Humanitärer Einsatz in Indien „Meine Zeit und mein Fachwissen spende ich gerne“

Seit Mai läuft in unserem Stadtteilmagazin unsere Serie „Menschen im Quartier“. In deren Rahmen sprechen wir regelmäßig mit einem Bewohner über seinen Stadtteil. Diesmal haben wir uns mit Dr. Karl Schuhmann aus Oberkassel unterhalten. Der Mediziner ist Chefarzt einer Klinik für Plastische/Ästhetische Chirurgie und Handchirurgie, betreibt zudem eine Privatpraxis in der Carlstadt und reist regelmäßig nach Indien, um dort ehrenamtlich Menschen mit seinem Fachwissen zu helfen.

Dr. Karl Schuhmann.

Foto: Melanie Zanin

Dr. Schuhmann, ein Mal im Jahr reisen Sie nach Bangalore und stellen dort Ihre Expertise als plastischer Chirurg in den Dienst der humanitären Hilfe. Was genau machen Sie dort?

Wir reisen immer in einem Team von zehn Helfern an und gehören alle zur Organisation Interplast, ein gemeinnütziger Verein für Plastische Chirurgie in Ländern der Dritten Welt. Dabei sind in der Regel drei plastische Chirurgen, ein Kieferchirurg, drei Anästhesisten, zwei weitere Ärzte sowie eine OP-Schwester. Wir behandeln beziehungsweise operieren vor Ort hauptsächlich Verbrennungsfolgen, Handfehlbildungen sowie Kiefer- und Gaumenspalten.

Wie sieht das konkret aus?

Wenn wir ankommen, warten rund 300 bis 500 Patienten auf uns. Das ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Bereits am Tag unserer Ankunft schauen wir uns jeden einzelnen von ihnen und ihr Problem an und entscheiden, ob eine Operation oder eine konservative Behandlung sinnvoll ist. Dabei geht es zunächst immer um eine funktionelle Verbesserung, nicht um Ästhetik. Ein Beispiel: Sind Narben, etwa nach Verbrennungen, ungleichmäßig und verursachen Probleme wie die verminderte Beweglichkeit einer Extremität, dann operieren wir und versuchen, die Beweglichkeit wiederherzustellen. Aber sicherlich verbessert man durch funktionelle Eingriffe auch die Ästhetik.

Wie viele Menschen operieren Sie in den beiden Wochen?

Im Schnitt operieren wir von den 300 bis 500 Patienten 120 bis 150. Das ist ziemlich sportlich. Das sind etwa zehn Operationen am Tag. Und das klappt auch nur in diesem Umfang, weil vor Ort alles sehr gut organisiert ist. Bürokratie ist in Indien eher nebensächlich und wir Ärzte können uns auf das Wesentliche, die Medizin und unser Handwerk, konzentrieren.

Indische Krankenhäuser lassen sich doch bestimmt nicht mit dem Standard deutscher Kliniken vergleichen. Wie sieht es mit der Hygiene vor Ort aus?

So schlimm ist es nicht. Die Krankenhäuser dort sind gar nicht mal so schlecht ausgestattet. Sie entsprechen natürlich nicht dem deutschen Standard, aber was die Hygienebedingungen angeht, muss ich sagen, dass wir es immer wieder erleben, dass wir in Indien nach Operationen eine niedrigere Infektionsrate als in Deutschland haben. Mag vielleicht daran liegen, dass die Patienten dort resistenter sind.

Ihr Einsatz ist ehrenamtlich. Werden Sie für den zweiwöchigen Aufenthalt in Indien von Ihrer Tätigkeit als Klinik-Chefarzt freigestellt?

Ich und auch alle anderen Mediziner und Helfer nutzen die eigenen Urlaubstage für diesen Hilfseinsatz.

Sie waren bereits sieben Mal in Bangalore im Einsatz. Warum fahren Sie immer wieder an denselben Ort?

