Wie die Sau zur Bande kam
"Irmchen" Deutmarg weiß alles über die Erfinder des Veedelszochs
Irmgard Deutmarg kann man stundenlang zuhören. Wenn sie die Geschichte des Veedelszochs von den 1970er-Jahren bis heute vor einem ausbreitet, steigen Bilder aus der Vergangenheit Gerresheims empor, die viel mit einer verschworenen Gemeinschaft zu tun haben, mit engagierten Düsseldorfer Bürgern, denen ihre Stadt am Herzen liegt und das auch noch humorvoll zum Besten geben. Zusammen mit dem neuen Vorsitzenden der "Saubande", Stefan Pitzer, hatte der "Gerresheimer" die Gelegenheit, in "Irmchens" Refugium an der Karlsbader Straße eine Zeitreise anzutreten, deren Stationen sie mustergültig vorbereitet hatte, zusammen mit Karl Krause, einem der letzten verbliebenen Mitstreiter vom Anfang der bunten Karnevalsumzüge im Viertel. Einen kleinen Stapel von Papierabzügen legt Irmgard Deutmarg vor sich hin, betrachtet das oberste Bild und fängt schon an zu glucksen. Zu jeder Fotografie fallen ihr Anekdoten und Anekdötchen ein. Den Start bildet ein Schwarzweiß-Foto. "Das links sind die Werners, Wilma und Siegfried, dann kommt Ulla Krause, dann der Otto Hanten.... der gehörte aber nicht dazu... dann mein Mann Wilfried, ich, der Theo Kämmerling und schließlich Karl Krause." Karl Krause war es wohl auch, der gewollt oder unabsichtlich auf den Namen traf, der dem Unterfangen bis heute anhaftet. "Wir versammelten uns jeden Sonntag im Jägerhof und eines Tags gab es eine Urlaubskarte von den Krauses, die so anfing: 'Ihr Saubande!'" Dabei waren alle Beteiligten in Familien von Unternehmern beheimatet, aber der Titel gefiel und blieb. Fortan organisierte die "Saubande" den Veedelszoch.
Eines der großen Projekte in Gerresheim im ausgehenden 20. Jahrhundert war die Verlegung der Straßenbahn aus dem Zentrum in den Wallgraben. Welcher Karnevalist hätte diese wegweisende Neuordnung nach Jahrzehnten des Hin und Hers nicht aufs Korn genommen. "Also haben wir unseren eigenen Wagen wie eine 703 aufgemacht, ich habe mir sogar noch bei der Rheinbahn eine alte Fußklingel ausgeliehen und los ging's." Die alternative Szene im Wallgraben, die damals dort noch Wohnraum fand, waren nicht so begeistert, weder von der neuen Straßenbahntrasse noch von den Jecken.
Das war 1989. Schon Jahre vorher hatte sich die Saubande gefragt, warum haben wir eigentlich kein Reiterkorps? Gesagt, getan, Jacken und Hosen wurden geschneidert und letztlich das "Omazonen-Korps" gegründet. "In der 'Isa' hängt noch ein Bild aus diesen Tagen." Das große Thema in einem anderen Jahr: Der 36-Millionen-Betrug bei der Metro. "Da haben wir unseren Karnevalswagen als Selbstbedienungsladen ausstaffiert - das war eine Riesensache." Muss wohl, denn die Augen des heutigen Vorsitzenden Stefan Pitzer fangen an zu leuchten; er hat den Zoch von Kindesbeinen an verfolgt, "daran kann ich mich noch erinnern."
Ein anderes Mal war die Aufgabe des Schwimmbads an der Märkischen Straße in den Fokus der Jecken geraten. "Wir haben unseren Wagen als große Badewanne gestaltet, und die Leute schmissen sich weg vor Lachen."
Gefeixt haben die Jecken am Straßenrand auch, als die "Saubande" selbstbewusst auf die 1100-jährige Geschichte Gerresheims verwies und Düsseldorf im Kinderwagen spazieren fuhr, weil die große Landeshauptstadt erst Jahre später ihr 700-jähriges Bestehen feiern konnte. - Irgendwann war die Attraktivität des Zugs so stark, dass auch die Gerresheimer Bürgerwehr darüber nachzudenken begann mitzufahren. Beim "Addi" sagte dann der damalige Vorsitzende, Uli Fernholz, die bedeutungsschwangeren Worte, "im nächsten Jahr sind wir dabei."
Gab es eigentlich nie Ärger, Verzögerungen, Probleme beim Veedelszoch? Irmgard Deutmarg denkt nach. "Nein, nie." Der Hauptteil der ganzen Arbeit hat immer Spaß gemacht. "Sicher, mussten wir ab und zu eine Nachtschicht einlegen, aber mit dem richtigen Getränk..... - lässt sich das alles bewerkstelligen." Komplett wurde das Glück, "wenn die Leute beim Zoch dann auch noch verstanden haben, worum es uns ging, als wir den Wagen bauten." Egal, ob sie es taten oder nicht, Irmgard Deutmarg wunderte sich jedes Mal: "Wie viele Leute man kennt! Das ist schöner als beim großen Rosenmontagszug." In diesem Jahr wird für sie alles anders sein. Vor kurzem ist ihr Mann Wilfried gestorben. "Ich habe lange überlegt und wollte mich eigentlich zu Hause verkriechen." Doch schließlich gab das Angebot von Claudia von Rappard aus der Bezirksverwaltungsstelle den Ausschlag, am Karnevalssonntag ins Rathaus zu kommen. "Diese Einladung werde ich annehmen." Irmgard Deutmarg sieht dann die 43. Ausgabe des Zochs.