Die Kunst des künstlichen Mode-Hypes
Nicht etwa, wie angekündigt, ein neues Modelabel feierte am vergangenen Wochenende die Eröffnung eines Pop-Up-Stores mit neuer Kollektion - vielmehr ein Kunstprojekt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen stellte dar, wie sehr Konsumenten heute von Influencern, künstlichem Social Media-Rummel und auch Medien beeinflusst werden können.
Sicherlich zu einer Überraschung, keinesfalls aber zu einer Enttäuschung geriet der Besuch des Pop-Up-Stores der fiktiven Düsseldorfer Modemarke "SELFNESS guilty pleasure" für Interessierte am vergangenen Wochenende an der Erkrather Straße (der Düsseldorfer Anzeiger berichtete in der Ausgabe der vergangenen Woche von der geplanten Kollektionsschau) in der Nähe des Worringer Platzes.
Dort nämlich erwartete die Besucher nicht etwa, wie angekündigt, ein "junges Team internationaler Designer", die mit ihrer ersten Kollektion auf dem Sprung in eine vielbeachtete Rolle und Karriere in der Modebranche sind, sondern 14 Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 21 Jahren, die dort ein lange vorbereitetes Kunstprojekt auflösten.
Denn sowohl die Düsseldorfer Filmwerkstatt als auch das Kulturzentrum zakk luden im Oktober dieses Jahres Jugendliche zu einem einwöchigen Workshop ein, der sich mit dem Thema "Hypes", also künstlich erzeugtem Rummel beschäftigte.
Darin untersuchten die Workshop-Teilnehmer unter der Parole "Don't believe the hype - Glaube nicht der (künstlich erzeugten) Aufmerksamkeit", wie mit Hilfe von Medien, Social Media Bubbles und sogenannten Influencern, also Personen, die aufgrund ihrer starken Präsenz und ihres hohen Ansehens in einem oder mehreren sozialen Netzwerken für Werbung und Vermarktung in Frage kommen, neue Trends und Hypes in der Gesellschaft generiert werden können.
Entstanden ist so die Idee eines fiktiven Modelabels, das, skizziert durch nur wage Andeutungen, mit seiner neuen Kollektion auf dem Sprung in eine vielbeachtete Rolle in der Modewelt sei. Die fiktive Marke nutzte dabei - unter anderem auch mit Unterstützung unterschiedlicher Titel der Düsseldorfer Medienlandschaft - Mechanismen, die einen Hype ins Rollen bringen können.
Insbesondere die Online-Präsentation des fiktiven Modelabels wurde von den Jugendlichen in den Workshops und zahlreichen Treffen im Anschluss aufwendig vorbereitet: ein Logo sowie eine eigene Website mit Shop wurde entwickelt, ein Foto-Shooting setzte die vermeintliche Kollektion ins rechte Licht. Zahlreiche, von den Jugendlichen betreuten Social Media-Kanäle wiesen schließlich auf das Label und seine Kollektionsschau, bestehend aus insgesamt 70 Kleidungsstücken aus zweiter Hand und bedruckt mit den eigenständig entworfenen Designs der Jugendlichen, hin.
Um das fiktive Modelabel im Netz bekannter zu machen und schließlich so auch eine virale Verbreitung der vermeintlichen Modemarke anzustoßen, wurden schließlich auch Follower und Likes gekauft sowie Influencer gewonnen, die die Fälschung unterstützten und so zusätzlich künstlich vergrößerten. So konnten zum Beispiel auf der Plattform Instagram bis zum vergangenen Wochenende schließlich rund 6.000 Follower generiert werden, die der fiktiven Modemarke folgten.
Die Aufklärung des Kunstprojekts und der vorgelagerten Workshops erfolgte schließlich prompt: Im Pop-Up-Store, einem nur für begrenzte Zeit geöffneten Ladenlokal, das die Galerie Rooooom in ihren Räumen an der Erkrather Straße zur Verfügung stellte, wurden Kollektion und Videos für ein Wochenende präsentiert. Dabei konnten die von den Jugendlichen kreierten Kleidungsstücke vor Ort tatsächlich erworben werden. Jedoch mussten die Besucher des Geschäftes die Kollektionsteile nicht mit Geld, sondern ausschließlich durch Tausch mit eigenen, zum Zeitpunkt des Besuchs getragener Kleidung erwerben. Unter dem Motto "Gib ein Kleidungsstück ab und du erhältst dafür ein Stück Selfness — Guilty Pleasure" nutzen viele Besucher tatsächlich das Angebot eines Tauschs.
Ziel des Projekts war, einerseits auf die potenzielle Manipulation durch künstlich erzeugte Hypes aufmerksam zu machen und Mechanismen, in diesem Falle des Modebusiness zu entlarven. Andererseits wiesen die Jugendlichen mit ihrem Projekt auch auf Probleme der häufig unreflektierten Konsumgesellschaft hin und warben mit ihrer Aktion für Nachhaltigkeit und Wiederverwertung.