Herr Dr. Prenzel, in Ihrem Buch beschäftigen Sie sich mit Fake News, also Unwahrheiten, die insbesondere in der jüngsten Vergangenheit in digitalen Medien für Hysterie sorgen. Was ist das Gefährliche an Fake News?
Moderne Lügen Dr. Thorben Prenzel über Fake News und ihre Wirkung
Fake News sind ein aktuelles Thema. Wörtlich übersetzt bezeichnet der Begriff nichts anderes als gefälschte Nachrichten. Die zu fälschen ist zwar nicht neu, die aktuelle Art der medialen und insbesondere digitalen Verbreitung nimmt jedoch eine neue Dimension an. Dr. Thorben Prenzel informiert in seinem Buch „Fake News – Moderne Lügen entlarven und entspannt reagieren“ über die Entstehung der modernen Lügen, wie man diese erkennen und mit ihnen umgehen kann. Wir haben mit ihm gesprochen.
Ich erzähle dazu gerne eine fiktive Geschichte: Trump und Kim Jong Un verhandeln über die Abrüstung des Waffenarsenals Nordkoreas. Die Verhandlungen stocken, währenddessen wird der Twitter-Account von Trump gehackt. Die Hacker verbreiten Schmähungen gegenüber Nordkorea und kündigen einen Präventivschlag an. Nordkorea droht über seine Medien eine Atomrakete auf Amerika abzufeuern – die weitere Entwicklung kann sich jeder ausmalen. Und das ist das Gefährliche an Fake News: Sie sind schnell, nicht überprüfbar und neue technische Möglichkeiten bieten neue Gefahren. Allgemeiner gesprochen liegt die Gefährlichkeit darin, dass unsere Gesellschaft als Ganzes betroffen ist. Derzeit erleben wir den Aufstieg der Populisten in Europa. Fake News und verfälschte Wahrheiten sind ein wichtiges Mittel dieser Menschen. Sie wollen Emotionen schüren, Wut entfachen, denn dann denken die Massen nicht mehr nach und wählen auch Personen, von denen sie wissen, dass es langfristig nicht gut ausgehen kann. Es wird spannend sein zu beobachten, ob da ein Strohfeuer entzündet wird oder ob wir in einen langfristigen Prozess eintreten. Ich befürchte aber, dass uns das Thema die nächsten Jahre noch intensiv beschäftigen wird.
Wie empfänglich sind Menschen tatsächlich für derartige Nachrichten?
Zuerst einmal gilt, dass Fake News eigentlich gar nicht so neu sind. Früher hieß das Propaganda. Auf meiner Seite gegen-fake-news.de zeige ich Fake News aus den letzten 120 Jahren deutscher Zeitgeschichte. Man kann schön sehen, wie die schon immer von interessierten Kreisen lanciert wurden. Mit den modernen Medien haben Fake News aber eine neue Dimension erreicht: schneller, einfacher und direkter. Nie war es so leicht, Lügen in die Welt zu setzen und ein breites Publikum zu erreichen. Und hier darf man die Wirkungen nicht unterschätzen. Fake News funktionieren bei uns allen. Wir glauben gerne Dinge, die sich gut anhören. Eine gute Geschichte ist uns allemal lieber als eine trockene Erzählung. Und genau dieses Interesse bedienen die modernen Medien. Es werden Geschichten erzählt, die reißerisch, sensationell oder skandalös sind. Das spricht uns an, das lenkt unsere Aufmerksamkeit. Online ist das am einfachsten. Und irgendwas bleibt immer hängen, schon Martin Luther wusste das: „Eine Lüge ist wie ein Schneeball, je länger man ihn rollt, desto größer wird er.“ Wissenschaftlich nennen wir das übrigens Verfügbarkeitsheuristik, je öfter wir etwas hören, desto einfacher können wir es uns ins Gedächtnis zurückholen. Deshalb hilft es auch wenig, immer wieder die Lüge zu widerlegen. Im Endeffekt verankere ich diese damit nur beim Gegenüber. Ein Teufelskreis.
„Lauter“ scheint heute das neue „Richtig“ zu sein. Leider erhalten, so scheint es, heute die die größte Aufmerksamkeit, die Fake News verbreiten und nicht die, die Fakten beibringen. Wie kann man sich davor schützen?
Die meisten Fake News sind leicht zu enttarnen. Mit ein bisschen Nachdenken kommt man schnell von alleine drauf. Wichtig ist vor allem, sich kurz die Zeit zu nehmen und selber zu überlegen, was hinter einer Nachricht stecken könnte. Wenn die innere Stimme sagt „Das kann doch nicht wahr sein“, dann liegt sie in der Regel richtig. Interessanter ist es, wenn man auf die Verbreiter von Fake News trifft. Oberste Regel: Es geht in den meisten Fälle gar nicht um den Fake an sich, sondern diese Menschen wollen damit ein Weltbild bestätigt sehen. Deshalb kann es gar keine einfachen Antworten geben. Man muss diese Menschen ernst nehmen mit all ihren Emotionen. Das kann ein schwieriger und langwieriger Prozess werden. Aber diese Mühe müssen wir uns alle machen.