Hexenküche Vulkanwandern auf den Liparischen Inseln

Natürlich ist Siziliens Hauptattraktion der größte aktive Vulkan Europas: der Ätna. Während man letzteren — zumindest ab einer bestimmten Höhe — aber nur mit Guide erkunden darf, kann man den Vulcano auch ohne begleitende Fachkraft besteigen.

Ausblick vom Kraterrand

Foto: Alexandra Wehrmann

Und obwohl er nur 391 Meter misst, ist das ein ziemlich imposantes Erlebnis.

Der Schichtvulkan liegt auf dem gleichnamigen Eiland, einer von insgesamt sieben Liparischen Inseln. Auf Vulcano leben gerade einmal 715 Menschen (Volkszählung aus dem Jahr 2001). Wem das zu einsam erscheint, dem sei die Nachbarinsel als Basisstation empfohlen: Lipari ist von Vulcano gerade einmal 20 Bootsminuten entfernt und bietet vieles von dem, was Urlauber wünschen. Restaurants und Bars. Souvenirläden. Ein gut funktionierendes Bus-Netz. Traumhafte Landschaft. Eine Handvoll Wanderwege, darunter der traumhafte Küstenpfad von Pianoconte nach Quattropani. Allein die Strände lassen eher zu wünschen übrig, weshalb die entsprechende Klientel wohl auch andere Destinationen vorzieht. Auf Lipari ist stattdessen die Wander- und Outdoor-Fraktion stark vertreten. Rüstige Bestager, die, wenn um 7.30 Uhr das Frühstücksbuffet eröffnet wird, schon bumsfidel und tatendurstig herumwieseln. Viele von ihnen treffen wir rund zwei Stunden nach der ersten Mahlzeit des Tages am Bootsanleger und später auf Vulcano wieder. Noch schnell die Sommer-Sandalen gegen Wanderschuhe ausgetauscht. Die Nordic-Walking-Teleskop-Stöcke ausgefahren. Und die empfohlene Kopfbedeckung aufgesetzt. Dann steht dem "Tanz auf dem Vulkan" (Nena) nichts mehr im Wege.

Ein Stück weit folgt man der Hauptstraße Strada Provinciale, dann weisen viersprachige Schilder den Weg nach oben: al cratere, to the crater, au cratère, Zum Krater. Und da liegt er auch schon vor uns und mutet von hier aus wesentlich höher an als knapp 400 Meter: Fossa di Vulcano. Im Gegensatz zum großen Bruder Ätna, der 2017 letztmals ausbrach, ist es hier schon lange ruhig. 1890 regnete es letztmalig Asche und Lava. Komplett erloschen ist der Vulcano aber trotzdem nicht. Bis heute gilt er als aktiv. Schilder weisen dann auch auf die Gefahr durch Fumarolen hin, Spalten im Boden, aus denen Wasserdampf, zum Teil aber auch vulkanische Gase austreten. Den Vulkanologen dienen die Fumarolen als Indikatoren für die Aktivität des Vulkans. Nimmt ihre Temperatur zu oder verändert sich die Zusammensetzung der austretenden Gase drastisch, kann dies ein Zeichen für einen bevorstehenden Ausbruch sein. Entsprechend groß war die Sorge, als auf Vulcano die Temperaturen der Fumarolen zwischen 1986 und 1993 von 300 Grad auf mehr als 700 Grad anstiegen. Zum Ausbruch kam es aber letzten Endes nicht.

Heute dient der schwarze Berg in erster Linie wandernden Touristen als Attraktion. Unter sengender Sonne, die selbst im Oktober noch immense Kraft hat, schieben sie sich den in Serpentinen verlaufenden, aber nicht unbedingt steilen Weg gen Gipfel hinauf. Schatten ist hier Mangelware. Kein Baum, kein Busch, der Schutz böte. Entsprechend schweißtreibend ist der Angelegenheit. Andere sind derweil schon entspannter, weil auf dem Rückzug. Die Wanderer stammen aus aller Herren Länder. Französische Wortfetzen fliegen durch die schwefelhaltige Luft, englische, spanische und immer wieder auch deutsche. Die meisten Gipfelstürmer haben sich für praktische Kluft entschieden. Allein eine junge Italienerin mutet in ihren Hotpants, dem mit Strass versehenen Top und dem perfekten Make-up eher an, als wäre sie zu unterwegs zu einer Party.

Nach rund 45 Minuten Aufstieg ist der Rand des Kraters dann erreicht. Hier bietet sich ein Ausblick, der für jede, aber auch jede Strapaze entschädigt. Vor uns liegt eine Mondlandschaft, die nur eine Farbe kennt: schwarz. Das heißt: zwei. An einigen Stellen verlaufen gelbe, teils fast schon orange Schwefeladern im Boden, entstanden durch Oxidation und wärmeliebende Bakterien. An manchen Stellen dampft es, als habe jemand eine Nebelmaschine angeworfen. Ein Szenarium wie aus der Alchimisten-Küche. Über all dem wölbt sich der strahlend blaue Himmel, der irgendwo in der Ferne übergeht in das Meer. Aus dem Wasser erheben sich majestätisch die Nachbarinseln: Lipari und dahinter das gänzlich grüne und prima zum Wandern geeignete Salina. So viel Schönheit verschlägt den Wanderfüchsen glatt die Sprache. Selbst die Italiener halten mal den Rand. Jedermann und jederfrau schaut andächtig in die Gegend. Ein paar besonders Mutige wagen sogar den ziemlich steilen Abstieg zum Kraterboden. Sie sind offenbar nicht die ersten. Ihre Vorgänger haben dort aus Steinen Nachrichten hinterlassen. Oder war es doch der Schmiede- und Feuergott Vulcanus, von dem die alten Römer glaubten, er habe hier seine Werkstatt?

Infos
Die Insel Vulcano liegt ca. 20 Kilometer vom sizilianischen Festland entfernt im Thyrrenischen Meer. Von Milazzo sowie von den anderen Liparischen Inseln verkehren regelmäßig Fähren sowie — schnellere — Tragflächenboote. Die Fahrzeit mit dem Tragflächenboot beträgt von Lipari aus ca. 20 Minuten, von Milazzo benötigt man ca. eine Stunde. Zwischen Milazzo und dem Flughafen von Catania gibt es eine direkte Busverbindung. Die Busse sind nicht besonders schnell, fahren aber zuverlässig. Der Flughafen Catania wird von Düsseldorf aus direkt angeflogen, u. a. von der Fluggesellschaft Condor.

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