Stadtverkehr „Das Auto ist fest im Bewusstsein“
Fahrradfahrer ärgern sich über zugeparkte Radwege. Fußgänger fluchen über Zweirad-Rowdys. Und Autofahrer laufen Sturm, wenn die ohnehin schon raren Parkplätze ebenfalls dringend benötigten Fahrradstellplätzen weichen müssen.
Keine Frage, das Thema Verkehr polarisiert wie kaum ein zweites, auch in Düsseldorf.
Wir möchten es in den kommenden Monaten in unserer neuen Reihe "Verkehr-te Welt" aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Am Anfang steht ein Gespräch mit Verkehrsdezernentin Cornelia Zuschke und Umweltdezernentin Helga Stulgies.
Frau Zuschke, in einem Interview, das Sie kurz nach Ihrem Antritt als Verkehrsdezernentin 2016 gaben, sagten Sie Fahrradfahren gehöre noch nicht zu Ihrem Alltag. Wie bewegen Sie sich heute in Düsseldorf fort?
Zuschke: Anlassbezogen wähle ich das für mich in diesem Moment beste Verkehrsmittel. Wochentags zu Terminen ist dies oft der PKW, ich fahre aber auch sehr viel mit dem Fahrrad und gehe gerade im Innenstadtbereich viel zu Fuß. Vor allem am Wochenende lasse ich das Auto stehen und nutze — egal wie das Wetter ist — jeden Weg, um Bewegung zu haben.
Eines Ihrer verkehrspolitischen Ziele war und ist es, das Rad "als alltägliches Verkehrsmittel zu normalisieren". Wie viel Prozent macht er aktuell am Gesamtverkehr in Düsseldorf aus? Wie viel der ÖPNV? Wie viel der Autoverkehr?
Zuschke: Der ÖPNV nimmt 18,7 Prozent ein, Fahrräder 12,4 Prozent und Fußgänger immerhin 28,5 Prozent. Den größten Anteil am Gesamtverkehr hat immer noch das Auto mit 40,5 Prozent. Da ist noch viel Luft nach oben.
In Amsterdam macht der Fahrradverkehr bereits einen Anteil von über 30 Prozent aus. Was kann Düsseldorf von Amsterdam lernen?
Zuschke: In Städten wie Kopenhagen und Amsterdam sind die Weichen für die Fahrradförderung bereits vor 40 Jahren gestellt worden. In Deutschland im Allgemeinen und auch in Düsseldorf im Besonderen war und ist das Auto noch fest im Bewusstsein der Menschen. Grundlage der Weichenstellung waren auch damals bereits viel höhere Radverkehrsanteile als bei uns. Auch heute werden in den großen Fahrradstädten immer noch erhebliche Anstrengungen unternommen, den Radverkehr weiter zu fördern beziehungsweise die Qualität aufrecht zu erhalten. Diesen Vorsprung können wir nicht mal eben in drei bis vier Jahren aufholen und auch die Methoden können wir nicht eins zu eins übernehmen. Dennoch können wir viel lernen.
Und zwar...?
Zuschke: Wir sind deshalb unter anderem in Dänemarks Hauptstadt gewesen und haben im Frühjahr 2018 einen internationalen Fahrradkongress durchgeführt, bei dem zwei Planer aus Kopenhagen mehrere Tage in Düsseldorf waren und mit unseren Gremien und uns Workshops durchführten und die Menschen in der Stadt berieten. Die Problematik der optimalen Fahrradinfrastruktur besteht vorrangig im begrenzten Platzangebot. Jeder Radweg benötigt Platz, für den häufig andere Nutzungen weichen müssen, die allerdings legal oder einfach so etabliert sind. Das ist ein Prozess, der nicht nur Freude und Freunde macht. Aus einer übergeordneten Sicht der umweltgerechten und platzeffizienten Verkehrsabwicklung ist dieser Prozess aber unabdingbar. Für den Einzelnen bedeutet es eine Änderung von Gewohnheiten in den unterschiedlichsten Lebensbereichen und vielleicht auch andere räumliche Verhältnisse. Das erfordert intensive Diskussionen und mühsame Entscheidungen. Düsseldorf hat diesen Weg beschritten und wir gehen sowohl experimentell als auch provisorisch voran — Schritt für Schritt.
In den kommenden beiden Jahren soll das Radhauptwegenetz in Düsseldorf weiter ausgebaut werden. Die Stadt plant 17 Maßnahmen für insgesamt 27,2 Millionen. Welche sind die wichtigsten?
