Ab dem 1.1.2020 gilt die Bonpflicht Zettelwirtschaft
Ab dem 1. Januar 2020 müssen Einzelhändler bei jedem Einkauf einen Kassenbon aushändigen – egal, ob der Kunde das wünscht oder nicht. Allein bei Bäckereien könnten so bis zu fünf Milliarden Kassenzettel jährlich anfallen. Der Deutsche Bundestag hat 2016 das sogenannte Kassengesetz beschlossen, weil es in der Vergangenheit zahlreiche Manipulationen von Registrierkassen gegeben hat. Mit der neuen Regelung möchte man Steuerbetrug und Geldwäsche verhindern, die das nordrhein-westfälische Finanzministerium pro Jahr geschätzt fünf bis zehn Millionen kosten. Bei den Händlern stößt die neue Regelung allerdings auf starken Widerstand. Wir haben in Düsseldorf mal nachgefragt.
Nathalie Navarro und ihr Partner Peter Szigeti betreiben seit zehn Jahren einen Kiosk auf der Lessingstraße. Das Büdchen ist täglich von 6 bis 21 Uhr geöffnet. Sieben Tage die Woche. An einem Montagmorgen sitzt Navarro im Hinterzimmer des kleinen Verkaufsraums und trinkt einen Kaffee, während ihre Mutter nebenan Süßigkeiten-Tütchen schnürt. „Wir haben am Tag zwischen 180 und 200 Kunden“, erklärt Navarro. Zwei bis drei davon, so ihre Erfahrung, wünschten einen Kassenbeleg.
Von der Kassenbon-Pflicht, die ab dem kommenden Jahr greifen soll, ist die Büdchen-Betreiberin alles andere als begeistert: „Einem Kind, das zwei Bonbons kauft, einen Kassenbon in die Hand drücken, ist lächerlich.“ Die Umstellung wäre für das Büdchen zunächst mal mit zusätzlichen Kosten verbunden. Verursacht werden die durch Bon-Rollen und die dazugehörigen Druckerpatronen. Im Monat entspräche das Mehrkosten von circa 32 Euro, rechnet Navarro während unseres Gesprächs aus. „Das klingt jetzt erst mal nicht viel. Aber wenn man so ein Lädchen wie unseres hat, bleibt ohnehin nicht viel hängen und man muss natürlich gucken, dass man zusätzliche Kosten vermeidet“, so die Frau mit den langen dunklen Haaren.
Ohnehin sei die Pacht fürs Büdchen gerade um 180 Euro monatlich erhöht worden, die Nebenkosten parallel um 25 Euro pro Monat gestiegen. Ihre Jahreseinnahmen möchte Nathalie Navarro nicht in der Zeitung lesen. Dennoch ist nach deren Einsicht völlig klar: Die Einführung der Kassenbon-Pflicht könnte für den Oberbilker Kiosk eine Existenz-Bedrohung bedeuten.
Neben den zusätzlichen Kosten werde auch die Abwicklung des Bezahlvorgangs für das Personal aufwändiger, weiß Manuela Jordan. Die 57-Jährige betreibt das „Back-Eck“ am Lessingplatz. „Ein Kunde, der einfach nur schnell eine Zeitung zahlen will und das Geld passend hat, müsste sich dann trotzdem in die Schlange einreihen, um auf seinen Bon zu warten“, so Jordan. Noch aufwändiger würde es etwa, wenn Kunden den Bon papierlos aufs Handy bekommen wollten, man vorab also noch eine E-Mail-Adresse abfragen und eintippen müsse. Am Büdchen wie beim Bäcker muss es ja immer schnell gehen. „Deshalb kommen die Leute ja zu uns“, sagt Navarro.
Nächstes Problem: der Müll. Dessen Folge könnte es sein, so die Befürchtung der Kiosk-Betreiberin, dass sie einen zusätzlichen Mülleimer aufstellen müsste. Nur für Kassenbons. „Das sind natürlich Kosten, vor denen ich Angst habe.“ Das Ausgeben der Bons erscheint vor allem vor dem Hintergrund absurd, dass in Zukunft sämtliche Kassen mit einer technischen Sicherheitseinrichtung versehen werden müssen, um die gespeicherten Vorgänge fälschungssicher zu machen. Das Umrüsten der Kassen wird nach Meinung des Handelsverbands Deutschland mit 300 bis 500 Euro zu Buche schlagen. Eigentlich sollte die Nachrüstung der Kassen bereits Ende 2019 abgeschlossen sein. Allerdings stand im September noch kein einziges System zur Verfügung, dass zertifiziert war. Deshalb hat das Bundesfinanzministerium eine Nachrüstzeit bis September 2020 zugestanden. Die Bon-Pflicht gilt dennoch ab 1. Januar 2020.
Für Unternehmen, die viele Kunden bedienen, wie Friseure, Bäckereien oder eben auch Büdchen, soll es die Möglichkeit geben, sich von der Bon-Pflicht befreien zu lassen. Einen entsprechenden Antrag kann man beim zuständigen Finanzamt stellen. Aber auch hier gibt es einen Haken: Die Befreiung kann nämlich vom Finanzamt jederzeit rückgängig gemacht werden. Manuela Jordan ist ohnehin davon überzeugt, dass die Kassenbon-Pflicht niemanden von etwas abhalten würde: „Das Beispiel der Automobilhersteller hat gezeigt: Wenn man betrügen will, wird man auch so einen Weg finden.“