Geburt und Aus einer Entenfamilie Unhappy End
Lutz Mehlhorn wohnt in Unterbilk. Mitte Mai entdeckte er eine Wildente versteckt brütend auf der Efeu umrankten Mauer seines alten Hauses am Jürgensplatz. Seine kleine Geschichte beginnt...
Anfang Juni ist es dann soweit, es schlüpfen zwei junge Enten, angeführt von einer erfahrenen Wildente. Mehlhorn erinnert sich an „große Emotionen im Wohnumfeld, als die einige Stunden alten Küken auf das Nachbargrundstück purzelten.“ Die seien zwischen Euphorie über die neuen Mitbewohner bis hin zu fast hysterischer Ablehnung gependelt, weil die Enten schon der Hygiene wegen weg müssten.
Nach einigen Gesprächen, so Lutz Mehlhorn, gelang es dann doch, Konsens über das Verbleiben der Enten zu erreichen - zumindest nach außen hin, wie er hinzufügt. Der Funke sei teilweise sogar in Eigeninitiative über gesprungen - Kauf eines größeren Beckens für ausreichend Wasser, Anschaffung einer Sprossenleiter für artgerechten Zugang. „Als größter Fürsprecher der Enten übernahm ich die tägliche Fütterung und Versorgung mit frischem Wasser“, schreibt der Unterbilker.
Durch das Ereignis entwickelten sich Nachbarschaftsgespräche einer neuen Qualität. Mehlhorn: „Man lernte mehr über einige Menschen kennen, denen man schon seit über 20 Jahren begegnet, aber dennoch wenig voneinander weiß. Eigentlich eine Geschichte für ein kleines Happy End...“ Die Enten-Gemeinschaft machte sich schon Gedanken darüber, auf welcher Flugbahn die drei Enten nach mehreren Wochen behutsamer Aufzucht wohl in die große weite Welt hinausstarten würden; als der abrupte „Stop“ der Nachbarschaftsaktion folgte. Mehlhorn: „Offenbar durch einen Zeitgenossen, der allen Beteiligten einen Strich durch die Rechnung machte.“
Um 15 Uhr am Freitag vergangener Woche sah Lutz Mehlhorn die Enten noch friedlich in der Sonne watscheln. „Während einer Videokonferenz hörte ich dann kurzes heftiges Geschnatter der Mutterente in Verbindung mit einem dumpfen Rollgeräusch“, berichtet er weiter. „Es war offensichlich nicht die reguläre Müllabfuhrtonne, die auf dem Gelände bewegt worden war, sondern jemand, der sich nicht an den Dialog der Gemeinschaft hielt und diese stattdesssen egoistisch vor vollendete Tatsachen stellte. Die Enten waren um 18 Uhr zur Fütterungszeit ‚beseitigt’.“
Der zauberhafte Garten habe plötzlich stumpf und unbelebt gewirkt, das Wasser im kleinen Teich habe sich nicht mehr bewegt. Zaghafte Rückfragen und Recherchen seien mit Achselzucken oder mit symbolischen Kurznachrichten ohne Text distanziert beantwortet worden.
Mehlhorn traurig: „Das einzige was blieb, war das eigentlich wunderbar für die Aufzucht geeignete, abgegrenzte Grundstück, das liebevoll von Mietern installierte Wasserbecken, welches wir mit Zustimmung des Eigentümers aufgestellt hatten, die zwei Stühle, die man sich für die Abendstunden zur Beobachtung der Tiere zurecht gerückt hatte – und nicht zu vergessen, die Reste eines Hygienereinigers, mit Hilfe dessen man sich offensichtlich vom kaum wahrnehmbaren Entendreck psychologisch und faktisch befreit hatte.“
Seine Erkenntnis: „Dieses kleine Beispiel ist doch ein Indikator dafür, wie wenig einige Mitmenschen bereit sind, auch nur die kleinste Einschränkung ihres alltäglichen Besitzstandes in Kauf zu nehmen – selbst wenn die Natur auch nur ein paar Wochen kaum wahrnehmbares Entgegenkommen für das menschliche Individuum geltend macht. Auch das scheint zu viel und führte nicht nur den Kreaturen gegenüber zu einem unfairen Verhalten, sondern auch denjenigen gegenüber, die sich sensibel mit den kleinen Themen der Natur auseinandersetzen, dort wo sie uns im Alltag einmal begegnen.“
Für ihn eine berechtigte Frage: „Wie wollen wir die großen Herausforderungen bewältigen, wenn wir als Akteure so durch die Welt schreiten, wie die Person, die die Entenvertreibung wider der gemeinschaftlichen Auffassung in der Nachbarschaft zu verantworten hat? Es liegt nahe, dass, wer so handelt, auch bei anderen Themen egoistisch und wenig gemeinwohlorientiert agiert – zu Lasten von Mensch, Gesellschaft und Natur.“