Interview "Weine ich beim Schreiben, funktioniert's auch im Film"
Sein aktueller Film "Honig im Kopf" mit Dieter Hallervorden in der Hauptrolle als an Demenz erkrankter Senior hat die Spitze der deutschen Kinocharts erklommen. Regisseur und Schauspieler Til Schweiger spricht im Interview mit dem Düsseldorfer Anzeiger über das Ergebnis seines Demenz-Früherkennungstests, den Selbstmord von Gunter Sachs und bei welcher Filmstelle er echt heulen muss...
Warum war Ihnen ein Film über Demenz so wichtig?
Die ursprüngliche Idee zu "Honig im Kopf" hatte die Drehbuchautorin Hilly Martinek. Mit ihr habe ich das Drehbuch zusammen geschrieben. Ihr Vater ist an Demenz und mein Großvater an Alzheimer gestorben. Ich dachte mir, Demenz ist so ein großes Thema im Moment, dass man versuchen sollte einen Film daraus zu machen, um diese Krankheit aus der Tabuzone herauszuholen.
Viele Kollegen, die von Ihrer Idee hörten einen Film über Demenz zu drehen, haben Ihnen davon abgeraten. Sie machten trotzdem weiter - mit einem überaus erfolgreichen Ergebnis. Ist das für Sie eine Bestätigung, dass man auch aus schwierigen Themen einen guten Film machen kann?
Ja, absolut. Und wir haben ja auch immer daran geglaubt, auch wenn wir nie gewagt hätten zu hoffen, dass es dann doch so viele Zuschauer geben wird. Dennoch: In Deutschland hat eine Komödie immer mehr Erfolg als ein Film mit einer tragischen Geschichte.
Demenz ist ein sehr schwieriges und auch sehr emotionales Thema. Ihre persönlichen Erfahrungen mit der Krankheit werden das Thema nicht leichter gemacht haben. Wie steht man die Auseinandersetzung durch, wenn man sich so intensiv damit befasst wie Sie?
Man lernt sehr viel durch die Recherche und die Gespräche die man mit Pflegern, Heimleitern und Hirnforschern führt, denn die Krankheit könnte ja auch einen selber treffen.
Angst, dass Sie auch Demenz bekommen könnten?
Während wir das Drehbuch geschrieben haben, habe ich einen General-Check gemacht. Dabei habe ich gefragt, ob es auch einen Früherkennungstest für Demenz gibt. Den habe ich dann auch gemacht. Dabei muss man dann sehr viele Gedankenspiele machen und bei jedem Wort was mir nicht eingefallen ist dachte ich: "Oh Mist!" Es stellte sich jedoch heraus, dass ich keine Frühsymptome hatte. Das muss jedoch nicht heißen, dass ich die Krankheit nicht bekommen kann. In so fern bringt dieser Test also gar nichts. Im Endeffekt kann man das Thema nur versuchen zu verdrängen. Denn man kann ja nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen und davor Angst haben, das man dement wird.
Es gibt bei Erkrankten ja zwei Methoden wie man mit der Krankheit umgeht. Einmal etwa die von Rudi Assauer, der den Kampf gegen die Krankheit aufgenommen hat und damit lebt. Und dann die von Gunter Sachs, der sich vermutlich wegen der Diagnose Alzheimer das Leben genommen hat. Gibt es für Sie auch einen Plan mit der Krankheit umzugehen, wenn Sie betroffen wären?
Das ist jetzt rein hypothetisch. Als ich damals "Knocking on Heavens Door" drehte, wurde ich auch oft gefragt was ich machen würde wenn ich nur noch eine Woche zu leben hätte. Darauf habe ich immer gesagt, dass ich wahrscheinlich genau das tun würde, was die beiden Jungs im Film getan haben. Aber vielleicht würde ich auch im Krankenhaus liegen bleiben und hoffen, dass noch etwas gefunden wird. Ich denke aber: Wenn es mich betreffen würde, dann würde ich mir wünschen, dass ich den Mut von Gunter Sachs hätte.
Fast fünf Millionen Menschen haben "Honig im Kopf" gesehen und wenn man im Kino ist, dann fällt auf, dass sich auch viele junge Menschen den Film anschauen. Wie erklären Sie sich das?
Also ich glaube, dass die Jüngeren erst so nach und nach gekommen sind. Am Anfang waren viele ältere Menschen im Kino. Dann erzählten mir Kinobetreiber, dass immer mehr Eltern mit ihren Kindern und dann auch ganze Familien von der Oma bis zum Enkel den Film angeguckt haben. Ich kann mir das nur so erklären, dass "Honig im Kopf" nicht in erster Linie ein Film über Alzheimer ist, sondern über Familie und deren Zusammenhalt.
Viele Zuschauer rührt Ihr Film zu Tränen oder bringt sie auch laut zum Lachen. Was war für Sie persönlich die Szene, bei der Sie geheult haben wie ein Schlosshund oder sich vor Lachen auf die Schenkel geschlagen haben?
Ich hab beim Schreiben des Drehbuchs oft geweint. Und wenn das passiert, dann weiß ich, dass es auch im Film funktioniert. Das gleiche gilt für das Lachen. Allerdings musste ich am häufigsten an der Stelle weinen, an der der Großvater dem Mädchen erklärt, dass er seiner mittlerweile verstorbenen Frau so gerne Venedig zeigen würde und ihm dabei die Worte nicht mehr einfallen. Darauf sagt das Mädchen: "Dann gehen wir doch dahin und gucken nach." Der Großvater sträubt sich darauf und sagt: "Ich kann doch nicht mehr. Ich bin zu nichts zu gebrauchen." Darauf sagt das Mädchen: "Ich helfe dir. Ich gehe mit dir." An der Stelle heule ich immer!