Corona bedroht Kino-Existenzen - ein Impfstoff als einzige Rettung? Wie im schlechten Film
Die deutsche Kinolandschaft sieht sich in ihrer Existenz bedroht. Das hat der Verband Deutscher Kinomittelstand in einem offenen Brief an NRW Kultur-Staatsministerin Monika Grütters betont. Ohne staatliche Finanzhilfen könne ein großer Teil der deutschen Filmtheater die aktuelle Corona-Krise nicht überleben.
Alle Kinobetreiber verzeichneten massive Umsatzeinbrüche und befänden sich in teils dramatischen Liquiditätssituationen. Ohne die Unterstützung der Bundesregierung, heißt es in dem Schreiben, werde es in Deutschland bald keine Filme, keine Besucher und keine Kinos mehr geben.
Auch Sebastian Riech, Theaterleiter im UFA-Palast am Hauptbahnhof, fühlt sich wie im falschen Film: „Wir brauchen einen Impfstoff, sonst geht das Kino düsteren Zeiten entgegen.“ Die Besucher blieben weg, auch aus Angst und schlichtweg wegen eines fehlenden Programms...
Seit dem 4. Juni hat Riechs Haus nach drei Monaten Lockdown wieder geöffnet. „Unser Besucherschnitt von diesem Zeitpunkt an beläuft sich auf 6.000 bis 7.000 Besucher im Monat. Die haben wir vor der Pandemie an einem Wochenende gehabt.“ Gute Monate waren vorher jene, die bis zu 40.000 Besucher anlockten. Stärkster Zuspruch in den zweieinhalb Monaten nach Wiedereröffnung waren 50 Besucher - in einem Saal, der für 500 Menschen ausgelegt ist. Maximal 300 Leute darf Sebastian Riech in den Kinosaal lassen. Von 13 Sälen haben zwei eine größere, der Rest eine kleinere Kapazität. „Dabei dürfen wir die Besucher nebeneinander setzen, wir können aufgrund von Registrierungen Rückverfolgungen vornehmen. Auch gibt es die Möglichkeit, Abstände problemlos einzuhalten.“
Allein, die Filmfans bleiben weg. Sebastian Riech, der betont, dass die Lockerungen in der Corona-Schutzverordnung in NRW weiter gehen, als in so manch anderem Bundesland, sieht die größten Probleme in der Angst der Menschen und darin, dass ihm schlichtweg die publikumswirksamen Teile seines Programms fehlen. „Die großen Studios geben ihre ‚Blockbuster’, nicht frei. Warten ab.“ Seit dem Lockdown im März sei keiner dieser Mainstream-Streifen in die Kinos gekommen. „Wir bestreiten das Angebot mit Low Budget- oder mit Arthouse-Produktionen.“ Als „Testballon“ (Riech) geht am 26. August der Thriller „Tenet“ von Regisseur Christopher Nolan an den Start. „Wenn der funktioniert, können die anderen nachziehen“, sagt der Theaterleiter. Und lässt dann offen: „Wenn nicht...“
Dann dürfte auch der bereits mehrfach verschobene neue „James Bond“ wohl erst 2021 auftauchen. Oder man macht es wie der Disney-Konzern, der seine Produktion „Mulan“ kurzerhand in den hauseigenen Streamingdienst „Disney +“ packt. „Das ist für uns Kinobetreiber ein zusätzlicher Schlag ins Gesicht, haben wir in unseren Häusern doch zuvor bereits kostenlose Werbung mit Aufstellern und Trailern für den Streifen gemacht“, sagt Sebastian Riech. Auch der deutsche Kinomittelstand kritisiert scharf: „Deutsche Kinoproduktionen dürfen gemäß geltendem Recht erst nach sechs Monaten auf Streamingportalen gezeigt werden. Große US-Studios haben diesen Zeitraum inzwischen auf nur 17 Tage reduziert.“ Das sei Wettbewerbsverzerrung.
Es klingt ein Stück weit konsterniert, wenn Sebastian Riech bilanziert, „dass 2020 wohl nicht mehr viel passieren wird.“ Und des bleibt die Hoffnung auf einen baldigen Impfstoff. Im Ufa-Palast hat er noch keinem Mitarbeiter bzw. keiner Mitarbeiterin gekündigt. Diejenigen, bei denen es geht, sind in Kurzarbeit.