Opel Astra Die Oberklasse ärgern

"Wir sind extrem optimistisch", sagt Opel-Chef Karl Thomas Neumann Journalisten zu den Chancen des neuen Opel Astra im Markt. Es lägen inzwischen mehr als 30.000 Bestellungen vor, obwohl noch niemand den Wagen gesehen habe.

Den neuen Opel Astra gibt es ab dem 10. Oktober beim Händler.

Foto: ampnet/Opel

Jetzt haben wir ihn nicht nur auf dem Messestand gesehen und rundum fotografiert, sondern auch gefahren. Ein erster Probegalopp führte uns von Wien durch die slowenischen Kleinen Karpaten nach Bratislava, also über Autobahnen und kurvenreiche Landstraßen. Das vorläufige Fazit: Der Optimismus scheint gerechtfertigt.

In Österreich und Slowenien sind Opel Astra keine Exoten, sondern weit verbreitet. Dennoch nahmen Astra-Fahrer dort wenig Notiz vom Neuen. Der neue Astra bleibt eben ein Astra, obwohl sich sein Charakter komplett geändert hat. Geblieben ist die Linie mit dem sanften Schwung über die kurze Motorhaube zur flachen Windschutzscheibe und der elegante Abgang zum runden "Steilheck". Doch Silhouette ist eben nicht alles. Der Astra wirkt weniger mollig, eher drahtig. Über der schwarzen C-Säule scheint das Dach zu schweben, wie es uns schon beim Adam gefallen hat.

Der Astra wirkt nicht nur kompakter, er ist es auch. Die Länge nahm um 49 Millimeter ab, die Höhe um 25 Millimeter. Das geht keineswegs zu Lasten der Insassen. Die können sich über 35 Millimeter mehr Beinfreiheit hinten und 22 Millimeter mehr Kopffreiheit vorn freuen. Das Ergebnis: Dieser Kompakte wirkt innen großzügig.

Bis zu 200 Kilogramm hat Opel beim Gewicht eingespart. 70 kg bei der Rohkarosse, 50 kg beim Fahrwerk, 10 kg beim Motor, 10 kg auch beim Sitzsystem und an vielen Stellen grammweise. Das bleibt nicht ohne Folgen, wenn später an der Tankstelle die Rechnung präsentiert wird. Doch auch davor hat das Konsequenzen aufs Fahrverhalten. Gegen den Neuen wirkt der bisherige Astra fast behäbig. Der Neue erweist sich — egal, mit welchem Motor — als ein flotter Kompakter mit Hang zum straffen Auftritt. Dabei bietet ein Schalter die Wahl zwischen normalem Fahrcharakter und sportlichem. Doch ist die Spreizung nicht so groß und selbst die sportliche Einstellung überfordert die Insassen keineswegs. Der Astra erweist sich als komfortabel ohne wabbelig zu wirken. Nur bei voll beladenem Auto und kurzen Stößen meldet sich die Hinterachse vernehmlich und spürbar.

Für die Motorisierung des Fünftürers bietet Opel nur Motoren der neuesten Generation. Darunter ist auch der Dreizylinder-Turbo 1.0 Ecotec mit 77 kW / 105 PS, der entweder mit Fünf-Gang-Handschaltung oder dem automatisierten Getriebe Easytronic angeboten wird. Mit seinen 170 Newtonmetern (Nm) schon ab 1800 Umdrehungen pro Minute (U/min) bringt der so viel Spurtkraft auf (0 auf 100 km/h in 11,2 Sekunden), dass es niemanden wirklich überraschen würde, sollte dies der neue Standardmotor werden.

Das sieht Opel allerdings anders. Sie billigem dem Kleinen nur 15 Prozent Anteil zu, planen für den Benziner 1.4 Ecotec Direct Injection Turbo mit 92 kW / 125 PS rund 25 Prozent Anteil am Verkauf und dessen stärkerer 110 kW /150 PS-Variante sogar 35 Prozent zu. Und dann sind da noch die drei Leistungsstufen des 1.6 CDTI-Diesels von 70 kW / 95 PS, 81 kW / 110 PS und 100 kW/136 PS, die vermutlich eher im jetzt auf der IAA in Frankfurt erstmals ausgestellten Kombi namens Astra Sports Tourer Karriere machen werden. Wir fuhren jetzt auch den starken Diesel mit seinen 320 Nm. Opel nennt ihn Flüsterdiesel. Wir waren mehr beeindruckt von seiner Durchzugskraft.

