Erinnerung an zwei "Stille Helden" aus Oberkassel
September 1944: Die Alliierten haben das Reichsgebiet schon beinah betreten und Deutschland hat den Krieg längst verloren. Da deportieren die Nazis die letzten jüdischen Menschen aus sogenannten Mischehen.
Erna Etscheit ist Jüdin. Durch die Ehe mit ihrem christlichen Mann ist sie vor der Deportation geschützt. Nach dem Tode ihres Mannes erhält sie im September 1944 die Aufforderung, sich im Schlachthof-Gebäude in Derendorf einzufinden. Von dort gehen die Transporte in die Vernichtungslager. In den sicheren Tod.
Der Musikwissenschaftler Dr. Joseph Neyses und seine Frau Hilde, eine ausgebildete Tänzerin, sind mit den Etscheits bekannt. Als Erna Etscheit dem Ehepaar von dem ihr drohenden Schicksal erzählt, überlegen die Neyses nicht lang. Sie nehmen Erna Etscheit bei sich auf und verstecken sie bis zum Kriegsende. Unter Lebensgefahr.
Als ihr Mann in den letzten Kriegsmonaten zum Militärdienst eingezogen wird, flieht Hilde Neyses mit ihren beiden Kindern vor den andauernden Bombenangriffen aufs Land. Erna Etscheit bleibt in der Oberkasseler Wohnung, wo sie bis zur Ankunft der Alliierten von einer Nachbarin versorgt wird. Sie alle überleben.
Klaus Riekenbrauk und Horst Fehmers sind im linksrheinischen Düsseldorf aufgewachsen. Als Riekenbrauk vor ein paar Jahren die Ausstellung eines Berliner Museums besucht, durchstöbert er dort eine Datenbank, in der sogenannte "Stille Helden" aufgeführt sind. Menschen wie Hilde und Joseph Heyses, die mutig handelten und unter Lebensgefahr, aber ohne viel Aufhebens Menschenleben retteten. Das Ehepaar Neyses ist einer von zwei Einträgen für Düsseldorf in dieser Liste.
"Die Geschichte ist im Linksrheinischen überhaupt nicht bekannt", sagt Riekenbrauk. Er und Horst Fehmers, sein Freund aus Kindertagen, wollen das nun ändern. Mit einer Erinnerungstafel am Kaiser-Wilhelm-Ring, in der Nähe des Hauses der Familie Neyses, wo heute noch der Sohn lebt.
Unterstützung gibt es einerseits durch die Bezirksvertretung (BV) 4. "Wir sind an der Aufarbeitung der Geschichte sehr interessiert", sagt Bezirksbürgermeister Rolf Tups. Das Stadtteilparlament unterstützt die Verlegung von Stolpersteinen, hatte zum Holocaust-Gedenktag zu einem Rundgang eingeladen, an dem auch die Schulen beteiligt waren. Mit 1.600 Euro wird die BV auch die Gedenk- und Erinnerungstafel für das Ehepaar Neyses unterstützen. "Das Projekt wird parteiübergreifend von der Bezirksvertretung unterstützt", so Tups. Andererseits ist bei diesem Projekt auch die Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte ein wichtiger Partner. Deren Leiter Bastian Fleermann begrüßt die Idee von Riekenbrauk und Fehmers ausdrücklich. Denn: "Die wichtige Botschaft dieser Erinnerungstafel ist: Etwas unfassbar Mutiges ist in diesem Haus geschehen. Und es leben dort noch Menschen, die am Geschehen beteiligt waren."
Peter Neyses, der Sohn des Ehepaars — erzählt Fleermann — ist regelmäßiger und gerne gesehener Gast in der Mahn- und Gedenkstätte. Er könne sich noch erinnern, wie immer dann, wenn es an der Haustür klingelte, Verstecken gespielt wurde. Denn natürlich war die Angst groß, entdeckt zu werden.
Für die Gedenktafel, die in Pult-Form in der Nähe des Kaiser-Friedrich-Rings 65 aufgestellt werden soll, sind insgesamt 3.200 Euro veranschlagt. Die verbleibenden 1.600 Euro möchten Riekenbrauk und Fehmers gerne durch Spenden finanzieren. "Wir haben uns aber extra nicht an Einrichtungen gewandt. Es soll ein Projekt von Düsseldorfer Bürgern sein!
Am 7. Dezember 1981 erhielten Hilde und Joseph Neyses vom Staat Israel in Yad Vashem den Ehrentitel "Gerechte unter den Völkern". In Düsseldorf wurde dieser Titel bisher nur an drei weitere Personen verliehen.
Wer Spenden möchte, kann sich direkt an die Mahn- und Gedenkstätte unter Telefon: 0211-8996205 wenden.