Der Zeichner Norbert Krümmel im Gespräch „Eine Art Skulptur“
Der Düsseldorfer Norbert Krümmel ist Urban Sketcher. Bedeutet: Er zeichnet im öffentlichen Raum. Das kann am Flughafen sein, in der Kneipe oder im Wald. jetzt! Düsseldorfer Anzeiger am Wochenende zeigt alle paar Wochen eine neue Zeichnung des Architekten und gebürtigen Düsseldorfers.
In diesem Monat hat es Sie zum Zeichnen in den Düsseldorfer Osten verschlagen, nach Gerresheim. Was verbindet Sie mit dem Stadtteil?
Meine Familie mütterlicherseits kommt aus Gerresheim, die haben lange Unter den Eichen gewohnt. Meine Mutter lebt heute noch im Stadtteil, deshalb bin ich natürlich regelmäßig da, um sie zu besuchen. Bei schönem Wetter treffen wir uns auch gerne in unserem Schrebergarten, den haben wir bestimmt schon 20 Jahre. Er liegt direkt gegenüber vom Gerresheimer Waldfriedhof – und kommt ganz ohne Gartenzwerge und Deutschlandfahne aus.
Der Unterschied zwischen dem oberen Gerresheim mit den Villen am Rande des Grafenberger Walds und dem unteren Gerresheim mit seinen Arbeiterhäusern könnte größer kaum sein. Was gefällt Ihnen persönlich besser?
Der untere Bereich, natürlich. Der ist ja geprägt durch seine Industriegeschichte. Durch die Glashütte. Es gab in der Gegend immer eine starke Arbeiterschaft, die sich politisch engagierte. Auch gegen die Nazis. Die DKP konnte in Gerresheim – ähnlich wie in Oberbilk – bei Wahlen immer gute Ergebnisse erzielen. Als meine Mutter ein junge Frau war, galt das Viertel rund um die Glashütte übrigens als regelrecht gefährlich. Wenn man weiter oben wohnte, ging man dort einfach nicht hin.
Die Gegend rund um die Heyestraße ist stark geprägt durch italienische Einwanderer, die seit den 1960er-Jahren kamen, um in der Glashütte zu arbeiten. Entsprechend viele Cafés und Restaurants gibt es dort. Welches davon würden Sie empfehlen?
Ich gehe sehr gerne zu „Mama Lisi“. Das war meines Wissens eins der ersten italienischen Restaurants in Düsseldorf. Heute wird es von den Enkeln der Namensgeberin betrieben und bietet nach wie vor bodenständige italienische Küche ohne viel Chichi. Fast nebenan, an der Nachtigallstraße Ecke Heyestraße, gibt es seit einiger Zeit auch eine neapolitanische Pasticceria. Der Laden ist eine italienische Enklave. Es wird fast ausschließlich italienisch gesprochen. Hier kann man unter anderem Cannoli bekommen, die frittierten italienischen Teigrollen mit Creme-Füllung.
Sie haben dieses Mal den Bunker an der Heyestraße gezeichnet. Viele empfinden den grau-braunen Klotz wohl eher als Schandfleck. Wie sehen Sie das?
Ich sehe das etwas anders. Die Wucht des Kubus beeindruckt mich regelrecht. Jetzt, da der Umbau des Bunkers begonnen hat, hat man aus der hinteren Fassade bereits mehrere große Blöcke ausgeschnitten. Der Beton ist einen Meter dick. Die Steinquader erinnern mich an das alte Ägypten. Ich empfinde das ganze Ensemble eher als eine Art Skulptur.
Der Bunker wurde in den Jahren 1942/43 von französischen Kriegsgefangenen gebaut. Wie wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg genutzt?
Unten war eigentlich immer eine Kneipe oder ein Café drin. Das waren oft ziemlich zwielichtige Läden, in die man sich als normaler Mensch nicht unbedingt rein getraut hat. Zudem gab es Proberäume für Bands und einen italienischen Gemüse-Laden. 2012 schaffte es der Bunker sogar in die Schlagzeilen: Damals entdeckte die Polizei in der sechsten Etage eine riesige Cannabis-Plantage.
Sie haben es bereits erwähnt: Derzeit baut der Investor David Wodtke den Bunker zu einem Wohnprojekt um. 24 Wohnungen sollen dort entstehen. Handelt es sich dabei einmal mehr um hochpreisigen Wohnraum?
Nein. Soweit ich informiert bin, soll preiswerter Wohnraum für Familien mit Kindern entstehen. Auf das Dach werden zusätzlich drei Etagen drauf gesetzt. Von dem Penthouse, das dort entstehen soll, dürfte man einen fantastischen Blick auf den Gerresheimer Wald haben.
Die einst so tristen Fassaden des Bunkers sollen in Zukunft begrünt werden. Das Grau wird also schon bald der Vergangenheit angehören. In Ihrem Sinne?
Grundsätzlich schon. Ich fände es allerdings schade, wenn man nach dem Umbau den Bunker nicht mehr wiedererkennen würde. Wenn man ihn beispielsweise mit futuristischen Baustoffen verkleiden würde. Das wäre für mich eine Kostümierung! Es soll schon der Bunker bleiben.
Zurück zum Stadtteil Gerresheim: Haben Sie dort noch andere Motive zum Zeichnen gefunden?
Ja. Ich habe den Turm auf dem ehemaligen Glashüttengelände gezeichnet. Den wollte ich unbedingt festhalten. Wenn das sogenannte Glasmacherviertel, das auf dem Gelände in den kommenden Jahren entstehen soll, erst einmal fertig ist, wird man die Gegend nämlich vermutlich nicht mehr wiedererkennen.
In dieser Serie bisher erschienen:
#1: Rheinturm
#2: Clube Portugués
#3: Rochuskirche