Interview mit dem Fotografen und Szene-Chronisten Richard Gleim „Nette, kleine Stadt“
Richard Gleim gilt als Dokumentar der städtischen Szene. Seit Jahrzehnten hält er mit seiner Kamera fest, was in Düsseldorf passiert. Kurz vor Weihnachten ist sein Bildband "ZK — Die Toten Hosen. Die frühen Jahre 1980—1983" erschienen.
Herr Gleim, Sie haben Fotos von ZK und den Toten Hosen aus den Achtziger Jahren im PostPost ausgestellt. Wie war die Resonanz auf die Ausstellung?
Diese Ausstellung ging von der Größenordnung her weit über das hinaus, was mir an sich zusteht. Über 100 Meter laufende Wand und Hallen von insgesamt 800 Quadratmetern Größe, das ist schon gigantisch. Erfreulicherweise war der Zuspruch dementsprechend. Etwa 2.500 Besucher sind schon ein Pfund. Resümee: Die Ausstellung war ein voller Erfolg. Die Besucher waren begeistert. Mehrmals fiel der Ausdrdruck Gänsehaut. Es kam also etwas rüber. Und das nicht nur da, wo man sich selbst auf einem der Bilder wiederfand, und nicht nur bei denen, die damals dabei waren, sondern auch bei jüngeren Besuchern, deren spontane Äußerungen für mich hochinteressant und teilweise verblüffend waren.
Campino und Andi sind auch vorbeigekommen. Wie fanden die beiden die Aufnahmen und wie war der Austausch mit ihnen?
Nicht nur Campino und Andi, sondern auch Breiti, Kuddel und Patrick Orth waren da. Alle waren sehr nett. Das sind sie nun mal. Sie ergingen sich auch nicht in leeren Lobhudeleien. Sie waren, das kann ich wohl sagen, beeindruckt. Campino hat ein Lieblingsbild gefunden. "Ein toller Schuss", meinte er. Es war eines der supergroßen Bilder. Ich selbst habe die Fotos ja auch erst dort in der Größe gesehen. Es war ein Traum von mir, die Bilder in der, wie ich meine, ihnen angemessenen Größe zu sehen. Ich war verblüfft, wie detailreich sich Campino an jeden der einzelnen Auftritte erinnern konnte und sie aus seiner Sicht kommentierte. Es war erfreulich erfrischend, mit den Jungs zu plaudern.
Mittlerweile ist auch ein Bildband mit den besagten, über 30 Jahre alten Fotos erschienen. Wie ist der Verkauf angelaufen? Konnten Sie das Weihnachtsgeschäft noch mitnehmen?
Das Buch kam etwas spät, um es als Weihnachtspräsent zu klassifizieren. Es wiegt aber auch mehr, als nur ein Päckchen unterm Weihnachtsbaum zu sein. Es zu kaufen, lohnt auch noch in drei Jahren.
Sind Sie eigentlich gebürtiger Düsseldorfer?
Ich wurde in Düsseldorf geboren, ja. Zwischendurch war ich mal da und mal dort. Jetzt seit langem wieder im Dorf. Fühle mich ganz wohl hier. Düsseldorf ist eine kleine, übersichtliche Stadt mit allem, was an sich eine Großstadt ausmacht und einem ganz eigenen Geist, der allerdings in letzter Zeit sehr von einem unseligen Verwaltungsgeist bedrängt ist. Lebte ich nicht hier, entschiede ich mich in Deutschland für Hamburg und europaweit für Dublin oder Athen.
Sie werden im Ausland nach Ihrer Heimatstadt gefragt. Wie würden Sie Düsseldorf in einem Satz beschreiben?
Eine nette kleine Stadt mit vielen Möglichkeiten, klein genug, um über den Tellerrand zu schauen.
Welche drei Plätze hier in der Stadt würden Sie einem Ortsfremden zeigen, wenn Sie mit der Stadt angeben möchten?
Ich vermeide es tunlichst, mit der Stadt anzugeben. Ich würde meinen Besuch eher treiben lassen, viel Bus und Bahn fahren, in einem Café landen, auf einer Bank der Rheinpromenade Fluss und Leute gucken und plaudern. Und das Uerige würde ich nicht auslassen.
Wo findet man das lebende Düsseldorf-Klischee?
Klischees bilden sich in den Köpfen von Menschen, die Düsseldorf kaum kennen oder etwas vom Hörensagen weitergeben. Hervorstechend der fassadenhafte Glanz der Kö.
Und wo sieht die Stadt so gar nicht nach Düsseldorf aus?
Nahezu überall außerhalb der Innenstadt und der Altstadt. Düsseldorf liegt am Niederrhein, sumpfiges Gebiet mit einer reichen Flora und Fauna. Das wissen nicht mal die Düsseldorfer. Aber das prägt die Stadt und ist überall zu sehen und zu spüren.
Welches abgerissene Bauwerk hätte auf jeden Fall gerettet werden sollen?
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir beim Abriss eines Gebäudes das Blut stockte. Ich sehe aber etliche, auch neue Gebäude, die ich sofort zum Abriss freigeben würde.
Mich schmerzt eher, dass immer mehr Brachflächen bebaut und deren Böden versiegelt werden, ohne dass Ersatz geschaffen wird. Es wird noch zu viel in die Breite gebaut, anstatt bei dem begrenzten Platz, den die Stadt nun mal hat, in die Höhe zu bauen und so Platz für Bäume zu retten.
Was halten Sie von dem neuen Düsseldorf-Slogan "Nähe trifft Freiheit"?
Der Satz begegnet mir hier zum ersten Mal. So was kann nur aus dem Hirn eines Politikers rinnen. Leeres Gesäusel, ohne Sinn und Verstand.
Welcher wäre Ihres Erachtens treffender?
Ich mag keine Slogans. Sie sind immer einengend und haben so was Gehorsam forderndes. Unter dieser Fahne sollt ihr euch versammeln... Bullshit!
Ich mag elaborierte Texte und vor allem Gespräche mit Leuten mit unterschiedlichen Erfahrungen, unterschiedlichem Wissen und konträren Meinungen.
Welcher Stadtteil ist ein blinder Fleck auf Ihrem Düsseldorf-Stadtplan?
Garath.
Im Februar ist Karneval. Was können Sie der fünften Jahreszeit abgewinnen?
An sich finde ich Karneval toll. Ausnahmezustand. In eine sonst nicht geäußerte Rolle schlüpfen. Kopfüber vertraute Muster zerstören. Der real existierende Karneval lässt mich allerdings aufheulend fliehen.
Ein Grund aus Düsseldorf wegzuziehen?
Im Moment keiner.
Und wenn doch, wohin würden Sie dann gehen?
Die Welt ist groß und interessant. Leider ist das Reisen sehr teuer. Deshalb bleibt es bei Düsseldorf. Hier kommt ein Teil der Welt ja zu mir.
!Der Bildband "ZK — Die Toten Hosen. Die frühen Jahre 1980—1983" ist bei Fanpro erschienen und kostet 29,90 Euro