Es heißt, Künstler empfinden die Welt besonders intensiv. Haben Sie in Beziehungen immer sehr stark geliebt und gelitten?
Broilers-Sänger Sammy Amara im Interview Die Faszination des Abseitigen
Die Broilers aus Düsseldorf gelten als authentisch und unangepasst. Mit dem in diesen Tagen erschienenen wuchtigen achten Studioalbum „Puro Amor“ will die Band um Frontmann Sammy Amara (m.) ihrem Ruf als Vertreter des deutschen Stadionrock gerecht werden. Mit Amara, 41, sprach Olaf Neumann für den Düsseldorfer Anzeiger über Romantik, Underdogs und die Faszination des Abseitigen...
Sammy Amara, „Puro Amor“ ist ein Konzeptalbum über die echte, wahre, große und pure Liebe mit all ihren Höhen und Tiefen. Hatten Sie schon immer eine Affinität zu Liebesliedern?
Es ist eher versehentlich ein Konzeptalbum geworden. Für mich ist immer ein Bruch in der Musik wichtig. Wenn es zu süß wird oder es zu viele Dur-Akkorde sind, langweilt es mich. Ich brauche immer einen kleinen Störer. Mein großer Held Bruce Springsteen hat in den 1980ern in „Two Faces“ über die zwei Seiten der Liebe gesungen. Sowas ist mir näher als Süße.
Mein Sternzeichen ist Krebs. Meine Mutter hat über mich immer gesagt: Harte Schale, weicher Kern. Ich glaube, ich bin ein sehr sensibler, empathischer Mensch. Verluste schmerzen mich sehr, wenn ich liebe, dann vollumfänglich. Aber ich weiß nicht, ob das mit Kunst zu tun hat.
In dem Reggaesong „Trink mich doch schön“ geht es um die Kneipe als Ort des Flirts und der Anbandelns. Was interessiert Sie daran?
Es geht mir um gebrochene Helden. Früher hingen wir immer in einer Stadtteilkneipe in Düsseldorf-Süd rum. Da gibt es neben den Dart-Leuten die Trinker an der Theke. Männer, die irgendwie zusammen sind, aber auch komplett alleine. Die haben wir immer beobachtet. Das ist etwas ganz Trauriges. Ich finde es schöner, wenn Liebeslieder Moll-Akkorde haben...“
Haben Sie Ihre Menschenbeobachtungen auch in der Corona-Zeit fortgesetzt?
Nein, seit dem Tod meines Hundes habe ich das Rausgehen stark runtergefahren. Das adoptierte kleine Mädchen hat ein riesiges Loch hinterlassen. Französische Bulldoggen sehen nicht nur sehr interessant aus, Missy war auch noch taub und hatte Hängeohren, was nicht normal ist. Es war eine kleine kauzige Dame, und das hat sich gut ergänzt. Sie sah sogar ähnlich aus wie ich: kurze Beine und muskulös.
Sehen Sie sich selbst als Underdog?
Underdogs sind für mich Personen, denen es nicht so gut geht oder die Schwierigkeiten haben. Ich aber hatte viel Glück im Leben. Aber im Zweifel würde ich mich eher für Underdogs entscheiden als für Yuppies mit Pelzkragen.
Der Titel „Schwer verliebter Hooligan“ reiht sich ein in die Phalanx der romantischen Lieder. Wie kam es dazu?
Ich habe mich an eines unserer Stücke von 1996 erinnert, es hieß „Paul der Hooligan“. Da war ich 16. Was wäre, wenn dieser Typ älter wird, sich verliebt und nicht mehr verfügbar ist für seine Hooliganfreunde? Primär ging es mir aber um den Ausdruck „Chelsea Smile“. Den fand ich so lustig, dass ich drum herum ein Lied schreiben wollte.
Was versteht man unter „Chelsea Smile“?
Die britischen Gangster schneiden mit einem Messer ihrem Gegner die Wangen auf. Und dann entsteht dieses Lachen, welches der Joker auch hat.
Sind Sie fasziniert von abseitigen Dingen?
Ja. Und da sind es auch wieder die Kontraste, die mich interessieren. Ich fand immer das popkulturelle Phänomen der Mafia interessant. In der Popkultur siehst du diese Männer in Anzügen, die eine Eleganz und Höflichkeit haben. Auf der anderen Seite sind das natürlich extrem böse Menschen. Das strahlt in gewisser Weise eine Faszination aus.
Sie selbst entstammen dem musikalischen Underground. Die Pandemie ist verheerend für die Subkultur der Städte. Haben Sie Hoffnung?
Ich hoffe, dass unsere Branche es schafft, sich zu erholen. Und ich rede nicht von großen Bands wie uns, wir haben uns relativ gut abgesichert. Ich wünsche den kleineren Clubs, dass sie es schaffen. Man muss schauen, dass man etwa Solifonds gründet oder die Regierung endlich eine Lösung findet. Es kann auch sein, dass aus dem zerstörten Boden etwas Neues wächst.