Wir fahren nahezu immer im selben Team dort hin. Wir kennen uns alle schon sehr lange und sind eine eingespielte Mannschaft. Dadurch arbeiten wir sehr effektiv zusammen und davon profitieren wiederum die Patienten vor Ort.

Warum machen Sie das? Sie könnten Ihren Urlaub doch auch schön hier in Düsseldorf am Rhein verbringen, statt den ganzen Tag in Indien zu operieren?

Ich sitze auch gerne am Rhein, aber das kann ich ja auch nach Feierabend in den übrigen Wochen des Jahres machen. Jeder Mensch kann irgendetwas. Sei es Kindern gut vorlesen, älteren Nachbarn bei Reparaturen helfen oder eben operieren. Ich sehe meinen Einsatz für die Menschen in Indien als eine Art Spende an. Und meiner Meinung nach ist dies die effektivste Weise zu spenden – die Hilfe kommt direkt beim Betroffenen an. Ich spende also meine Zeit und mein Können.

Gibt es ein Schicksal oder ein Erlebnis aus Indien, das Sie besonders berührt?

Im Grunde ist der gesamte Einsatz sehr berührend. Viele unserer Patienten sind noch sehr jung. Sie kommen aus umliegenden Dörfern, haben Angst und Schmerzen, treffen auf uns Fremde. Sobald sie merken, dass wir da sind, um ihnen zu helfen, lockert sich das Verhältnis. Ich operierte mal ein Mädchen, das durch ihre vielen Brandnarben die Arme kaum bewegen konnte. Nach der erfolgreichen Op konnte sie ihre Arme wieder strecken und strahlte vor Freude darüber übers ganze Gesicht. Das ist doch einfach toll!

Ein Selfie mit dem Doc aus Freude über die Hilfe: Immer wieder wünschen sich Patienten nach der Behandlung noch ein gemeinsames Foto mit Dr. Karl Schuhmann.

Foto: Karl Schuhmann

Sie wohnen in Oberkassel, was hat Sie eigentlich dorthin verschlagen?

Ursprünglich komme ich aus Nordhorn. Es hat sich einfach ergeben, dass ich durch meinen beruflichen Werdegang in Düsseldorf und so in Oberkassel gelandet bin.

Wie würden Sie einem Auswärtigen, der keine Idee von Düsseldorf hat, ihren Stadtteil beschreiben?

Oberkassel ist ein Stadtteil mit Flair, kleineren inhabergeführten Geschäften und einer sehr guten Infrastruktur. Wie ein Kiez, in dem man alles hat, was man benötigt. Obwohl Düsseldorf eine Großstadt ist, merkt man hier nichts davon. Hier gibt es keine Hektik und die Leute sind freundlich. Alles ist klein und nett gehalten – wie eine Art Puppenstadt.

An welchem Ort finden Sie nach einem anstrengenden Arbeitstag Ruhe?

Ich sitze gerne draußen an der frischen Luft. Besonders schön ist das am Barbarossaplatz. Wenn dann noch die Sonne scheint und die Temperaturen mild sind, hat das fast schon einen mediterranen Hauch.

Wofür müssen Sie auf jeden Fall aufs Festland, also auf die andere Rheinseite, fahren?

Für meine Praxis auf der Haroldstraße und für meinen Job als Chefarzt in der Augusta Klinik Bochum Hattingen fahre ich gerne auf`s „Festland“. Auch hier möchte ich meine über 25-jährige Berufserfahrung als Plastischer Chirurg und Handchirurg den Menschen zur Verfügung stellen. Plastische Chirurgie ist für mich wesentlich mehr als reine Schönheitschirurgie. Mir ist es wichtig, die Patienten, die zu mir kommen, individuell zu beraten und gemeinsam zu schauen, was machbar und sinnvoll ist. Nur so kann ich dann mit dem Patienten entscheiden, welchen Weg wir gemeinsam gehen, um das bestmögliche Behandlungsergebnis zu erzielen. Wenn die Patienten glücklich und zufrieden mit den Veränderungen sind, macht mich das auch glücklich. Das ist das tolle an meinem Beruf!