Der Düsseldorfer Thorsten Stelter will am 20. August von Düsseldorf nach Leipzig laufen 450 km gegen Depression

Thorsten Stelter (40) läuft am 20. August von Düsseldorf nach Leipzig. 450 Kilometer. Der Düsseldorfer will damit auf ein wichtiges Thema aufmerksam machen: Depressionen. Im Gespräch mit dem Düsseldorfer Anzeiger erzählt er von seinen eigenen Erfahrungen mit der Krankheit.

Hat sein Leben umgekrempelt: Der Düsseldorfer Thorsten Stelter.

Foto: ho

Und davon wie sehr ihm das Laufen hilft. Bis heute.

Herr Stelter, Sie wollen im August allen Ernstes von Düsseldorf nach Leipzig laufen?
Ja, genau. Ich möchte einen Spendenlauf zugunsten der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und des Düsseldorfer Bündnisses gegen Depressionen machen.

Dieser Lauf ist eng verknüpft mit Ihrer eigenen Lebensgeschichte. Sie mussten erfahren, was es heißt, an einer Depression zu erkranken?
Ende 2011 war ich selbst erkrankt.

War das Laufen Ihre Therapie?
Mitunter. Während der Depression hatte ich zunächst das Interesse am Laufen verloren. Es war ein echter Kampf, beim Laufen zu bleiben. Aber meiner Therapeutin war es wichtig, den Sport immer einzubeziehen. Und das hat mir dann auch tatsächlich gut getan.

Sie sagen, die Depression hat Sie "aus dem Leben gerissen". Wie muss man sich das vorstellen?
Einem Depressiven geht mit der Zeit die Tagesstruktur verloren. Man möchte morgens eigentlich nicht mehr aufstehen. Ich wäre am liebsten den ganzen Tag im Bett geblieben und hätte geschlafen. Ich hatte eigentlich an nichts mehr Interesse, war nicht mehr in der Lage, in meinem Beruf zu arbeiten. Irgendwann bin ich in den Grafenberger Wald gefahren und dort heulend zusammengebrochen. Und anschließend in die Ambulanz der LVR-Klinik, weil ich nicht mehr weiter wusste.

Sie sind Jurist. Von einem Rechtsanwalt erwartet man, dass er zielgerichtet und erfolgreich ist. Wie schwierig ist eine schwere psychische Erkrankung wie Depression im Berufsleben?
Unheimlich schwierig. Vor allem, weil man es aus Scham nicht zeigen möchte. So eine psychische Erkrankung - habe ich immer gedacht - ist nicht gut für die Karriere. Und wenn ich mich jemandem anvertraute, bin ich auch auf Ablehnung gestoßen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich selbst noch nicht genau, dass es eine Depression ist. Auf der Arbeit wurde es nicht ernst genommen, wenn ich erzählt habe, dass es mir nicht gut geht.

Sie sollten sich vermutlich nicht so anstellen?
Ja, so in der Art. Und ich habe das dann auch selber gedacht.

Sie selbst schreiben auf ihrer Homepage von einer "Stigmatisierung" durch eine solche Erkrankung. Was macht es so schwer für die meisten Menschen, damit umzugehen?
Einen Armbruch kann man sehen, und der ist nach ein paar Wochen verheilt. In den Kopf eines depressiven Menschen zu gucken, ist schwierig. Es ist auch für mich kompliziert, einem nicht-depressiven Menschen begreiflich zu machen, was in mir vorgeht. Das war auch zu Beginn meiner Therapie schwierig.

Den therapeutischen Erfolg des Laufens hatten sie ja schon einmal erlebt. Damals allerdings waren die Symptome körperlicher Natur…
Ja, während des Studiums hatte ich mit dem Sport aufgehört, an Gewicht zugenommen und plötzlich hohen Blutdruck. 2006 habe ich dann wieder mit dem Laufen angefangen. Während der Therapie erzählte ich, was ich immer gerne gemacht habe. Meine Therapeutin erklärte mir, Bewegung sei ein wichtiger Baustein innerhalb von Therapien gegen Depression. Und auch in diesem Fall hat es mir wieder geholfen.

2006 haben Sie mit dem Laufen angefangen. Zwei Jahre später der erste Marathon. Zehn Kilometer hätten es doch auch getan, oder?
Ich wollte damals beim Hermannslauf durch den Teutoburger Wald mitlaufen. Der war aber ausgebucht. Ein Freund brachte mich dann auf die Idee, am Köln-Marathon teilzunehmen. Der ist relativ flach und für den Einstieg auch wunderbar. Danach habe ich dann gesagt: Nie wieder! Ein Jahr später bin ich aber noch mal gelaufen. Über Facebook habe ich dann 2010 die ersten Ultraläufer kennengelernt.

Wo fängt der Ultrabereich an?
Alles über Marathon. Die klassische Einsteiger-Strecke liegt bei 50 Kilometer.

Herr Stelter, Sie sagen von sich "Ich möchte dazu beitragen, dass die Menschen gesünder, aber vor allem bewusster, leben". Sie sind 2016 sogar 230 Kilometer am Stück gelaufen. Das klingt für uns jetzt eher exzessiv als bewusst.
230 Kilometer möchte ich auch nicht jedem empfehlen. Das hat nichts mit Gesundheitssport an sich zu tun.

Das geben Sie zu?
Ja, das ist mir auch bewusst! In meinen Laufkursen versuche ich, den Spaß am Laufen zu vermitteln.

Haben 230 Kilometer noch mit Spaß zu tun?
Das ist für mich tatsächlich eine Art Reise zu mir selbst. Man ist unheimlich auf sich fixiert und muss viel mit sich selber ausmachen. Ich würde das aber auch nicht mehrmals im Jahr machen!

Von Düsseldorf nach Leipzig sind es 450 Kilometer. Die wollen Sie aber nicht alleine und am Stück laufen?
Nein, die werden in Etappen gelaufen. Ich starte am Sonntag, 20. August, am Düsseldorfer Rathaus. Oberbürgermeister Thomas Geisel wird ein Stück mitlaufen. Eine Unterstützung, für die ich sehr dankbar bin. 2015 habe ich eine Laufgruppe für depressiv Erkrankte ins Leben gerufen. Auch die werden - so ist es geplant - am Anfang ein paar Kilometer mitlaufen. Wer sich beteiligen möchte, ist herzlich eingeladen.