
Doch es fehlte der Erzähler. "Elsa fragte mich, ob ich einen Kabarettisten kennen würde", erzählt Fabry. Einen Kabarettisten hatte sie nicht an der Hand. Aber ihren Mann Rüdiger. "Und der kann ziemlich gut erzählen!"
Drei Test-Aufführungen werden geplant. Und sorgen beim Publikum wie bei den Akteuren für Begeisterung.
Der kleine Theaterraum bebt und vibriert unter der Spielfreude des kleinen Ensembles. Der Erzähler verschmilzt zur organischen Einheit mit der Handlung, nimmt ihr gleichzeitig mit seiner Leichtigkeit die Schwere.
Die große Oper auf kleiner Bühne funktioniert. Elsa García Tarraga strahlt glücklich. "So sollte Oper für mich sein. Die Geschichte ist verständlich, und das Publikum sitzt da mit glänzenden Augen."
Tatsächlich macht der kleine Raum die großen Stimmen der Sänger noch viel größer. Elsa lacht. "Man hat keine Chance, man kann sich dem nicht entziehen!"
Sie selbst sagt, als Sängerin ginge es ihr nicht anders. Die Nähe, die sie zu Sänger-Kollegen und Musik auf einer Probenbühne verspüre, die ginge in einem großen Haus oft verloren.
Die Handlung ist eingedampft auf zwei Stunden. "Es ist die Essenz von Carmen, die wir spielen", sagt die zierliche Sängerin mit dem großen Traum. Nach drei erfolgreichen Durchläufen ist sie dem wieder ein Stück näher gekommen. Denn die Fabrys wollen auch weiterhin Gastgeber für die Komische Oper am Rhein sein.
Dreimal war der Testlauf erfolgreich. Jetzt gibt es eine ganze Reihe neuer Sonntags-Termine. Beginn ist immer um 18 Uhr. Im Eintrittspreis inbegriffen sind auch Essen und Getränke. "Ich habe heute schon eine Crema Catalana zum Testen gemacht", ruft Heike Fabry Elsa zum Abschied zu. Denn bei Fabrys soll das Essen auch irgendwie zum Stück gehören.
Die Weihnachtsdekoration ist ebenfalls fertig. Es ist in der Theaterkantine nun einmal herzlich, familiär, nahbar und urgemütlich.