Zuschke: Zahlreiche Maßnahmen wurden in den vergangenen Jahren ja bereits umgesetzt, zum Beispiel an der Friedrichstraße, der Kasernenstraße oder der Kölner Straße. Andere drehen Runden und Schleifen in Bezirksvertretungen, in Ausschüssen, bei Bürgerinformationen oder in Beteiligungen. Selten kann eine Maßnahme einfach so geplant und umgesetzt werden. Die nächsten Haupt-Projekte sind unter anderem die Karlstraße und die Achse Klever Straße/ Jülicher Straße.
Über die Rheinbahn gibt es viele Klagen. An welchen Stellschrauben muss gedreht werden, um mehr Düsseldorfer dazu zu bewegen, auf Bus und Bahn umzusteigen?
Zuschke: Ein gutes, bedarfsorientiertes und verlässliches Angebot ist die Grundvoraussetzung dafür, dass der ÖPNV eine Alternative zum Auto darstellt. Leider ist unser Netz, zum Beispiel das der Stadtbahnen, nicht so umfangreich wie in anderen Großstädten und die Infrastruktur samt Ausstattung nicht ausreichend für extrem engen Takt. Diese Taktverdichtungen bei guten Kapazitäten sind essenziell wichtig für ein attraktives Angebot. Die Metrobusse helfen, sind aber nur ein kleiner Baustein. Wir planen und bereiten den Bau vor für die U81, 1. und 2. Bauabschnitt, vor. Auch hier hat Widerstand zu einer jahrelangen Planverzögerung geführt, nun endlich kann ich den Ausführungs- und Finanzierungsbeschluss für den 1. Bauabschnitt in die Gremien bringen. Hier wünschte ich mir bei allen Projekten mehr Schnelligkeit für mehr Infrastruktur beim so wichtigen ÖPNV, auch für eigene Spurkörper in der Straße, für Ampelumstellungen und so weiter.
Frau Stulgies, lassen Sie uns über die Luftqualität in der Stadt sprechen. Wie steht es um die verkehrsbedingte Schadstoffbelastung in Düsseldorf? Wie haben sich die entsprechenden Werte in den vergangenen 20 Jahren entwickelt?
Stulgies: In den vergangenen 20 Jahren sind Schadstoffbelastungen kontinuierlich gesunken. Dies gilt insbesondere für den Schadstoff Schwefeldioxid aus industriellen Quellen, hier ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Auch für Feinstaub sind in den vergangenen Jahren Verbesserungen erreicht worden. Der seit 2005 gültige Jahresmittelwert von 40 µg/m³ Feinstaub wird an allen Stationen in Düsseldorf unterschritten. Seit 2012 wird auch der Grenzwert für die Überschreitungshäufigkeit von Feinstaub (>50 µg/m³ an 35 Tagen) eingehalten. Für den Schadstoff Stickstoffdioxid sind die Ergebnisse nicht ganz so positiv. An den verkehrlich belasteten Messpunkten wie zum Beispiel Corneliusstraße, Dorotheenstraße und Ludenberger Straße wird der Grenzwert von 40 µg/m³ überschritten. Aber auch hier sind die Werte, wenn auch nicht so deutlich, in den vergangenen Jahren gesunken.
Seit wann wird die Luftqualität in Düsseldorf gemessen? Und wie viele Messstationen gibt es in der Stadt?
Stulgies: Die ersten Luftqualitätsmessungen in Düsseldorf begannen 1984 durch Rastermessungen mittels Messwagen der Stadtwerke im Auftrag der Landeshauptstadt Düsseldorf. Das Land NRW hat ebenfalls im Rahmen des TEMES-Messprogramms, kurz für Telemetrische-Echtzeit-Mehrkomponenten-Erfassungs-System, schon Messungen durchgeführt. In 2018 wurden in Düsseldorf an vier Messorten kontinuierliche Messungen und an sieben Messpunkten sogenannte diskontinuierliche Messungen durchgeführt. Für die kontinuierlichen Messungen mittels Messcontainer zeichnet an der Corneliusstraße und in Lörick das Land NRW und an der Dorotheenstraße und an der Brinckmannstraße die Stadt verantwortlich. In den vergangenen Jahren wurde immer wieder eine Anpassung von Messorten an sich ändernde Anforderungen durchgeführt. Dies lag an Vorgaben der EU sowie einer deutlichen Verlagerung der Belastungsschwerpunkte. So ging die Bedeutung der klassischen Schadstoffe wie Schwefeldioxid aus industriellen Quellen immer weiter zurück, während beispielsweise der Verkehr als Quellgruppe insbesondere hier die Schadstoffe NOx (Stickoxide, Anm. d. Red.) und Feinstaub zunehmende Bedeutung erlangte.
Und wonach wird entschieden, wo die Messstationen aufgestellt werden?
Stulgies: Die Festlegungen der Messorte erfolgt nach den Vorgaben der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung. Es werden möglichst repräsentative Belastungsschwerpunkte erfasst.