Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek im Redaktions-Gespräch „Im Wahlkampf wurde immer zugespitzt!“

Redaktions-Besuch aus dem Bundestag. Der Düsseldorfer Abgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) bekam von uns jedoch nicht nur einen Kaffee, sondern auch eine Reihe von Fragen serviert. Im Interview spricht der 43-Jährige über Wahlkampf-Strategien, seinen Einfluss für seine Heimatstadt in Berlin, Grenzen des politischen Schlagabtauschs und einen "planlosen" Thomas Geisel.

Thomas Jarzombek über Oberbürgermeister Thomas Geisel - „Ein guter Wahlkämpfer, der Leute sehr schnell positiv erreichen kann. Aber er hat keinen Plan, was er eigentlich mit der Stadt machen will.“

Foto: mivi

Herr Jarzombek, in diesem Jahr werden Landes- und Bundesregierung gewählt. Kommunalwahl ist erst 2020. Eine Frage brennt uns Düsseldorfern aber jetzt schon auf den Nägeln: Wer wird denn OB-Kandidat der CDU?
Jetzt müssen wir erstmal die Landtags- und Bundestagswahlen erfolgreich bestreiten. Es ist zu früh, um darüber zu reden.

Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) im Gespräch mit den Düsseldorfer Anzeiger-Redakteuren Stefan Pucks und Yvonne Hofer. Im September stellt er sich ein drittes Mal zur Wahl.

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Vielleicht hilft die Frage nach Ihren persönlichen Karriere-Zielen. Also: Minister oder Oberbürgermeister?
Ich freue mich, wenn Sie mir das zutrauen. Aber mein Platz ist im Bundestag! Dennoch freue ich mich, diesen Prozess hier zu moderieren und den Weg bis zur Wahl gestalten zu können.

Sie haben schon 1999 den Wahlkampf von Joachim Erwin organisiert, der dann Düsseldorfer Oberbürgermeister wurde. 2014 schließlich verlor die CDU die Macht im Rathaus. Haben Sie und die CDU damals mit Dirk Elbers aufs falsche Pferd gesetzt?
Unser Problem bei dieser Kommunalwahl war, dass die CDU und Dirk Elbers eine sehr gute Politik gemacht haben. Zum Beispiel die Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Da waren wir Spitzenreiter in ganz NRW. Das war Elbers' persönliche Initiative. Düsseldorf sich in diesen 15 Jahren mit der CDU gemeinsam gut entwickelt. Aber am Ende wurde eine Debatte darüber geführt, wie sympathisch die Kandidaten sind. Und da hat Thomas Geisel am Ende offensichtlich die besseren Karten gehabt. Für uns ist das sehr enttäuschend.

Legendär Ihre damalige SMS an Mona Neubaur von den Grünen: "Schatz, wir müssen reden…"
Das würde ich so heute nicht mehr schreiben.

Ihr langjähriger Partner FDP war stinksauer, mit den Grünen wurde es nichts. Ein schwerer Strategie-Fehler?
Mit den Grünen zu reden war richtig. Wir haben uns am Tag nach der Wahl auch mit der FDP getroffen. Aber das mit der SMS war vom Stil her nicht gut. Dennoch war es rein rechnerisch so, dass wir mit der FDP nicht weiterregieren konnten - was wir gerne gemacht hätten. Mit den Grünen wäre es gegangen. Die Gespräche waren sehr konstruktiv. Aber nach dem Ausgang der Stichwahl war bei den Grünen sicher auch der Druck zu groß, nicht mehr der - ich sag es ganz brutal - Steigbügelhalter für eine abgewählte Regierung zu sein. Schade, denn ich glaube, dass wir eine stabilere Koalition gebaut hätten.

Wie macht Thomas Geisel denn Ihrer Meinung nach seinen Job als Oberbürgermeister?
Ich glaube, dass er ein guter Wahlkämpfer war und ist. Ich glaube, dass er Menschen sehr schnell positiv erreichen kann. Aber was wir nach über zwei Jahren deutlich sehen - er hat keinen richtigen Plan, was er mit der Stadt machen will. Die Tour de France ist das einzige Thema, das richtig sichtbar wurde. Bei allem anderen hat man den Eindruck von einem bisschen Tagesreaktion und Stückwerk. Das Thema Schuldenfreiheit ist offensichtlich ebenfalls passé. Auch der Umgang in der Koalition liegt sicherlich mit an ihm. Dass er die Dinge zunächst eher einmal in der Öffentlichkeit präsentiert statt sich mit seinen Partnern abzusprechen, stößt natürlich vielen vor den Kopf.

Sie sind Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Düsseldorfer CDU. Zeit genug für beides oder kommt Düsseldorf da manchmal zu kurz?
Die Zeit hatte ich auch schon vorher und die ist wichtig. Ich bin hier direkt gewählt und strebe das jetzt zum dritten Mal an. Wenn man in Düsseldorf unterwegs ist und die Leute trifft - gerade auch beim Schützenfest oder im Karneval - sagen die einem sehr deutlich, was sie von all dem halten, was man da macht. Und das ist eine wichtige Rückkoppelung.