Mit den Benzinern erreicht der Astra ein Fahrgeräuschniveau, wie es seinem Anspruch gerecht wird, die Oberklasse ärgern zu wollen. Zu diesem Anspruchsdenken gehört bei Opel seit geraumer Sitz das Versprechen, die besten Sitze anzubieten. Auch beim Astra ist wieder viel von der AGR zu hören, von der Arbeitsgemeinschaft Gesunder Rücken, die richtig geformte Sitze zertifiziert. In seiner einfachsten Form kostet ein Ergonomiesitz 390 Euro Aufpreis. In ihrer besten Form für Fahrer, Beifahrer und zwei Hinterbänkler kostet die Anlage mit Leder, elektropneumatischer Einstellung der Seitenwangen, Ventilation, Sitzheizung, Lordosenstütze und Memoryfunktion für den Fahrersitz zusammen 2300 Euro extra.

Als passend für die Oberklasse erweist sich auch das Intellilux LED Matrix-Licht für einen Aufpreis von 1150 Euro: Das kostet bei anderen das Bi-Xenonlicht, das beim Astra nun zur Serienausstattung gehört. Mit diesem "Matrix"-Licht kann der Fahrer bei Dunkelheit stets mit Fernlicht fahren, weil die Frontkamera Vorausfahrende und Entgegenkommende erkennt und Ihnen einen Streifen Abblendlicht zeigt, während das LED-Fernlicht an ihnen vorbeistrahlt.

Das Matrix-Licht kostet in allen Versionen Aufpreis, die Sitzanlage gibt es nur in den beiden bestausgestatteten Varianten. Die Reihe beginnt beim "Selection" mit einem geplanten Anteil von fünf Prozent, gefolgt von der Ausstattung "Business" mit 15 Prozent, "Edition" mit 30 Prozent, "Dynamic" mit 25 Prozent und "Innovation" mit 25 Prozent. Jeder zweite Astra wird demnach mit Top-Ausstattung gekauft werden. Die Preise beginnen bei 17 260 Euro für den handgeschalteten Selection-Astra mit 1.4-Liter-Benziner. Sie enden bei 28 355 Euro für den Innovation-Astra mit dem starken Diesel und Sechs-Gang-Automatik. Zwischen Selection und Innovation passt Ausstattung für mehr als die 3900 Euro Preisunterschied.

In dieser Differenz stecken auch viele Fahrerassistenzsysteme, wie man sie aus höheren Klassen kennt. So hält die Elektronik den Astra mit Eingriffen in die Lenkung in der Spur. Hinter diesem und anderen Systemen steht die neue Frontkamera, die auch das Fernlicht steuert, Verkehrszeichen erkennt, vor zu dichtem Auffahren warnt und auch selbst eine Notbremsung einleitet, wenn der Fahrer nicht auf die Warnung reagiert.

Am Wochenende, 10. und 11. Oktober 2015, steht der Opel Astra beim Händler. Er ist dann der erste Opel, für den auch der persönliche Online- und Service-Assistent Opel Onstar verfügbar ist. Der holt bei einem Unfall automatisch Hilfe herbei und unterstützt bei allen möglichen Fragen — so ganz ohne elektronische Zwischenstation. Auf Knopfdruck stellt das System Kontakt zu einem richtigen Menschen her, der die gewünschten Dienstleistungen erbringen kann oder einen kennt, der das kann. Damit geht der Astra über das normale technische Maß der Konnektivität hinaus.

Der Mensch am anderen Ende der Mobilfunkverbindung könnte einem Anrufer dann auf Knopfdruck auch sagen, dass am Tag der Astra-Premiere beim Händler auch der neue Astra-Kombi Sports Tourer bestellt werden kann, der ab kommendem Frühjahr ausgeliefert werden soll. Das Marketing meint, in Deutschland werde auch in Zukunft jeder zweite Astra ein Kombi sein, und Neumann kann sich in seinem Messe-Optimismus bestätigt sehen.

(ampnet/Sm)