Die Toten Hosen Neuer Konzertfilm „Weil Du nur einmal lebst"

Die Toten Hosen gelten als die erfolgreichste deutsche Band dieser Zeit. Mit dem Konzertfilm "Weil Du nur einmal lebst — Die Toten Hosen auf Tour", der am Freitag im Rahmen der Berlinale 2019 seine Weltpremiere erlebt, nähert sich Regisseurin Cordula Kablitz-Post dem musikalischen Phänomen aus Düsseldorf.

Campino und Kuddel machen Musik — und die Kamera ist stets dabei: Der Film „Weil Du nur einmal lebst“ wird am Freitag, 15. Februar, erstmals auf der Berlinale gezeigt.

Foto: avanti media fiction

Bei der einfühlsamen Dokumentation wird deutlich: Dass die fünf Musiker miteinander befreundet sind, ist keinesfalls von Nachteil.

Es gibt da diese tolle Szene: Die Sonne steht tief über dem Rhein, die letzten warmen Tage des Sommers sind vergangen und der Herbst führt noch einige Zeit fort, was der heiße Sommer vorweg nahm. Das Rheinufer in Höhe der Messe ist an diesem Nachmittag menschenbevölkert. Es scheint, als sei an diesem Oktobertag halb Düsseldorf auf den Beinen, nur um in die Arena zu pilgern und dort die Band live zu erleben, die nicht nur diese Stadt seit einigen Jahren feiert wie keine zweite im Land.

Dann radeln Andreas von Holst und Andreas Meurer ins Bild. Kuddel und Andi, Gitarrist und Bassist der Band, die seit Jahren als die erfolgreichste des Landes gilt: Die Toten Hosen. Und während die Kamera neben ihnen herfährt, scherzen sie ausgelassen und pedalieren unprätentiös. Und unerkannt. Gerade so, als ob sie nicht auf dem Weg zur Arbeit, sondern in einen der nahe gelegenen Biergärten wären. Wenige Stunden später werden die beiden auf einer gigantischen Open-Air-Bühne stehen und vor rund 40.000 Fans in der seit langem ausverkauften Düsseldorfer Arena ihre ganz großen Stücke spielen. Die Stimmung ist gewaltig. Und die Kamera mittendrin.

Ein Bad in der Fan-Menge für Andi.

Foto: avanti media fiction

Szenen wie diese sind es, die den Film "Weil Du nur einmal lebst — Die Toten Hosen auf Tour” von Regisseurin Cordula Kablitz-Post zu einem besonderen Film machen. Zu einem Film, der eben nicht nur die Fans der Punk-Band aus Düsseldorf einfängt, umsorgt und noch näher heranführt an ein Musikphänomen, das kaum erklärbar und doch so einleuchtend erscheint.

2017 kommt Kablitz-Post auf die Idee, einen Kinofilm über die Toten Hosen zu drehen. Mit rund zehn Jahren Abstand — 2006 und 2009 arbeitete sie für arte und die ARD schon einmal mit Toten Hosen-Sänger Andreas 'Campino' Frege zusammen — widmete sich die Regisseurin nun erneut der Band vom Rhein. "Es war die Neugier”, erklärt Kablitz-Post. "Mich reizte zu schauen, was aus der Band geworden ist, die mit Titeln wie 'An Tagen wie diesen' zahlreiche weitere Anhänger gewonnen hat und nun mit diesem Erfolg umgehen muss.”

Campino Backstage in der Umkleide.

Foto: avanti media fiction

Dabei sah es zu Beginn der Band nicht danach aus. Frege ist gerade mal 15 Jahre alt, als er erstmalig den Ratinger Hof, eine Künstlerkneipe in der Düsseldorfer Altstadt, besucht. Während sich dort ein illustres Publikum unter anderem mit der auch in Deutschland aufkeimenden Punk-Bewegung beschäftigt, zeigt sich Frege begeistert von der dort herrschenden Dynamik: "Es gab ein paar Monate voller unglaublicher Stimmung, Offenheit und Kreativität. Momente purer Euphorie und einen irren Aufbruchsgeist, basierend auf dem Lebensgefühl, mit anderen etwas zu teilen”, erzählt er in einem Interview. Frege gründet 1978 zunächst die Band 'ZK', die schließlich als Vorläuferband der 1982 gegründeten Gruppe Die Toten Hosen gilt.

Parallel zu der musikalischen Entwicklung von ZK zerfällt die Düsseldorfer Punk-Szene zunehmend in unterschiedliche Flügel mit unterschiedlich ausgeprägten Ausrichtungen. "Ich habe nach der Auflösung von ZK die Tourneen vermisst”, erklärt Frege. "Bereits nach ein paar Wochen rief ich Kuddel und Trini an, um zu erfragen, ob wir nicht noch mal etwas aufziehen wollten, aber eben etwas ganz anderes: Wir würden nur Freunde in die Band holen und zwar möglichst viele, um den maximalen Spaß zu garantieren.”

