Nach 120 Jahren schließt das Tanzlokal Das Ende der „Löwenburg“
Am Ende des Monats schließt nach 120 Jahren das Ausflugs- und Tanzlokal „Löwenburg“ an der Ludenberger Straße.
Das hätte nicht sein müssen, sagen die ehemaligen Eigentümer, Frauke Schlebusch-Gösel und Volker Gösel. Auf dem Barhocker im großen Saal sitzen und erzählen ist eher nicht die Lieblingsbeschäftigung des Ehepaars; sie sind meisterhafte Tänzer durch und durch, Tanzlehrer, Tanzpädagogen, mit großer Fan-Gemeinde. Aber einmal müssen sie ihren Groll und ihre Enttäuschung über die Bürokratie herauslassen.
Die Geschichte der Familie im Osten der Stadt reicht weit zurück. „Mein Vater Hans hat als 14-Jähriger zweimal mitgeholfen, nach Brandbomben den Saal hier zu löschen und aufzuräumen“, sagt Frauke. Dann, nach dem Krieg, erlebten viele Lokale ringsum, wie das „Waldschlösschen“, die „Wolfsschlucht“ und die nun „Wedig“ genannte „Löwenburg“ eine Blütezeit, mit unterschiedlichem Erfolg.
Volker erzählt: „Als mein Schwiegervater, der an der Ludenberger Straße einen Getränke-Großhandel betrieb, 1960 Tanzsaal und Gaststätte kaufen wollte, schlug sein Steuerberater die Hände überm Kopf zusammen: ’Diese Ruine?!’“ Ruiniert war auch der Ruf, sie galt als Schläger-Kneipe und Anmach-Schuppen. „Bist du ledig, geh zu Wedig“ hieß es. Das wusste auch Günter Grass, dessen Figur Oskar Matzerath aus der „Blechtrommel“ „ein gerngesehener Stammgast“ in der „Löwenburg“ war.
„Haus Schlebusch“ wurde anders. „Hier haben die Väter ihre Töchter abgegeben. Mein Vater hatte schließlich selber drei und baute sich stets an seinem Tischchen in Reichweite der Klingel auf, einer Art Notruf-Einrichtung“, sagt Frauke und zeigt auf die Schelle an der gegenüberliegenden Wand. Bei Ärger war das stämmige Küchenpersonal rasch zur Stelle. Pop-Musik am Wochenende, das Restaurant die ganze Woche - „in diesem Umfeld bin ich groß geworden.“ Frauke schaut versonnen und nennt es eine schöne Zeit.
Hier lernte sie später Volker kennen. Die beiden brannten fürs Tanzen, aber weniger als Sportart, sondern als Kunstform. Dessen ungeachtet wurden sie im Formationstanz mit dem TD Rot-Weiß Deutsche, Europa- und Weltmeister. Daneben ließen sie sich von den weltbesten Tänzern im Paartanz in London ausbilden. 1991 baute Rot-Weiß in Grafenberg selbst ein Trainingsgelände auf und in der „Löwenburg“ sollten Möbel gelagert werden. „Da haben wir uns relativ spontan entschlossen, zusammen mit einem Partner eine eigene Tanzschule an dieser Stelle zu gründen.“
Eine außergewöhnliche Tanzschule. „Wir wollten unsere Schüler nie vergleichen; bei uns gab es keine Medaillentests und keine Abzeichen. Wir wollten erreichen, dass man die Bewegung fühlt.“ Die Tanz-Abende und später die Tango-Abende, die folgten, sind legendär.In den 2000er-Jahren ließ der Boom nach, die Menschen hatten auch in der Woche immer länger zu arbeiten und anderes im Kopf. Dann starb 2007 Hans Schlebusch und alle in der Familie waren gezwungen, über die Zukunft des Geländes nachzudenken.
Da begann das, was sie im Rückblick als das langsame Sterben der „Löwenburg“ einordnen müssen. „Ein Haus wie dieses muss ständig repariert, erneuert und instand gehalten werden.“ Sie suchten sich einen Architekten, planten mit ihm zusammen, wie man in der Bausubstanz alt und modern mischen könnte und sahen über ein Detail hinweg, das etwas ins Rollen brachte, das sie nicht später mehr kontrollieren konnten. Sie wollten einen Mini-Anbau, ein Winz-Büro am großen Saal abtragen lassen.
Das rief augenblicklich den Denkmalschutz auf den Plan. „Der stellte sofort die schwarzen Fußleisten da drüben, die von 1991 sind, und das superhässliche Treppenhaus unter Schutz.“ Außerdem erteilte die Behörde der Idee von großen Oberlichtern in der Etage über dem Saal eine Absage, wies aber beiläufig darauf hin, dass Auflagen eingehalten, Zuschüsse aber nicht zu erwarten seien. Auch das Bauamt stellte sich quer.
„Dabei wollten wir nichts zerstören, was irgendwie die Geschichte der ’Löwenburg’ hätte beschädigen können.“ Sie versuchten alles, klagten sogar, kamen nicht mehr zum Tanzen und wurden immer unglücklicher. Ein Umbau unter diesen Voraussetzungen war mit eigenen Mitteln nicht zu stemmen. „Eines Tages merkten wir: Wir müssen loslassen.“ Sie verkauften die „Löwenburg“, zogen um, sind in Verhandlungen mit verschiedenen Tanz-Studios über Kooperationen und reisen zurzeit zu Workshops durch ganz Deutschland.
Am 15. Dezember kann jeder sich noch einmal den historischen Saal ansehen.