OB Thomas Geisel wird wegen Skandal-Rapper-Video gedisst Die Grenzen der Moral
Es ist eine Art Battle Rap der Düsseldorfer Politik: Weil Oberbürgermeister Thomas Geisel mit Hilfe einer städtischen Video-Botschaft unter Mitwirkung des umstrittenen Düsseldorfer Rappers Farid Bang versucht, uneinsichtige Altstadt-Halbstarke zur Corona-Räson zu bringen, prasseln massiv kritische Sprüche auf das Stadtoberhaupt ein.
Grünen-OB-Kandidat Stefan Engstfeld disst: „Farid Bang hat sich mehr als einmal in seinen Songtexten antisemitisch, frauenfeindlich und gewaltverherrlichend gezeigt. Dass so jemand bei der Stadt eine Plattform als ‚offizieller Botschafter’ erhält, ist beschämend.“
Für CDU-Fraktionschef Rolf Tups hat Geisel „eine moralische Grenze überschritten. Die verfehlten und menschenfeindlichen Aussagen des Künstlers in einzelnen seiner Songs passen nicht zu einem weltoffenen, toleranten und freiheitlichen Düsseldorf, zu dem sich auch der Oberbürgermeister stets bekennt.“
Geisel indes schlägt auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz und via Facebook zurück...
„Wir alle reden gerne von Vielfalt, sozialem Zusammenhalt und vom Miteinander in einer multikulturellen Stadtgesellschaft“, so der Oberbürgermeister. Wer sich Freitag- oder Samstagnacht am Rheinufer und in der Altstadt aufhalte, spüre sehr schnell, dass die Realität anders aussehe und dass es sich auch nicht nur um ein Infektionsproblem vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie handele. „In erster Linie geht es vielmehr um das Problem offensichtlich nicht gelungener Integration von jungen Männern überwiegend nordafrikanischer Herkunft, die meinen, sich an keine Regeln halten zu müssen.“ Eine „Law and Order“ und „Zero Tolerance“-Politik zeige erfahrungsgemäß keine sonderliche Wirkung. Geisel: „Im Gegenteil: Immer häufiger eskaliert die Situation, wie sich zuletzt etwa in Stuttgart und Frankfurt gezeigt hat.“ Mindestens ebenso beunruhigend sei, „dass sich hier offenbar eine Parallelgesellschaft entwickelt, die von den etablierten politischen Strukturen praktisch nicht mehr erreicht wird.“ Aus diesem Grunde habe er Farid Bang angesprochen, hier zu unterstützen. „Er ist für viele dieser Jugendlichen ein Role Model, ganz egal, ob uns seine Musik, seine Texte und seine Anschauungen nun gefallen oder nicht. Und seine Botschaft in dem Video ist klar: Haltet euch an die Regeln, nehmt Rücksicht und habt Respekt vor den Ordnungskräften.“
Farid Bang, bürgerlich Farid Hamed El Abdellaoui, wurde 1986 in der spanischen Exklave Mellila an der Grenze zu Marokko geboren. Er wuchs vom Kleinkindalter an in Düsseldorf auf. Mit 19 begann er mit dem Rappen. Die lange bereits schwelenden Vorwürfe hinsichtlich seiner frauenverachtenden und antisemitischen Texte erreichten ihren bundesweiten Höhepunkt bei der Verleihung des „ECHO“ 2018. Zusammen mit dem Branchen-Kolegen Kollegah hatte Bang im Song „08/15“ die Zeile „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen“ verfasst. Tote Hosen-Frontmann Campino hatte seinerzeit das Mikrofon ergriffen und live während der Sendung protestiert: „Für mich persönlich ist die Grenze der Provokation überschritten, wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme, antisemitische Beleidigung geht und auch die Diskriminierung jeder anderen Religionsform.“ Die Angesprochenen im Saal feixten vor sich hin, der Musikpreis wurde in den folgenden Tagen zu Grabe getragen, auch weil der Echo-Beirat auf die künstlerische Freiheit verwiesen hatte und sich gegen eine Ausschlussempfehlung der beiden Rapper entschieden hatte.
Es gibt Musiker mit weitaus positiverem Leumund, doch OB Geisel will Besserung erkannt haben. „Natürlich halte ich manche Aussagen von ihm für widerwärtig, doch wer sich mit ihm unterhält, merkt schnell, dass er sehr wohl in der Lage ist, manches, was ihm heute – wie ich finde zurecht – zum Vorwurf gemacht wird, kritisch zu reflektieren.“ Er nehme ihm seine Kursänderung, Farid Bang hatte u.a. die Gedenkstätte in Auschwitz besucht, ab.
Gleichwohl hatte die Stadt offenbar bei der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf vorfühlen wollen, wie diese zum Bang-Einsatz stehen würde. Der Vorstoß geriet zum Kommunikations-Desaster. Nachdem ein Sprecher der Stadt zunächst verkündet hatte, dass es keine Einwände seitens der Gemeinde geben würde, meldete sich eben jene erstaunt zu Wort: „Ich kann bestätigen, dass weder eine schriftliche noch eine mündliche Anfrage der Stadt Düsseldorf über ein Video der Stadt mit dem Rapper Farid Bang bei uns eingegangen ist.“, zitierte Zeev Reichard, Referent für Öffentlichkeitsarbeit, seinen seit April im Amt befindlichen Gemeindedirektor Michael Rubinstein. Man verstehe selbstverständlich die Bedeutung einer zielgerichteten Ansprache bestimmter Zielgruppen, insbesondere aktuell beim Thema Corona-Virus. „Eine Vorbildfunktion von Farid Bang in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund seiner Texte und Aussagen kann und muss jedoch sicherlich kontrovers diskutiert werden.“ Und schließlich: „Hinsichtlich der bevorstehenden Kommunalwahl ist es aus unserer Sicht mehr als unglücklich, gerade in diesem Zusammenhang fälschlicherweise zitiert zu werden.“ Die Stadt entschuldigte den Fauxpas mit einem Missverständnis.