Düsseldorfer Palliativ-Mediziner sagt: "Ich bin kein Sterbe-Arzt"
"Gut aufgehoben - Palliative Versorgung in Düsseldorf" heißt eine neue Broschüre, die jetzt vorgestellt wurde. Am "Runden Tisch Palliative Versorgung Düsseldorf" auch der Hausarzt und Palliativ-Mediziner Dr. Claudius Löns.
Der Düsseldorfer Anzeiger sprach mit ihm über die Versorgung am Ende eines Lebens.
Was versteht man eigentlich unter Palliativ-Medizin?
Palliativ-Medizin ist die so genannte Lindernde Medizin. Von ihr profitieren schwerstkranke Patienten z.B. mit fortgeschrittenen Tumor-Erkrankungen, neurologischen Erkrankungen wie schwerster Demenz oder kaum noch therapierbaren Herz—Lungen—Erkrankungen.
Als Hausarzt sind Sie Heiler. Der Palliativ—Mediziner übernimmt dann, wenn der Heiler am Ende ist?
Das beste für den Patienten, der zu Hause leben und sterben möchte, geschieht, wenn Hausarzt und Palliativarzt sich gemeinsam um ihn kümmern. Die Palliativ-Medizin hat in den vergangenen Jahren riesige Fortschritte gemacht. Es hat sich eine eigene Qualifikation hierfür entwickelt. Der Hausarzt allein kann nicht alles von diesem großen Feld wissen, so dass die Hinzuziehung eines Palliativmediziners sehr sinnvoll sein kann. Etwa so wie er einen Kardiologen bei Herzproblemen hinzuzieht.
Darf man Sie Sterbehelfer nennen?
Das ist eine Frage, die ich oft mit dem Patienten beim ersten Kontakt beantworten muss. Meist mit viel Humor! Ich bin weder der Terminator, noch der Sterbearzt im schwarzen Kittel. Ich bin derjenige, der sich ganz auf das akute Leid des Patienten und seine Bedürfnisse konzentrieren kann. Dafür brauche ich zunächst ein tragfähiges Netz von verschiedenen, ganz eng zusammenarbeitenden Professionen, die sich genau über den Zustand des Patienten abstimmen. Palliativmedizin ist Netzarbeit für den Patienten und seine Angehörigen. Die Zeit die dem Patienten bleibt, soll er möglichst selbstbestimmt und mit best möglicher Behandlung seiner Symptome wie Schmerz, Übelkeit, Atemnot, Unruhe, Angst usw. verbringen können.
Ist das der Grund, weshalb Sie immer wieder gerne betonen, Palliativ-Medizin sei keine traurige Angelegenheit?
Ganz genau! Unsere gemeinsame Lebenszeit, von der keiner weiß wie lang sie ist, wollen wir so gut wie irgend möglich verbringen. Das ist Sinn der Palliativ-Medizin und macht unglaubliche Freude.
Muss ein Schwerstkranker am Lebensende Schmerzen erleiden?
Es gibt Schmerzen, die wir nicht vollständig bekämpfen können. Dann ist wieder das Lindern unsere Chance. Patienten, die lange unter Schmerzen leiden, haben meist eine höhere Schmerztoleranz. Deren Lebensqualität mit allen Mitteln zu verbessern, ist dann die Aufgabe.
Ist der Aufenthalt im Hospiz Voraussetzung für die Versorgung durch Spezialisten wie Sie?
Nein. Palliativmediziner findet man in stationären Einrichtungen wie Palliativstationen im Krankenhaus oder Hospizen. Im ambulanten Bereich übernehmen sie die Versorgung des Patienten gemeinsam mit dem Hausarzt.
Wie findet man denn diese Spezialisten?
Zunächst soll immer der Hausarzt befragt werden. Die Düsseldorfer Hausärzte sind in der Regel sehr gut vernetzt und kennen einen Palliativarzt in ihrer Umgebung. Ferner über die Kassenärztliche Vereinigung, die ambulanten Hospizvereine oder die Krankenkasse.
Ist das Angebot von Palliativmedizinern ausreichend?
Nein, sicher noch nicht. Durch Fortbildungen und tolle, vertraute Kontakte zu den Hausärzten versuchen wir ständig, die allgemeine palliative Versorgung vor Ort zu verbessern. Damit soll sich jeder Hausarzt ermutigt fühlen, seine Patienten auch in dieser schwierigen Lebenslage weiter zu betreuen. Durch diese Art der Zusammenarbeit mit entsprechenden Pflegediensten, ambulanten Hospizbesuchsgruppen, Seelsorgern und Apotheken entsteht dann ein verlässliches System für den Patienten.
Übernehmen die Krankenkassen die Kosten?
Ja, sie werden ohne besonderen Antrag übernommen.
Thema Sterbehilfe: Welche Rolle spielt die Palliativ-Medizin in der Diskussion?
In der Stärkung der Palliativ-Medizin sehen wir alle das wichtigste Gegengewicht zur aktiven Sterbehilfe. Warum sprechen Patienten dieser Form der Beendigung ihres Lebens zu? Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass es spezielle, individuelle Notlagen oder schlecht therapierte Krankheitssymptome sind, die den Patienten einen solchen Weg aufzuzwingen scheinen. Wären kompetente Ansprechpartner und Therapeuten da, gäbe es eine herzliche Begleitung, so wäre der "Sterbetourismus" in die Schweiz, nach Belgien oder in die Niederlande zu einem großen Teil vermeidbar.
Wo sehen Sie neben dem grundsätzlichen Ausbau des Versorgungsangebotes Verbesserungsbedarf?
Mein Wunsch ist es, dass die Palliativ-Medizin viel früher in die Behandlungskonzepte z. B. von Krebspatienten mit eingebunden wird. Damit werden wir eben nicht als Sterbeärzte angesehen, sondern als Begleiter, die sich um die Lebensqualität mit all den individuellen Facetten beim Patienten kümmern können. Denn je besser die Lebensqualität eines Patienten ist, desto länger lebt er gewöhnlich.
Haben Sie eigentlich Angst vorm Tod?
(lacht) Nein! Es gibt einen sehr schönen Spruch: Den guten Tod kann man erlernen wie das Bergsteigen oder Schwimmen. Ich weiß durch so viele Erfahrungen mit Patienten, dass unsere Seite des Lebens sicher nicht die einzige ist!