„Keine Freakshow“ Heinz Strunk über Hass, Leid, Liebe und RTL 2
Heinz Strunk ist in aller Munde — als Autor ("Fleisch ist mein Gemüse"), Musiker (Fraktus) und Comedian (Studio Braun). Sein Frauenmörder-Tatsachenroman "Der Goldene Handschuh" wird gerade von Starregisseur Fatih Akin verfilmt und Strunk selbst ist für den Deutschen Schauspielerpreis 2018 nominiert.
Mit dem Kurzgeschichtenband "Das Teemännchen" entführt der Hamburger seine Leser jetzt in eine trostlose Welt mit grenzenlos einsamen Menschen, die dennoch voller Hoffnung und kurioser Komik ist. Olaf Neumann sprach mit Heinz Strunk alias Mathias Halfpape (56).
"Wo einst Liebe war, ist heute Hass", heißt es in Ihrem aktuellen Buch "Das Teemännchen". Was interessiert Sie als Autor an Paaren, die zwischen Liebe und Hass pendeln?
Für einen Autor ist es deutlich interessanter, sich mit gebrochenen Biografien zu beschäftigen, als mit der Welt der Reichen, Schönen und Glücklichen.
Ihre Geschichten drehen sich um Alkoholiker, Drogensüchtige, psychisch Kranke, Deformierte, Unglücksraben.
Das gerade nicht! Mir wird gelegentlich vorgeworfen, ich würde eine Freakshow inszenieren. Tatsächlich gibt es von mir nur wenige Geschichten, die wirklich vom Prekariat handeln. Ich finde, man sollte das nicht RTL2 überlassen. Die meisten der sozialrealistischen Geschichten in "Das Teemännchen" behandeln unspektakuläre Biografien, die unterhalb jeder Beobachtung liegen. Die meisten Menschen machen keine Karriere, sondern sie haben Werdegänge.
Ist Ausharren im Leid attraktiver als Freiheit?
Der Mensch neigt dazu, eine schwierige Situation eher auszuhalten, als den Befreiungsschlag zu wagen. Weil immer die Befürchtung besteht, dass eine Veränderung eine Verschlechterung bedeutet. In einer Geschichte aus dem "Teemännchen" versauert eine Frau in einem Imbiss. Irgendwann sind die Verhältnisse so zementiert, dass kein Befreiungsschlag mehr möglich ist.
Wie recherchieren Sie für Ihre Geschichten?
Ich bin relativ häufig auf Autobahnraststätten. Dort habe ich ein richtig fettes Paar beobachtet, das seltsamerweise aussah wie Bruder und Schwester. Die haben sich eine Riesencurrywurst besorgt und sind sofort an den Spielautomaten gegangen. Aus dieser Beobachtung habe ich dann eine Kurzgeschichte gemacht.
Sie lassen Ihre skurrilen Figuren zum Teil furchtbar leiden. Liegt im Leid auch die Hoffnung auf eine bessere Welt?
Die Hoffnung auf eine bessere Welt habe ich schon lange aufgegeben aufgrund meiner persönlichen Erfahrung. Es gibt ja den schönen Schlager "Über sieben Brücken musst du gehen". Aber es können Leute auch über 700 Brücken gehen und es wartet am Ende doch nicht der helle Schein auf sie. Die Vorstellung der Schicksalsgerechtigkeit erfüllt sich aus meiner Beobachtung heraus nicht.
Gemessen an Ihrem Erfolg hätten Sie allen Grund, völlig durchzudrehen. Was hält Sie am Boden?
Sowas passiert einem eher in jungen Jahren. Wenn mir 1983 mit 21 Jahren auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle etwas widerfahren wäre, hätte mich das emotional viel mehr ergriffen als heute. Die Auftritte, die ich damals gemacht habe, hatten für mich eine viel größere Bedeutung als wenn ich jetzt das Schauspielhaus ausverkaufe. Ich bin immer noch angemessen aufgeregt, aber es kickt mich nicht mehr so. Ich bin zu alt, um durchzudrehen.
Zurück zum Eingangs-Zitat. In Deutschland entlädt sich der Hass immer öfter auf den Straßen. Wie erklären Sie sich diese Hassbereitschaft?
Mir ist unbegreiflich, wie man im Jahre 2018 Faschist sein kann.
!17.9., 20 Uhr, Lesung, zakk, Fichtenstr. 40, Düsseldorf, "Das Teemännchen" ist im Rowohlt Verlag erschienen.