Corona Impfstoff für die Welt

Prof. Dr. Jörg Timm, Direktor des Instituts für Virologie der Heinrich-Heine Universität, gibt im Gespräch mit dem Düsseldorfer Anzeiger seine Einschätzung zum Thema Impfstoff gegen Corona und die damit verbundenen Hoffnungen.

Die Welt wartet auf den Impfstoff gegen das Corona-Virus.

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Der Beginn der Woche lieferte die Nachricht, auf die - man darf die Redewendung hier wohl zurecht gebrauchen - die ganze Welt wartete:  Ein deutsches Pharmaunternehmen aus Mainz, das an der in diesem Zusammenhang vielsagenden Adresse „An der Goldgrube“ zu Hause ist, vermeldete die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs, der einen mehr als 90prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid 19 biete.

Inzwischen läuft der Aufbau von Impfstrukturen bundesweit auf Hochtouren. Im Interview mit dem Düsseldorfer Anzeiger schätzt der Direktor des Instituts für Virologie der Heinrich-Heine Uni, Prof. Dr. Jörg Timm, für uns ein, wie berechtigt die Hoffnung auf einen Durchbruch bei der Corona-Bekämpfung ist und warum ein Gegenmittel, auch wenn es im vergleichsweise rasenden Tempo entwickelt wurde, trotzdem gut sein kann.

Herr Prof. Dr. Timm, Donald Trump springt im Dreieck, kaum ist er abgewählt, wird der entscheidende Durchbruch bei der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs vermeldet. Wie berechtigt ist die Hoffnung auf eine medizinisch wirksame Waffe gegen das Virus?

Infektions-Epidemiologe Timm - „Das dauert!“

Foto: Uniklinik Düsseldorf

Zunächst einmal wird der angesprochene Impfstoff ja wahrscheinlich nicht der einzige sein, der diese Testphase 3 erfolgreich abschließt. Ob es am Ende das Produkt ist, das sich am Markt durchsetzt, weil es sicher und wirksam ist, wird sich zeigen. Doch die Daten klingen - auch wenn ich derzeit nur die Presseerklärung kenne -  in der Tat vielversprechend. Es ist eine umfangreiche Studie gelaufen und es wird ein Schutz von 90 Prozent angegeben.“

Wie gut sind 90 Prozent?

Nun, es geht noch wirksamer. Reden wir über Hepatitis B, sind wir bei 95 Prozent. Der Masernschutz ist noch ein wenig höher. Aber erst einmal sind 90 Prozent eine sehr gute Zahl. Bei Atemwegserkrankungen wie etwa der Influenza ist der Schutz deutlich schlechter. Und nochmal: Grundsätzlich darf man optimistisch sein, dass auch noch weitere Corona-Impfstoffe diese Werte erreichen.

Hat man dann als Verbraucher die Wahl?

Ich weiß nicht, ob man ganz praktisch die Wahl haben wird. Es dürfte unterschiedliche Möglichkeiten geben. Entweder gibt es eine klare Impfempfehlung für einzelne Produkte, wenn man etwa feststellt, dass bei dem einen Mittel gehäuft Nebenwirkungen bei Jüngeren auftreten und dieses dann eher bei den älteren Risikogruppen eingesetzt werden sollte. Es hängt davon ab, wie es zugelassen ist, auch die Verfügbarkeit spielt eine Rolle. Wir werden kaum in die Situation kommen, dass wir uns im Regal aussuchen könne, welchen Impfstoff wir haben wollen.

Welche Rückschläge oder auch Verzögerungen beim Impfstoff drohen denn grundsätzlich überhaupt noch?

Nun, ich gehe davon aus, dass es bei diesem ersten Produkt aus Mainz zu einer Zulassung kommen wird. Dennoch, auch bei einer großangelegten Teststudie mit 40.000 Patienten - und das ist enorm, bei normalen Medikamenteneinführungen gibt es das in diesen Dimensionen nicht -  kann man nicht sagen, das schwerere Komplikationen nie auftreten. Es kann also schon sein, dass man erst nach sechs Monaten Nebenwirkungen feststellt. Das muss man fortlaufend bewerten und es ist möglich, dass ein Mittel auch nach einer Zulassung wieder vom Markt genommen wird.

Das Tempo bei der Impfstoff-Entwicklung ist vergleichsweise enorm. Was erklärt die Geschwindigkeit? Weltweiter Forscher-Fleiß, Geldmittel, schnellere Genehmigungsverfahren oder letztlich auch die Aussicht auf ein Milliardengeschäft?

Das sind schon die wichtigsten Punkte. Das Interesse ist in der Tat gewaltig. Bei den Wissenschaftlern selbst, um zur Lösung beizutragen, aber sicher auch auf dem kommerziellen Sektor. Es geht darum, Geld zu verdienen. Wichtig aber ist, die klinischen Prüfungen sind nicht wesentlich abgekürzt. Sie erfolgen in drei Phasen, auch hier. Was man aber machen kann - die gerade auch administrativen Abläufe stärker ineinander greifen zu lassen, sie damit zu beschleunigen. Das ist hier der Hauptfaktor! Aber nochmal und wichtig: der Unterton, der manchmal mitschwingt, dass lief jetzt alles so rasch, das ist nicht sicher, ist falsch. Nur weil es schnell geht, ist es nicht schlechter geprüft. Vielmehr lautet die gute Botschaft: Wenn alle an einem Strang ziehen, lassen sich Dinge auch relativ schnell bewegen.

Was sind jetzt die logistischen Herausforderungen, etwa bezüglich Bereitstellung des Impfstoffes und seiner Verteilung?

Man wird die Produktion hochfahren. Das Impfen von möglichst vielen Menschen wird man gut organisieren können. Natürlich muss aber auch eine sinnvolle Reihenfolge bestimmt werden. Da geht es um die Dringlichkeit einer bestimmten Gruppe, die Schutz braucht, aber auch die Bedeutung von Gruppen, für die Verbreitung des Virus’. Da hängt es auch davon ab, wie der Schutz wirkt: Erlebt man eine Ansteckung, kann es weiter geben, erkrankt aber nicht schwer? Oder verhindert eine Impfung eine Infektion komplett?

Wann haben wir Corona entscheidend in den Griff bekommen?

Nun, da kann ich auch nur ein wenig spekulieren. Grundsätzlich dauert das. Man darf nicht die Zeit unterschätzen, bis alle geimpft sind und eine breitere Verfügbarkeit des Impfstoffes gewährleistet ist. Gleichwohl hoffe ich, dass, wenn der sicher noch etwas schwierige Winter vorbei ist, die Infektionszahlen sinken, im Herbst, wenn sie dann wieder steigen sollten, wir aber viele Probleme schon mit einer Impfung lösen können.

Prof. Dr. Jörg Timm ist Facharzt für Mikrobiologie und Infektions-Epidemiologe, leitet das Institut für Virologie der Heine-Uni

(SP)