Was können Sie für Düsseldorf in Berlin tun?
Ich glaube, dass wir an vielen Strängen gezogen haben. Ich bin ja Mitglied im Verkehrsausschuss. Hier ist der Benrather Halt für den Rhein-Ruhr-Express (RRX) ein großer Erfolg. Ein Thema, das mir persönlich sehr wichtig ist, ist der Lärmschutz an den Bahnstrecken, weil wir auf der Strecke Rath - Eller eine unglaubliche Zunahme des Güterverkehrs durch den Ausbau der 'Betuweroute' nach Rotterdam haben werden. Dafür müssen wir eine vernünftige Lösung finden. Auch für Angermund liegt beim Lärmschutz noch Arbeit vor uns.

Sie sind junger Vater.
Der Kleine ist gerade zwei geworden.

Wie ist Ihre intensive politische Arbeit in den beiden Städten mit dem Familienleben zu vereinbaren?
Politik ist sicher kein besonders familienfreundliches Geschäft. Sie haben beispielsweise viele Sitzungen, die abends stattfinden. In den Wochen, in denen keine Sitzungen sind, bin ich sehr viel in Düsseldorf. Alles nicht einfach, aber meine Partnerin und ich haben uns kennengelernt, da war ich schon Abgeordneter. Sie weiß, worauf sie sich da eingelassen hat. Und ich versuche Zeit mit meinem Sohn aufzuholen, indem ich das Handy ausschalte, keine Termine mache und mal am Wochenende wegfahre. Das ist auch eine tolle Erfahrung als Vater.

Bei der Bundestagswahl 2013 haben Sie für sich zunächst mit einem schwarzen Wahlplakat geworben, auf dem lediglich "Jarzombek" stand.
2009 übrigens auch schon!

War das schon postfaktisch, bevor wir den Begriff kannten?
Themen können Sie über diese Plakate nicht ernsthaft adressieren. Zumindest nicht als örtlicher Kandidat. Schon aus Budget-Gründen nicht. Man muss erreichen, dass die eigene Person in den Gedanken der Leute vorkommt. Wenn Sie ein Gesicht über sechs Wochen plakatieren, nimmt das niemand mehr wahr.

Als Politiker, der auch die "sozialen Medien" bespielt, beschäftigen Sie sich auch mit falschen Nachrichten und Hass-Kommentaren. Haben Sie solche Anfeindungen selbst schon erlebt?
Ja. Gleich zu Beginn, als ich Twitter genutzt habe, bekam ich eine Morddrohung. Das ist leider bei Politikern nicht selten. Das BKA geht dem dann nach. Das ist einfach nicht schön. Insgesamt ist der Umgangston in den vergangenen Jahren auch rauer geworden.

"Postfaktisch" ist Wort des Jahres 2016. Das rbb-Inforadio hat gefragt, was das für die Politik bedeutet. Im Gespräch macht Thomas Jarzombek klar: "Desinformation gab es schon immer, durch das Internet werde sie heute nur sehr viel schneller verbreitet — und sei immer schwieriger als Fake zu entlarven." Ein Zitat von Thomas Jarzombek bei Facebook.

Wenn Sie diesen Satz von sich noch einmal hören und dann an Ihren Post "Nicht alle Nadeln an der Tanne?" denken, in dem Sie den Düsseldorfer Grünen unterstellen, den Weihnachtsbaum vor dem Rathaus verbieten zu wollen, bekommen Sie dann so etwas wie ein schlechtes Gewissen?
Nein! Ich glaube, es wurde in Wahlkämpfen immer zugespitzt. Das muss auch erlaubt sein und gehört dazu, damit die Menschen merken, wo die Unterschiede sind. Manchmal schießt man vielleicht auch etwas übers Ziel hinaus. Aber da werden wir nicht die ersten und die letzten sein, die das gemacht haben.

Immerhin muss sich der Grüne Ratsherr Norbert Czerwinski mit Hass-Mails und Telefon-Terror rumschlagen. Zumal Düsseldorfer Partei-Kollegen von Ihnen zu dem Thema noch einen weiteren Facebook-Post von der rechtsradikalen Seite "Halle Leaks" geteilt hatten. Wo sind denn da in der politischen Auseinandersetzung die Grenzen?
Sowas wie Halle Leaks sind Fake-Seiten. Das darf man nicht teilen! Ich glaube aber, dass viele Menschen gerade erst lernen, wie sich die Medienlandschaft verändert und wie man damit umgehen muss.

Brauchen Politiker auch deshalb eine Schulung in Medienkompetenz?
Ich glaube, die findet gerade statt. Auch durch sowas.

Liegt das Ausufern der politischen Debatte dann irgendwo doch an der zunehmenden Bedeutung der AfD, die sich wenig bis gar nicht um einen demokratischen Diskurs schert und die etablierten Parteien vor sich hertreibt?
Das darf man einfach nicht übernehmen. Anstand ist eine wichtige Maß-Einheit in der Politik. Und die darf jetzt nicht verloren gehen. Sicherlich kann es passieren, dass der eine oder andere mal übers Ziel hinaus schießt. Das war immer so in der politischen Auseinandersetzung, und das können Sie auch gar nicht vermeiden. Aber mann muss schon gucken, dass man bei seiner Strategie und seinem Auftritt anständig bleibt.