Nur Wut Die goldenen Zitronen kommen ins zakk

Am Anfang war der Spaß. Als Die goldenen Zitronen 1987 unter dem Titel "Porsche, Genscher, Hallo HSV" ihr erstes Album veröffentlichten, fanden sich darauf Songs wie "Ganz doll Schnaps", "Marihuana" oder "Für immer Punk".

Schluss mit lustig: Die goldenen Zitronen

Foto: Frank Egel

In den Neunzigern, nachdem in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda und anderswo der rechte Mob getobt hatte, war dann Schluss mit lustig, das Kapitel Fun-Punk beendet. Die Band ließ die Mitgröhl-Nummern hinter sich. Von nun an wagte man musikalisch mehr Experimente und wurde nicht zuletzt durch die explizit politischen Texte zu einer der wichtigsten künstlerischen Stimmen im Land.

Daran hat sich bis heute nichts verändert. Und obwohl die Band mittlerweile über 30 Jahre zusammen ist, gibt es von Altersmüdigkeit oder gar -milde keine Spur. Nach nunmehr 13 Alben dürfen die Herrschaften um Schorsch Kamerun und Ted Gaier immer noch als verlässlicher Seismograph gesellschaftlicher Zustände in Deutschland gelten. Im Februar haben Die goldenen Zitronen ihr jüngstes Studiowerk vorgelegt. "More Than A Feeling" heißt es, wie der gleichnamige Ohrwurm der Band Boston. Musikalisch haben die Hansestädter mit den US-amerikanischen Kollegen allerdings rein gar nichts zu tun. Auf "More Than A Feeling" präsentieren sie sich, was den Sound angeht, wesentlich vielseitiger und überraschender als zuletzt: Flirrende Synthies treffen da auf hektische Beats, Postpunk auf Disco und Krautrock. Dabei ist das Spektrum jener, gegen die die die Musiker ihr immer noch reichlich vorhandenes Gift verspritzen, überraschend breit. Die AfD bekommt da ebenso ihr Fett weg wie die Politik im Allgemeinen, die "Zitronen" ätzen aber auch gegen gentrifizierte Großstadtkieze, Öko-Hipster oder den Schwarzen Block.

"Wir fühlen uns in gewisser Weise immer noch dem linksradikalen Milieu zugehörig", gab Ted Gaier vor einigen Wochen gegenüber dem Deutschlandradio zu Protokoll. Dennoch seien auch die eigenen Kreise und damit letztendlich man selbst keinesfalls vor Kritik gefeit: Der Schwarze Block, weiß Gaier, habe "eine Frauenquote wie die Deutsche Industrie". Mit Aussagen wie dieser macht man sich natürlich nicht ausschließlich Freunde. Aber darum geht es den goldenen Zitronen auch nicht, ging es nie.

In dem Stück "Die alte Kaufmannsstadt, Juli 2017" setzt sich die Band kritisch mit den Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg auseinander, in dessen Rahmen sie zur Eröffnung der linksautonomen "Welcome to Hell"-Demo damals ein Konzert spielten. "Es kam wie es kommen musste/Alle kannten ihre Rolle" heißt es im Text. Anspruch und Realität klafften bei der Linken oft weit auseinander, erklärt Gaier. Im zweiten Stück des neuen Albums, "Gebt doch endlich zu, euch fällt sonst nichts mehr ein" richten sich die goldenen Zitronen direkt an die AfD: "Baut doch eine Mauer um den Scheißkontinent" singen sie und klingen dabei fast schon ein bisschen resigniert. "Die Folgen des Kolonialismus und all das, das wurde überhaupt noch nie diskutiert — nicht wirklich", kritisiert Ted Gaier, der mit mehreren Geflüchteten in einer WG wohnt. "Es hat sich niemand dafür entschuldigt. Es gab auch keine Reparationszahlungen. Stattdessen wird immer dieses Bild aufgebaut: Wir werden überschwemmt. Dieses sogenannte 'Wir‘, wo ich mich immer frage: Wer ist denn dieses 'Wir‘?"

Auch jenseits dieser haben die goldenen Zitronen im Jahr 2019 noch zahlreiche Fragen, auf die sie nicht wirklich mit Antworten rechnen dürfen. Trotzdem hauen sie sie raus, eine nach der anderen. Das macht sie mehr als drei Dekaden nach ihrer kunterbunten Fun-Punk-Phase so unverzichtbar.

28.3., 20 Uhr, zakk, Fichtenstr. 40, Düsseldorf