Immer noch wütend Pussy Riot im Weltkunstzimmer
Der wohl berühmteste Auftritt von Pussy Riot währte gerade einmal 41 Sekunden. Die aber hatten es in sich! Vor dem Altar der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau zelebrierten die russischen Aktivistinnen 2012 ihr sogenanntes "Punk-Gebet".
Mit letzterem protestierten sie gegen die Allianz von Kirche und Staat. Der Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche, Kyrill I., der Wladimir Putin im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen unterstützte, verurteilte die Aktion als Blasphemie. Und auch Putin selbst war über den Auftritt der Damen, die ihre Gesichter traditionell mit kunterbunten Sturmhauben verhüllen, not amused. Die Strafe folgte auf dem Fuße: Die Pussy Riot-Mitglieder Nadeschda Tolokonnikowa, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch wurden wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" schuldig gesprochen. Sie hätten, so hieß es im Urteilsspruch weiter, "die soziale Ordnung grob unterwandert". Das Urteil: zwei Jahre Freiheitsentzug. Viele kritisierten das als zu hart, darunter Angela Merkel, Barack Obama und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Dagegen ausrichten konnten sie alle nichts. Russland hatte entschieden, ein Exempel zu statuieren und zog diesen Plan knallhart durch. Allein Samuzewitsch entging der Haft, ihre beiden Kolleginnen wurden in sibirische Arbeitslager gebracht und saßen dort fast die komplette Haftstrafe ab.
Fünf Jahre später existiert Pussy Riot immer noch. Die Wut ist nach wie vor groß, sie haben sich vom System Putin nicht kleinkriegen lassen. Und ihre Aktionen sind in Zeiten, da die russische Regierung das Assad-Regime in Syrien unterstützt und im Osten der Ukraine nach wie vor Krieg herrscht, wichtiger denn je. Seinen Grundsätzen ist das rein weibliche autonome Kollektiv bis heute treu geblieben. Sie verlangen für ihre Shows kein Geld, stellen ihre Videos kostenlos ins Netz und ihre Performances im öffentlichen Raum sind stets illegal. Man versteht sich als Teil der globalen antikapitalistischen Bewegung. "Pussy Riots Auftritte können politische oder Dissidenten-Aktionen mit Einsatz künstlerischer Mittel genannt werden", so beschreibt es Nadeschda Tolokonnikowa. "In beiden Fällen sind unsere Auftritte eine Art zivilgesellschaftliche Aktivität inmitten der Repression eines politischen Systems, das seine Macht gegen grundlegende Menschenrechte und Bürgerrechte einsetzt."
Am 14. Juli gastiert die russische Polit-Punk-Gruppe nun zur Abwechslung mal völlig legal im Rahmen des diesjährigen Asphalt Festivals in Düsseldorf. Die Veranstalter nennen den Auftritt "unseren Kommentar zur Fußball-WM in Russland". Mit "Riot Days" ist die Bühnenshow überschrieben, die eine rasende Melange aus Konzert, Videodokumentation, Theaterperformance und Lesung verspricht. Die Basis für all das liefert Maria Alyokhinas gleichnamigem Buch, in dem sie ihre persönliche Geschichte als Performerin bei Pussy Riot erzählt — von den Anfängen der rebellischen Gruppe 2011 über ihre legendären Auftritte, ihre Verhaftung, den Prozess und ihren Aufenthalt in einem sibirischen Gefängnislager bis zur Entlassung 2013. "Riot Days" ist ein feministisches Punk-Manifest, ein kraftvoll-anarchistisches Plädoyer für den Widerstand in einem rechtspopulistischen, nationalistischen System. Es kommt in russischer Sprache auf die Bühne, wird aber für all jene, die nicht des Russischen mächtig sind, mit deutscher Übertitelung versehen. Die, die die 60 wilden Minuten Bühnenshow schon erleben durften, sind hin und weg. "Eine der überzeugendsten Live-Performances, die wir je gesehen haben", befanden die Kollegen von Zeit Online.
14.7., 21 Uhr, Weltkunstzimmer/Glashalle, Ronsdorfer Str. 77, Düsseldorf, asphalt-festival.de