Campino am Rheinufer in Düsseldorf.

Foto: avanti media fiction

Bereits in ihrem Gründungsjahr veröffentlicht die junge Band kurz nacheinander zwei Singles, um anschließend auf eine erste ausgedehnte Konzertreise zu gehen. Neben 50 Vorstellungen in Deutschland gibt es ein erstes Auslandskonzert in Rom. Die dritte Single "Eisgekühlter Bommerlunder" gilt als erster Achtungserfolg, das Debütalbum "Opel-Gang" erscheint im Sommer 1983. Die Hosen nehmen Fahrt auf. Und schauen, auch das wird im Film deutlich, bis heute nach vorne.

Regisseurin und Produzentin Cordula Kablitz-Post begleitet die Band 2018 mit einem rund 20-köpfigen Team sieben Monate. 23 Drehtage, insgesamt elf Konzerte, darunter auch die argentinischen, und rund 190 Stunden Filmmaterial, die von Cutterin Mechthild Barth einfühlsam auf Spielfilmlänge montiert und im neuartigen Dolby-Atmos-Verfahren gemischt wurden, sind das Ergebnis einer langen Dokumentation, die die Zuschauer nicht nur an Konzertsituationen teilhaben lässt. Denn während Konzert-Regisseur Paul Dugdale die musikalischen Sequenzen in den großen Stadien und kleinen Clubs einfängt — das kultische Tanzen um Bengalos und das Fahnenschwenken etwa — begleitete Kablitz-Post die Band auch in den Back‧stagebereich und weit darüber hinaus. "Ich wollte die Band-Chemie erkunden. Und wie dieser riesige Apparat des Tour-Tross funktioniert. Ich wollte wissen, wie es die Toten Hosen nach all den Jahren schaffen, noch immer derart viel Energie auf die Bühne zu bringen.”

Und so erleben die Zuschauer auch das Engagement der Band, etwa in der #wirsindmehr-Bewegung in Chemnitz, den unerlaubten, später hohe Wellen schlagenden Nachtbesuch eines Dresdner Schwimmbads, aber auch die Absage des Konzerts an der Berliner Waldbühne aufgrund des von Frege erlittenen Hörsturzes. Die Bestürzung der Band ist deutlich spürbar, wenn sich die Musiker morgens nahezu sprachlos am Frühstückstisch gegenüber sitzen, um ein weiteres Vorgehen zu besprechen. Und sie wird deutlich, wenn Gitarrist Michael 'Breiti' Breitkopf in der erzwungenen fünfwöchigen Tour-Unterbrechung alleine durch den Wald läuft oder Andi in einer kleinen Jolle über den Unterbacher See segelt, den Blick auf den Horizont gerichtet.

Und auch der feine Humor der fünf Musiker wird im Film vorzüglich herausgearbeitet, denn der lakonische Satz Campinos nach erlittenem Hörsturz bleibt dem Film erhalten. Der nämlich lautet: Ohren auf bei der Berufswahl.

"Über die Langzeitgewöhnung hofften wir, möglichst authentische Momente im Touralltag der Band einfangen zu können”, erklärt Kablitz-Post. Deshalb setzte die Regisseurin die Interviewsituationen mit den Musikern, aber auch etwa mit Tourneeveranstalter Kikki Ressler oder Produktionsleiter Christof Matthiesen von den übrigen Inhalten ab. So erlebt der Zuschauer einen authentischen und mitunter intimen Dialog der Band untereinander. Und während sich eine Auswahl der wichtigsten Songs wie ein roter Faden durch den Film zieht, schaffen gerade die ausschließlich dokumentarisch beobachteten Dialoge der Musiker etwas Besonderes: die Darstellung der intakten Freundschaft der fünf Musiker.

Dass der Film seine Premiere auf der diesjährigen Berlinale feiert, freut Cordula Kablitz-Post besonders: "Wir dürfen den Film im Rahmen der Berlinale Special Gala im Friedrichstadtpalast, einem großen Kino mit rund 1600 Plätzen, zeigen. Das ist genau das richtige Kino für die Premiere dieses Films”, erzählt die Regisseurin.

Die Filmstiftung NRW förderte den 106-minütigen Film mit 150.000 Euro. Am Freitag, 15. Februar, feiert der Film Weltpremiere im Rahmen der Berlinale im Friedrichstadt-Palast in Berlin.

(Sven-André Dreyer, sdr, sad)
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