Eine von 38 Geschichten im neuen Oberbilk-Buch „Hinterm Bahnhof“ „Mein freches Maul“

Manes Meckenstock gehört in Oberbilk zum Inventar. Seit 20 Jahren lebt der Kabarettist, Moderator und Autor im Viertel hinter dem Hauptbahnhof. Wenn er nicht gerade zwecks Bühnen- oder Fernsehauftritten unterwegs ist, logiert der 1,90-Mann in einer umgebauten Schreinerei im Hinterhof. Ein Zimmer, Küche, Bad. 27 Quadratmeter.

Der Kabarettist und Oberbilker Manes Meckenstock erzählt in „Hinterm Bahnhof“ aus seinem Stadtteil-Leben.

Foto: Markus Luigs

Wer Meckenstock besuchen möchte, muss zunächst den goldenen Klingelknopf am Vorderhaus drücken. Durch das mit Art-Déco-Fliesen versehene Treppenhaus geht es in einen zauberhaften Garten. Meckenstocks Reich ist hinten rechts, immer dem mäandernden Pfad nach. Das grün getünchte Haus nebst Backstein-Bau im Hinterhof hat er 1999 gekauft. Als gebürtigem Düsseldorfer war ihm das Viertel natürlich, auch bevor er nach Oberbilk kam, keinesfalls fremd, zumal diverse Familienangehörige Verbindungen in den Stadtteil hatten: „Meine Omma mütterlicherseits kam von der Oberbilker Allee. Der Oppa väterlicherseits von der Vulkanstraße. Und mein Onkel war bei den 11. Grenadieren.“

Manes Meckenstock kommt aus einfachen Verhältnissen. Die ersten Jahre seines Lebens verbringt er gemeinsam mit Eltern und Großeltern auf 36 Quadratmetern, Toilette auf dem Hof. Als sein jüngerer Bruder geboren wird, zieht die Familie von Grafenberg nach Flingern. In dem Stadtteil leben damals – ähnlich wie in Oberbilk – viele Arbeiter, die in den umliegenden Fabriken ihr Geld verdienen. Die Atmosphäre sei sehr angenehm gewesen, die Menschen untereinander hilfsbereit, beschreibt Meckenstock. Bis heute fühlt sich der Kabarettist bedingt durch seine soziale Herkunft eher den einfachen Dingen verpflichtet. Eine Schickimicki-Käserei oder ein sündhaft teurer Blumenladen? Nicht sein Ding, in Oberbilk aber auch nicht vorhanden. Wie viele Oberbilker schätzt Meckenstock die Kölner Straße. „Da habe ich immer das Gefühl, ich würde durch Istanbul laufen“, sagt er. „Das Bunte, das Schrille, die vielen Kopftücher.“

Foto: Markus Luigs

Die Menschen in Oberbilk hätten etwas sehr Ehrliches, findet Manes Meckenstock. „Du siehst ihnen an, dass sie müde sind, überarbeitet, vielleicht auch versoffen. Dass sie ein Scheiß-Leben hinter sich haben, oder ein schönes. Aber sie sind ehrlich.“ In Oberbilk sage man ihm immer direkt, wie man ihn fand. Bei einem Auftritt. Im Radio. Oder im Fernsehen. Die Tatsache, dass sein Gesicht aus den Medien bekannt ist, spiele für die Menschen im Viertel keine Rolle. Folgerichtig muss er sich auch nicht unnötig aufbrezeln, wenn er das Haus verlässt. Seine rund 40 Broschen bleiben hinter Glas. Das weiße Hemd im Kleiderschrank. „Ich möchte gerne in der Jogginghose durch die Gegend eiern können“, sagt er. Tatsächlich trifft man ihn auf dem Weg zum Bäcker oder Metzger häufig in maximal bequemen Beinkleidern. Dann erkennt man ihn am ehesten an seiner sonoren Stimme.

Meckenstocks Job ist es seit vielen Jahren, Menschen zu unterhalten. Ursprünglich gelernt hat er Friseur und Maskenbildner. Im Friseursalon seiner damaligen Freundin wird er ob seiner Stimme und des rheinischen Idioms entdeckt, zunächst für den Hörfunk. In der Folge ergibt dann eins das andere. Satirische Kolumne für Antenne Düsseldorf. Erster Bühnenauftritt im altehrwürdigen Kom(m)ödchen. Irgendwann dann „Zimmer frei“. In der WDR-Sendung mit Götz Alsmann und Christine Westermann ist Meckenstock 15 Jahre als Außenreporter unterwegs, der in kurzen Einspielfilmen das Zuhause und das persönliche Umfeld des jeweiligen Gasts unter die Lupe nimmt. „Bei ‚Zimmer frei‘ gab es zwei Figuren, die wichtiger waren als Götz und Christine“, ist er heute noch überzeugt. „Das waren Cordula Stratmann als Annemie Hülchrath und ich.“

Dass seine Karriere ausgerechnet auf dem Höhepunkt einen schweren Dämpfer bekommt, hat er sich dann selbst zuzuschreiben. In einer Live-Radio-Sendung vor Publikum kann er seine Zunge nicht im Zaum halten und beleidigt die Moderatorin Gülcan Kamps rassistisch. Die nachträgliche Entschuldigung bringt nicht mehr viel. Er verliert vorübergehend seine Sendung beim lokalen Hörfunksender, auch der WDR nimmt ihn einige Wochen aus der Schusslinie. „Was ich gesagt habe, war natürlich Scheiße. Es hat mich aber auch viel Geld und viel Karriere gekostet.“ Antenne Düsseldorf hat ihm mittlerweile längst verziehen. Seine monatliche Sendung „Kuckuck“ läuft bis heute mit großem Erfolg.

Seit er das Kurhaus, seine eigene Kleinkunstbühne mit angeschlossener Gastronomie, abgegeben hat, ist Manes Meckenstock viel auf See, um ebenda für Amüsement zu sorgen. 2016 kam die Anfrage einer großen Kreuzfahrt-Reederei. Regelmäßig lässt er seitdem Oberbilk hinter sich, um über die sieben Weltmeere zu schippern. Und kehrt nach einigen Wochen auf See genauso gerne wieder ins heiß geliebte Quartier hinter dem Hauptbahnhof zurück. Alles Gold ist natürlich auch dort nicht. In Sachen Städtebau gibt sich der Kabarettist zum Beispiel kritisch: „Das Gericht ist ein Tumor. Und die Neugestaltung des Oberbilker Markts finde ich auch mittelschwer zum Kotzen.“

Auch im Jahr zwölf nach der Causa Kamps ist Meckenstock immer noch ein Mann der klaren Worte. Er schiebt es auf seine Großeltern, mütterlicherseits. „Mein Oppa war Köbes, die Omma Köchin“, erzählt er. „Von denen habe ich das freche Maul.“ Im katholischen Kindergarten der Armen Dienstmägde Jesu Christi an der Flurstraße versuchte man einst noch, das Schlimmste zu verhindern: „Wenn ich was Böses gesagt hatte, kam Schwester Hildburg und wusch mir den Mund mit Seifenlauge aus.“ Geholfen hat es nichts. Aus der Kirche ist der Kabarettist, obwohl „strunzend katholisch erzogen“, mittlerweile längst ausgetreten. Dem Stadtteil seiner Wahl möchte er hingegen treu bleiben bis zum Ende – und darüber hinaus. „Ich werde hier nicht mehr wegziehen“, sagt Meckenstock. „Stoffeln ist ja auch Oberbilk.“

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