In Japan: Gerresheim als Vorbild

"Sehen Sie? Wir haben es genauso gemacht wie in Gerresheim." Stolz präsentieren die Verantwortlichen in der japanischen Stadt Fukuchi ihr Café "VergissMeinNicht", das Demenz-Kranke einmal pro Woche an den Frühstückstisch holt.

Petra Wienß vom zentrum plus am Wallgraben flog im Februar mit einer Delegation der Düsseldorfer Diakonie in den Fernen Osten.

"Für die Kirschblüte war es noch ein bisschen zu früh, deshalb haben wir im ganzen Monat nur drei weitere Westler wie uns zu Gesicht bekommen." Doch auch so war die Reise schon aufregend genug: "Würden wir die Erwartungen erfüllen?" Die Japaner seien sehr, sehr freundlich, "manchmal beschämend freundlich" - aber was sie denken, weiß man nicht. Die Leiterin der Einrichtung sollte über ihre Erfahrungen berichten. "Japan hat die älteste Gesellschaft der Welt, Deutschland die zweitälteste." Deshalb suchen die Japaner nach Lösungen und sind dabei auf das Projekt "Demenz im Quartier" in Gerresheim gestoßen. Was ist dessen Kern? "Wir organisieren seit zehn Jahren unser Demenz-Café." An drei Dienstagen wird zusammen gefrühstückt, am vierten steht offenes Singen auf dem Plan. Die Demenzkranken im normalen Leben halten, solang es geht - das ist die Devise. Deshalb wurden im vergangenen Jahr Kaufleute geschult, Friseure und Kassiererinnen. Worauf kommt es an? "Blickkontakt halten. Langsam sprechen. Vielleicht mal freundlich darauf hinweisen, dass z.B. Gurken schon gestern gekauft wurden, aber kein Brot." Diese Initiativen begeistern die Japaner. Doch um sie zu kopieren, müssen große Hindernisse überwunden werden.

"Eine Kultur des Ehrenamts entwickelt sich dort erst langsam." Japaner arbeiten bis 75. Beschäftigung hat dort einen anderen Stellenwert. Außerdem klafft ein riesiger Unterschied zwischen Stadt und Land. "Die jungen Menschen leben in den Städten, die Dörfer wirken entvölkert."

Trotzdem hat es in Fukuchi geklappt, einer Stadt mit knapp 24 000 Einwohnern auf der südlichsten Hauptinsel Kyushu. Eine Privatinitiative entstand, nachdem die Mutter des Bürgermeisters an Demenz erkrankt war, es lang gedauert hatte, die Erkrankung wahrzunehmen, die Dame starb und sich ihr Mann aus Kummer tötete. Bei einem beeindruckenden Symposium in der Stadt konnte Petra Wienß vor mehreren hundert Besuchern ihre Ideen vorstellen. "Dort wie hier müssen sich die Menschen klarmachen, dass es sich um ein krankhaftes Vergessen handelt, bei dessen ersten Anzeichen man unbedingt das Gespräch suchen sollte." Beim Demenz-Netz oder direkt beim Arzt.

Und was nimmt die Fachfrau für Inspiration aus Japan mit? "Dort kann man flexibler reagieren." Wenn ein Bürger für seinen Nachbarn kochen will oder ein Angehöriger sich nachts einfach neben den kranken Menschen legen möchte, um ihm nah zu sein, so gebe es in Deutschland einfach viel zu viele Vorschriften. "Die Flexibilität könnten wir uns von Japan abgucken."

(City Anzeigenblatt Duesseldorf)