Düsseldorfer Farbenspiele - Die Rathaus-Kolumne Irrungen und Wirrungen oder: Wie die Tour nach Düsseldorf kam

2010 soll das Jahr der Tour de France in Düsseldorf werden. Die Bewerbung für den Prolog, für den Auftakt des weltgrößten Radrennens wird 2008 abgegeben.Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) hat nie klein gedacht, wenn es um Düsseldorf ging.

Freuen sich auf die Tour: Der bekennende Tour-Kappen-Träger Günter Karen-Jungen (li.), Radsport-Edelfan Thomas Geisel und Christian Prudhomme, Herr der Tour.

Foto: Nicole Gehring

Fußball-WM und Olympia bleiben zwar fromme Wünsche, aber Ski-Läufer am Rhein und DTM-Boliden auf der Kö erweisen sich als medienwirksame Publikumsmagneten.

2008 aber ist kein gutes Jahr für die Bewerbung. Der Radsport hatte nach dem Toursieg von Jan "Ulle" Ullrich 1997 erstmals für hysterische Begeisterung in Deutschland gesorgt, wo Sportarten ohne eigene Sieger nichts gelten. Außer im Fußball, da kann der eigene Verein ja bekanntlich noch so schlecht spielen.

Egal. 1997 fährt plötzlich jeder Doll in Team-Telekom-Pink. Rennräder sind der letzte Schrei. Deutschland hat endlich eigene Helden der Landstraße.

2006 erschüttert ein gewaltiger Dopingskandal die Tour. 2007 gibt es die Fremdschäm-Beichte von Erik Zabel und Rolf Aldag im TV. Beide weinen, Zabel belastet Ullrich schwer. Großer Sport ganz unten.

Doch die Tour de France geht weiter. In jedem anderen Land der Welt mit ungebrochener Begeisterung. Joachim Erwin weiß: Die Tour in Düsseldorf, das zieht bei den Nachbarn aus Holland, Belgien und Frankreich.

2,5 Millionen Euro soll Düsseldorf für den Prolog locker machen. Geschenkt. Und natürlich kein Wunder: Nach dem Doping-Debakel bricht der deutsche Markt ein. Auch für die Franzosen wäre Düsseldorf 2010 ein Geschenk.

CDU und FDP haben das Sagen im Rathaus. Von FDP-Mann Manfred Neuenhaus ist zu lesen: Wenn es den Leuten gefällt, soll man es ruhig machen. Der damalige SPD-Fraktions-Chef Günter Wurm ist skeptisch. Dafür klare Worte vom damaligen Fraktionssprecher der Grünen, Günter Karen-Jungen. Der spricht von der "Tour der Drogen" und nennt den Aufwand von 2,5 Millionen Euro "völlig unangemessen".

Am 20. Mai 2008 stirbt Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin. Die Vision vom größten Radrennen der Welt in der Landeshauptstadt endet im September. Unter dem neuen Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU) zieht Düsseldorf die Bewerbung zurück. Elbers kriegt im Oktober 2010 den Zuschlag für den Eurovision Song Contest 2011 in Düsseldorf. Damit Fortuna spielen kann, während die Arena zum Circus fürs Schlager-Volk umgebaut wird, gibt's die "Lena-Arena". Ein eigenes Stadion für drei Spiele.

Am Ende hat der ganze Spaß rund 10 Millionen Euro gekostet. "Ich bin froh und stolz daran mitgewirkt zu haben, dass der Eurovision Song Contest nach Düsseldorf gekommen ist", sagt Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann in einem Interview, das heute noch bei der FDP online zu lesen ist, von einem "großartigen" und herausragenden Event. Und die Grünen? Die fordern damals, dass der ESC in Düsseldorf möglichst klimafreundlich und umweltschonend abläuft.

Im September 2014 übernimmt Oberbürgermeister Thomas Geisel. Marathonläufer. Ausdauersportler mit kleinen Fehlern (Hertha-Fan). Und plötzlich hört man wieder von der "Tour de France". Zunächst ein Raunen hinter vorgehaltener Hand.

Geisel trifft Tour-Chef Christian Prudhomme. Und plötzlich wird sie wieder konkret, die Vision von Joachim Erwin. Die große Begeisterung allerdings, die kann Geisel nicht verbreiten. Die FDP winkt dankend ab. Zu teuer. Falscher Zeitpunkt. Düsseldorf braucht erst mal ein neues Marketing-Konzept. Für die Grünen gibt's ein Zückerchen: Den Ausbau des Fahrradverkehrs in Düsseldorf.

Am 5. November 2015 stimmt der Rat der Stadt über Düsseldorfs Bewerbung als Start-Ort für die Tour 2017 ab. Es ist bereits später Abend. Die FDP hat noch einmal sehr deutlich gemacht, was sie von der Idee hält: Nichts. Ein bekannter Gastronom aus den Reihen der CDU hat den Saal verlassen. Er ist begeistert von der Tour. Aber hier geht es um Politik. Und die CDU stimmt als Opposition dagegen. Geheime Abstimmung. 39 : 40. Betretenes Schweigen. Unterbrechung der Sitzung.

Die hauchdünne Mehrheit für Geisel, das wird plötzlich allen klar, kommt durch Republikaner und AfD zustande. Ratsmitglieder, die man eigentlich scheut wie der Teufel das Weihwasser.
SPD und Grüne schämen sich eine Runde öffentlich, ein bisschen Pipi in den Augen ist auch dabei, doch das Ergebnis steht: Der Rat der Stadt Düsseldorf hat beschlossen, sich um den Tour-Start 2017 zu bewerben.

CDU-Chef Rüdiger Gutt nutzt die Gunst der Stunde, spricht von der "Krise der politischen Moral". Ist aber wurscht. Denn die Tour kommt. Für rund 13 Millionen Euro. Vorsitzender der Kleinen Kommission Tour de France ist übrigens Günter Karen-Jungen von den Grünen. Der dem 2,5 Mio. im Jahr 2008 zu viel waren. Aber in Düsseldorf wissen wir ja: Was nichts kostet, ist auch nichts.

Und Thomas Geisel? Der hat neben einem kleinen Personal-Karussell mit der Tour auch gleich eine neue Berechnungseinheit nach Düsseldorf geholt. Denn inzwischen wird in der Landeshauptstadt alles und jedes gegen gerechnet. Für eine Tour de France etwa könnte man viermal das Schauspielhaus sanieren (oder war das umgekehrt?), drei neue Schulen bauen, alle Bäume der Stadt regelmäßig gießen und natürlich die Gaslaternen erhalten. Hätten wir die Tour nicht, könnten wir vermutlich die Bürgersteige vergolden. Aber das wäre der FDP dann hoffentlich auch nicht recht...

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