"Du hast Nscho-Tschi erschossen"
Er ist einer der größten deutschen Schauspieler und liest am kommenden Sonntag im Düsseldorfer Schauspielhaus aus seinem neuen Buch "Schauen Sie mal böse". Im Interview mit dem Düsseldorfer Anzeiger spricht Mario Adorf über seine Angst, an einem Bart zu ersticken, Jobben auf dem Bau und Winnetou-Fans, die lange Zeit nicht verzeihen konnten...
Herr Adorf, Ihr Buch über Ihr Schauspielerleben beginnt mit ihrer ersten Rolle als siebter Zwerg in "Schneewittchen". Damals waren sie vier Jahre alt. Wie war dieser Auftritt für Sie?
"Eher schmerzhaft. Ich weiß gar nicht mehr wie ich an die Rolle des stummen siebten Zwergs gekommen war. Man hatte mich in ein Kostüm mit roter Zipfelmütze gesteckt und mir einen langen weißen Bart aus Verbandswatte angeklebt. In der Aufführung löste sich der Bart, geriet in Mund und Nase und ich hatte Angst zu ersticken. Ich hustete und prustete und begann laut zu weinen."
Prägt Sie diese erste Bühnenerfahrung noch heute?
"Nein, es ist nur eine der allerersten Erinnerungen überhaupt. Beim Publikum sorgte der Auftritt für viel Heiterkeit und ein wenig Mitleid und darum war es mein erster Bühnenerfolg."
Sie haben die Schauspielerei ja von der Pike auf gelernt. Wie hart war das in der Nachkriegszeit?
"Es gab keine Beihilfen, man musste das Geld fürs Studium selbst verdienen, das hieß für uns damals Jobben am Bau oder in den rheinischen Bimsgruben. Das größte Problem während des Studiums war der Hunger."
Vom siebten Zwerg über Winnetous Gegenspieler Santer, über die Blechtrommel und Kir Royal zum wohl bekanntesten Schauspieler Deutschlands. Hat sich, wenn sie zurückgucken, die Arbeit und Mühe gelohnt?
"Ja, denn es war letztlich weniger harte Arbeit als sehr viel Spaß und Befriedigung dabei."
Welches war eigentlich ihre Lieblingsrolle und warum?
"Es waren eher die lustigen Rollen, die negativen oder 'bösen' bleiben aber wohl länger im Gedächtnis des Publikums."
Wie sind Sie damit umgegangen, dass Sie nach dem Winnetou-Film der Top-Bösewicht in Deutschland waren?
"Immer wieder treffe ich Leute, die sagen: 'Dass du die Nscho-Tschi (Anm. d. Red.: Im Film die Schwester von Winnetou) erschossen hast, das habe ich dir lange Jahre nicht verziehen. Ich habe dich dafür gehasst!' Dabei gab auch noch Andere und Bösere, zum Beispiel Klaus Kinski. Die Bösen sind eben die dankbareren Rollen."
61 Jahre stehen Sie nun auf der Bühne. Gibt es eine Rolle, ob nun im Theater oder beim Film die Sie gerne gespielt hätten, aber die ihnen nie angeboten wurde?
"Im Theater hätte ich mir einige der Altersrollen wie den Lear, den Nathan noch vorstellen können. Aber ich hatte mich vom eigentlichen Theater zurückgezogen. Beim Film müssen die Rollen ja noch geschrieben werden. Und da kommen ja immer wieder gute Angebote."
Im September sind Sie 85 Jahre alt geworden und Sie stehen noch immer auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Andere wären schon längst in Rente. War das für sie eigentlich je eine Option?
"Nein. Ich empfinde es als ein großes Glück, nicht aufhören zu müssen und die Möglichkeit, möglichst lange weiter zu machen."
Ist das Schauspielern wie eine Sucht?
"Nein, keine Sucht, eher eine schöne Versuchung."
Am Sonntag sind Sie in Düsseldorf. Was verbinden Sie mit der Stadt?
"Ich bin Rheinländer, ich zähle Düsseldorf zu meiner eigentlichen Heimat."
Sie standen hier schon öfter auf der Bühne. Wie war das für Sie?
"Ich habe einige Male hier gespielt, diesmal zum ersten Mal im Schauspielhaus. Ich sehe das als eine große Ehre und freue mich darauf."