Das Creamcheese lebt (noch)
Düsseldorf. · Keine Kneipe war und ist in der weltweiten Kunstwelt so berühmt wie das "Creamcheese" in der Altstadt - wegen Uecker, Zappa, Richter. Seit fast fünfzig Jahren betreuen Wegbegleiter diesen Kult, unter anderem mit einer jährlichen Party in der Piwipp 5.
Aus den Boxen schwillt das Intro von Creams "White Room", Besucher wiegen sich auf dem Tanz-Podest und mit dem einsetzenden Rhythmus schütteln sie alle Scheu ab und legen los. Der Erste auf der Fläche ist Johannes Lessing, "einer muss ja das Eis brechen." Das ist heute nicht anders als 1969. Damals zog das "Creamcheese" an der Neubrückstraße die Progressiven an, Musik-Freaks, die hier neue Platten aus England hörten, bevor sie irgendwo anders gespielt wurden; Künstler, die die Welt verändern wollten und Werke spendeten: Günther Uecker einen überdimensionalen Nagel, Gerhard Richter ein Wandbild, Beuys seine Happenings.
"Gabriele Henkel verkehrte hier, und wenn Frank Zappa in der Nähe auf Tour war, schaute er vorbei." Das erste Stroboskop in Deutschland hackte das Licht in Stücke, "Kraftwerk" traten hier auf, die Johannes Lessing immer die "Kraftzwerge" nannte, "die waren ja alle nicht groß." Die 20 Meter lange Theke suchte ihresgleichen, die Spiegel-Lamellen-Wand von Heinz Mack dahinter ließ sie noch größer wirken, Werber und Volksmund machten daraus später "die längste....". Über dieser Theke waren an der Decke Bierdeckel angeklebt und Biergläser, Aschenbecher, Kippen. "Das würde heute keiner mehr machen, schon aus Angst, dass etwas runterfällt - aber damals hat sich niemand darum geschert."
Unweigerlich blicken an diesem Abend in 2017 die Gäste zurück; vor einer Bilder-Show fragt eine Frau: "Ist das nicht der Edgar?" "Egon!" sagen Menschen ringsum im Chor. Manche Erinnerung muss korrigiert werden. Am Tanzpodium zücken ältere Herren ihr Smartphone und shazamen den Uralt-Song, der gerade läuft, aber dessen Titel ihnen gerade partout nicht einfallen will, "warum soll man sich nicht der digitalen Technik bedienen?"
Die Creamcheese-Revival-Party dagegen wird sich mit Technik nicht retten lassen. Michael Notowitz ist die organisierende Kraft im Verein. Fast eine Woche lang hat er Frau und Firma vernachlässigt und zusammen mit Johannes Lessing alles aufgebaut. "Wir werden leider immer weniger." Die Veteranen altern, büßen ihre Kraft ein, sterben. "Ich versuche neue Wege zu gehen, jüngeres Publikum anzusprechen, aber das kommt nicht bei jedem gut an." Die Party heute gibt ihm Auftrieb. "Ich freue mich sehr darüber, dass neue Leute da sind, die ich noch nie gesehen habe."
Wenn die Macher doch nur einen ständigen Spielort hätten, eine Halle, in der neue, junge Bands auftreten und nebenbei der Mythos von der kreativen Kunst- und Musikszene der 1960er-Jahre bewahrt werden könnte! Michael Notowitz setzt bei dieser Idee immer noch auf Gil Bronner, den Düsseldorfer Kunstsammler, der ihm eine solche Möglichkeit in Aussicht gestellt hatte. Dann schlief der Kontakt ein, "aber vielleicht ändert sich das noch mal." Andernfalls wird "White Room" bald nur noch in den Wohnzimmern laufen.