Die Klassik muss auf die Straße
Er lebt seit ewigen Zeiten in Gerresheim, wurde zu vielen Festivals auf der ganzen Welt eingeladen und gilt manchen Kritikern als bester Bach-Querflötist der Erde. Wir trafen den Musiker Klaus-Peter Riemer bei "Tina", wo er den Schoko-Becher bestellte, wie üblich.
Beim Interview ist Eisessen schwer: Man muss Fragen beantworten.
Klaus-Peter Riemer, kann man Sie als hidden champion, als verborgenen Star bezeichnen?
Also, ich bin im Stadtteil Gerresheim schon bekannt. Ich habe hier mein Abitur gemacht und mich mit 16 Jahren in die Querflöte verliebt, als ich Rosemarie Popp in der Gustav-Adolf-Kirche spielen hörte. In der Klassik-Welt habe ich mir seitdem einen sehr guten Namen erspielt - aber ich muss Ihnen Recht geben, nach dem Motto: Der Prophet gilt im eigenen Lande nichts.
Ärgert Sie das?
Klassik-Musiker sind ja generell nicht so bekannt wie z.B. Pop-Musiker. Aber Sie werden lachen: Ich bin ja nicht nur Bach-, Mozart- und Schubert-Fan, sondern ich spiele auf der Querflöte auch gerne mal Samba-, Salsa- und Swing-Geschichten. Und habe dort auch mit verschiedenen Größen gespielt wie z.B. mit Ack van Rooyen. Heute spiele ich, so ein bisschen als Ausgleich, mit dem Trio Swinging Bach mit Prof. Thorsten Laux an der Orgel und Prof. Dr. Boris Becker an den Percussions. In dieser Konstellation sind wir übrigens auch im Fernsehen aufgetreten.
Wie sehen Sie die Akzeptanz von Klassik aktuell?
Wenn Bach und Mozart heute leben würden, würden sie auch mit Schlagzeug arbeiten - davon bin ich fest überzeugt. Vielleicht zur Akzeptanz noch eine kleine Geschichte. Ich fahre im Zug nach Köln, um dort die H-Moll-Suite von Bach zu spielen. Sitzt mir gegenüber ein Rapper. Geht sein Handy, 'Jam-badadam-badadam- badada'. Ich konnte es mir nicht verkneifen zu fragen, hör mal, weißt du, was das ist? Nö. Aber ist cool. Das ist von Bach. Woher weißt du das denn? Ich spiel' heute Abend mit dem Kölner Kammerorchester Bach - und eben auch die Badinerie aus der H-Moll-Suite. Also viele junge Leute hören mit ihrem Handy Klassik, ohne es zu wissen.
Zuwenig Wissen...?
Ja, der Musikunterricht lässt manchmal zu wünschen übrig und wenn wir nicht aufpassen, sind die Großen der klassischen Musik bald nicht mehr so bekannt unter den .Jugendlichen.
Was tun?
Natürlich bleibt die klassische Musik in den Konzertsälen, aber wir müssen sie auch auf die Straße bringen. So wie die Tänzer von "Flying Steps" das tun, die zu Bach und Mozart breakdancen. Die sind ja hier in Düsseldorf beim Song Contest aufgetreten und wir haben schon Kontakt mit ihnen aufgenommen, ob wir nicht mal etwas zusammen machen können, beispielsweise in der Essener Philharmonie.
Und wie sieht Ihr eigener Tournee-Kalender aus?
Interessanterweise: Je älter ich werde, je mehr bin ich unterwegs. Ich habe natürlich schon große Konzerte gegeben, z.B. in der Mailänder Scala und im Wiener Konzerthaus. Und wenn man gut gespielt hat, wird man auch wieder eingeladen. Aber man muss sich halt ständig neu beweisen. Konkret: Statt, wie gedacht in Prag, spiele ich bald in Dresden. Das Como-Festival ist leider auch auf 2015 verlegt worden. Aber da werde ich dann mit der Leiterin und Harfenistin Floraleda Sacchi zusammen auftreten. Außerdem gebe ich am 19. Oktober ein Konzert im Altenberger Dom und spiele am 7. Dezember im Schloss Jägerhof. Mein anderes Standbein ist der Unterricht. Bei mir fängt allerdings kein Schüler unter 10 Jahren an. Weil die Lunge erst richtig ausgebildet sein muss. (schrö)
Klaus-Peter Riemer wurde 1944 in Halle geboren und ist in Gerresheim aufgewachsen
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